AG Charlottenburg, Az.: 211 C 213/15
Urteil vom 18.02.2016
Internet-Handel: Einordnung eines auf einem Internet-Portal geschlossenen Kaufvertrags mit persönlicher Warenübergabe als Fernabsatzvertrag
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. Mai 2015 Zug um Zug gegen Übergabe der Uhr „…“ zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte aus der Rückabwicklung eines Kaufvertrages in Anspruch.
Die Beklagte bot als gewerbliche Anbieterin auf der Plattform … eine Uhr „Glashütte Original Senator Sixties Square“ zu einem Sofortkaufpreis von 5.169,00 € an. Der Kläger unterbreitete der Beklagten auf dieser Plattform für den Kauf einen Preisvorschlag von 4.500,00 € für die angebotene Uhr. Die Beklagte nahm das Angebot des Klägers an. Wegen der Angebote der Parteien vom 3. Mai 2015 und der Annahme des Preisangebotes des Klägers vom 6. Mai 2015 wird auf Blatt 5 bis 12 d. A. Bezug genommen.
Der Kläger zahlte den Kaufpreis über PayPal in Höhe von 4.500,00 € am 8. Mai 2015.
Am 11. Mai 2015 holte der Kläger die Uhr im Geschäft der Beklagten ab. Am 14.05.2015 erklärte der Kläger den Widerruf des Kaufvertrages. Die Beklagte lehnte den Widerruf des Kaufvertrages mit Email vom 14. Mai 2015 mit der Begründung ab, dass der zwischen den Parteien vereinbarte Kauf im juristischen Sinne nicht dem Fernabsatzgesetz unterliege. Der Kläger erklärte mit Einschreiben vom 1. Juni 2015 nochmals den Widerruf, den die Beklagte mit weiterem Emailschreiben vom 8. Juni 2015 ablehnte.
Der Kläger trägt vor, das Verpflichtungsgeschäft des Kaufvertrages, das über die … Plattform von beiden Parteien geschlossen worden sei, stelle ein Fernabsatzvertrag gemäß § 312 c Abs. 1 BGB dar, da die Beklagte Unternehmerin sei, er Verbraucher. Für die Einordnung des geschlossenen Vertrages als Fernabsatzvertrag sei es unerheblich, ob der gewerbliche Verkäufer die Ware in Erfüllung des Kaufvertrages übersende oder der Verbraucher die Ware vor Ort abhole. Da die Beklagte sein Widerrufsrecht grundsätzlich ablehne, befinde sie sich in Annahmeverzug.
Der Kläger beantragt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.500,00 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.05.2015 Zug um Zug gegen Übergabe der Uhr „Glashütte Original Senator Sixties Square“ zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte entgegnet, die weiteren Verkaufsverhandlungen der Parteien seien im Ladengeschäft geführt worden. Der Kläger habe die Uhr am 11. Mai 2015 im Geschäft der Beklagten erworben. Er habe die Uhr ausgiebig begutachtet, bei dieser Gelegenheit den Microkratzer im Glas entdeckt. Er habe aber klar gemacht, dass ihn der Kratzer nicht störe. Im Gegenzug habe die Beklagte eine vom Kläger mitgebrachte Uhr sofort repariert, ohne dass der Kläger die Reparatur habe zahlen müssen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Widerrufsrecht gemäß § 312 g Abs. 1 BGB hinsichtlich des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrages über die Uhr Glashütte Original Senator Sixties Square zu. Denn zwischen den Parteien ist durch das Angebot des Klägers vom 5. Mai 2015, die von der Beklagten offerierte Uhr zum Preis von 4.500,00 € zu kaufen und der ausdrücklichen Annahme dieses Angebotes durch die Beklagte vom 6. Mai 2015, ein Fernabsatzvertrag gemäß den §§ 433, 312 c Abs. 1 BGB zustande gekommen. Unstreitig handelt es sich hier um einen Vertrag zwischen einem Unternehmer als Verkäufer und einem Verbraucher als Käufer, der Vertragsabschluss, d. h. das Verpflichtungsgeschäft ist ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebssystems zustande gekommen. Ein Vertrag im Sinne des § 312 c BGB liegt vor, wenn sowohl für den Vertragsantrag (§ 145 BGB) als auch für die Annahmeerklärung (§§ 146 ff BGB) Fernkommunikationsmittel eingesetzt werden. Das ist hier der Fall. Für die Einordnung als Fernabsatzvertrag ist es dagegen rechtlich unerheblich, wie die Zahlung des Kaufpreises oder die Übereignung der Ware erfolgt. Dass der Kläger die Uhr persönlich im Geschäft der Beklagten abgeholt hat, ändert die rechtliche Einordnung des per Fernkommunikationsmittel geschlossenen Kaufvertrages als Fernabsatzvertrag nicht.
Den geschlossenen Fernabsatzvertrag konnte der Kläger gemäß § 312 g BGB wirksam widerrufen. Die Widerrufsfrist ist unstreitig eingehalten worden. Durch den vom Kläger wirksam erklärten Widerruf war die Beklagte zur Rückabwicklung des Kaufvertrages verpflichtet (§ 355 Abs. 3 BGB). Mit der Rückabwicklung befindet sich die Beklagte im Verzug, nachdem sie den Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe der streitgegenständlichen Uhr ernsthaft und endgültig ablehnte.
Der Zinsanspruch ist gemäß den §§ 286 Abs. 1, 288 BGB begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.