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Schadensersatz wegen Verletzung eines urheberrechtlich geschützten Rechts

AG Frankfurt – Az.: 29 C 2134/20 (46) – Urteil vom 30.09.2021

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags, wenn nicht zuvor der Beklagte Sicherheit iHv. 120 % des jeweils aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags leistet.

IV. Der Streitwert wird festgesetzt auf EUR 1.985,-.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen Verletzung eines urheberrechtlich geschützten Rechts.

Die Klägerin ist Inhaberin der Rechte an dem Computerspiel … (Erstveröffentlichung …). Die Klägerin hat ermittelt, dass über ein sog. Peer-to-peer-Netzwerk das Spiel bzw. Teile hiervon über die IP-Adresse des Beklagten am 12.06.2016 um 06.35h sowie um 14.00h zum Herunterladen bereitgehalten wurden, wozu kein Recht des Beklagten bestand.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte hafte für die Rechtsverletzung als Störer. Seiner sekundären Darlegungs- und Beweislast sei er jedenfalls hinsichtlich des Nutzungsverhaltens seiner angeblichen Kinder nicht hinreichend nachgekommen.

Die Klägerin b e a n t r a g t, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von EUR 984,60 nebst jährlicher Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9.November 2016 zu zahlen sowie den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen weiteren Betrag über EUR 1.000,00 nebst jährlicher Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 9.November 2016 zu zahlen.

Der Beklagte b e a n t r a g t, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte gibt an, im Zeitpunkt der Rechtsverletzung hätten neben ihm auch seine damals …-jährige Tochter und seine dato …- und …-jährigen Söhne als in der Wohnung lebende Familienmitglieder mit jeweils eigenem Rechner die vorgeworfene Handlung ausführen können.

Das Gericht hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 26.11.2020 Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung der als Kinder des Beklagten benannten Zeugen, vgl. Bl. 74 f., 101-110 d.A..

Auf die Eingaben der Parteien nebst Anlagen, die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 15.09.2020 und 21.09.2021, die sich aus den Entscheidungsgründen ergebenden Feststellungen sowie die übrigen Aktenbestandteile wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Die Klägerin kann gleich aus welchem Rechtsgrund (insb. gem. § 97 UrhG) nicht Schadenersatz aus der dargelegten Urheberrechtsverletzung vom 12.06.2016 von dem Beklagten verlangen.

Die grundsätzliche Vermutung dafür, dass dem Beklagten als Anschlussinhaber die vorgeworfene Rechtsverletzung anzulasten sei (vgl. hierzu BGH NJW 2010, 2061, Rdn. 12), hat der Beklagte hinreichend zur Überzeugung des Gerichts (vgl. § 286 ZPO) im Rahmen des Rechtsstreits zu erschüttern vermocht.

Nach § 286 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. Dabei setzt die Überzeugung von der Wahrheit einer beweisbedürftigen Tatsache keine absolute oder unumstößliche Gewissheit voraus, da eine solche nicht zu erreichen ist. Es genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH, NJW-RR 1994, 567 f.).

Die entsprechende Vermutung zu Lasten des Anschlussinhabers stellt eine Beweiserleichterung dar. Da der durch eine Rechtsverletzung Betroffene keinen Einblick in die näheren Verhältnisse beim Anschlussinhaber hat, soll ihm mit dem Instrument der tatsächlichen Vermutung und der daraus folgenden sekundären Darlegungslast des Anschlussinhabers eine Rechtsverfolgung im Grundsatz ermöglicht werden (kritisch dazu Zimmermann, MMR 2014, 368, 369 f.). Dabei ist das Ergebnis der Vermutung bei Einzelanschlüssen, dass zunächst davon ausgegangen wird, dass der Anschlussinhaber für die Tat im Sinne von § 97 Abs. 1, 2 UrhG verantwortlich ist, dass er sie also durch eigenes Handeln begangen hat.

Schadensersatz wegen Verletzung eines urheberrechtlich geschützten Rechts
(Symbolfoto: pedrosala/Shutterstock.com)

Diese Vermutung greift aber nur dann, wenn nicht die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass ein anderer als der vermutete Täter die Tat begangen hat (BGH, GRUR 2014, 657 = K&R 2014, 513 – BearShare). Es ist insoweit anerkannt, dass es bei einer Mehrzahl von Personen, die einen Anschluss nutzen, ohne diesen gemeinsam angemeldet zu haben, möglich ist, dass nicht der Anschlussinhaber, sondern der Dritte die Tat begangen hat. In diesem Fall soll die Beweiserleichterung zu Gunsten des Verletzten nicht greifen. Dabei hat der BGH insbesondere anerkannt, dass der Dritte ohne Wissen und ohne Zutun des Anschlussinhabers die Tat begangen haben kann. Dementsprechend ist der Dritte als (möglicher) eigenständiger Täter neben dem Anschlussinhaber anzusehen, so dass dem Anschlussinhaber selbst eine Tatbegehung mit der Folge der Haftung nach § 97 UrhG nicht mehr vorzuwerfen und dementsprechend eine Vermutung zu seinen Lasten nicht begründet ist (vgl. BGH, K&R 2014, 513 Rdn. 15 ff. – BearShare). Auch hat der BGH nicht bereits das Anmelden eines Internetanschlusses und die Einräumung der Möglichkeit der Mitnutzung nicht als ausreichend angesehen, da sonst die vom BGH aufgestellte Vermutung entbehrlich wäre.

Hier hat der Beklagte vorgetragen und zur Überzeugung des Gerichts im Rahmen der Beweisaufnahme durch Mitteilung, dass und welche andere Personen (seine Ehefrau und sein Sohn – mit Namen und ladungsfähigen Anschriften) als Täter der streitgegenständlichen Rechtsverletzung in Betracht kommen, weil sie das Internet nutzten und nutzen konnten, seine sekundäre Darlegungslast erfüllt.

Die Klägerin konnte das angerufene Gericht dahingehend nicht nach den Anforderungen gemäß § 286 ZPO überzeugen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit der Beklagte für die streitgegenständliche Rechtsverletzung verantwortlich war. Die ordnungsgemäße Ermittlung des relevanten Anschlusses als wahr unterstellt, kommen die vom Beklagten als potentielle Täter erklärten Personen ernsthaft in Betracht.

Dass es sich bei den Zeugen um die leiblichen, jedenfalls rechtlichen, Kinder des Beklagten handelt, steht für die Dezernentin nicht im Ungewissen, da insofern die Angaben der Zeugen hinreichend klar sind und durch die übermittelte Kopie der Personalausweise jedenfalls die Namensgleichheit offensichtlich ist. Substantiierte weitere Aspekte, die diese Überzeugung ins Wanken bringen könnten, sind nicht aktenkundig.

In Anbetracht dessen, dass die drei denkbaren Zeugen ihre Abstammung und familienrechtliche Stellung gegenüber dem Beklagten hinreichend darstellten und zum Tatzeitpunkt in ihrem Alter vorangeschritten bzw. erwachsen waren und nach dem lebensnahen Vortrag des Beklagten, dass sie über jeweils eigene Rechner verfügten, kommen sie per se – unabhängig von ihren in der Glaubhaftigkeit der schriftlichen Angaben und der Glaubwürdigkeit ihrer Person – als realistische potentielle Täter in Betracht.

Die gilt besonders für den ältesten Sohn, … . Soweit dieser von seinen Verweigerungsrechten zu seinen wie auch zugunsten des Beklagten Gebrauch machte, ist dies nach der überzeugenden Rechtsprechung der zuständigen Berufungskammer weder zu Lasten des Beklagten noch darf es nach den Regeln der Zivilprozessordnung als Schuldeingeständnis des Zeugen gewertet werden, vgl. Damrau in MünchKomm, ZPO, 4. Aufl., 2012, § 384 Rdn. 4. Hernach kommt – jedenfalls auch – der … und somit zur Tatzeit bereits erwachsene Sohn des Beklagten als realistischer Täter in Betracht. Ob nun der Beklagte als Handlungs- oder Zustandsstörer oder der Zeuge als Handlungsstörer (oder doch sein Bruder oder seine Schwester) die Rechtsverletzung begangen haben mag, ist nicht eruierbar.

Der Beklagte hat auch nicht seine sekundäre Darlegungslast verletzt. Mit der Benennung der alternativen Störer und ihrer ladungsfähigen Anschriften hat er seinen Pflichten genügt. Diesbzgl. wird auf die Rechtsprechung des Landgerichts Frankfurt Bezug genommen, dass treffend und rechtlich mehr als überzeugend ausgeführt hat (Beschluss v. 18.09.2017, Az. 2-03 S 10/17):

„Im Hinblick auf den Umfang der dem Anschlussinhaber obliegenden sekundären Darlegungslast sind die unter dem grundrechtlichen Schutz des Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtscharta und des Art. 14 Abs. 1 GG stehenden urheberrechtlichen Positionen auf der einen Seite und die gemäß Art. 7 EU-Grundrechtscharta und Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Rechte des Anschlussinhabers und seiner Familienmitglieder zu berücksichtigen (BGH, GRUR 2017, 386 Rn. 22 f. – Afterlife).

Der Anschlussinhaber genügt seiner Darlegungslast in diesem Fall dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Weitergehende Nachprüfungen dahingehend, ob die Familienmitglieder hinsichtlich der behaupteten Zugriffszeiten oder wegen der Art der Internetnutzung als Täte der geltend gemachten Rechtsverletzung in Betracht kommen, sind dem Anschlussinhaber nicht zumutbar. Ferner ist es dem Anschlussinhaber nicht zumutbar, die Internetnutzung seiner Familienmitglieder einer Dokumentation zu unterwerfen, um im gerichtlichen Verfahren seine täterschaftliche Haftung abwenden zu können. Auch kann vom Anschlussinhaber nicht die Untersuchung des Computers seiner Familienmitglieder im Hinblick auf die Existenz von Filesharing-Software verlangt werden (BGH GRUR 2017, 286 Rn. 26 – Afterlife; BGH, Urt. V. 27.07.2017 – I ZR 68/16, Rn. 18 – Ego-Shooter).“

Mit seinem Vortrag hat der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast unter Berücksichtigung der Rspr. des BGH (vgl. GRUR 2014, 657 = K&R 2014, 513 – BearShare; BGH, Urt. vom 11.06.2015, Az. I ZR 75/14, zit. nach beck-online – Tauschbörse III, BGH, Urt. v. 12.05.2016, Az. I ZR 86/15,zit. nach beck-online, Silver Linings Playbook; BGH NJW 2017, 78 ff., Everytime we touch) hinreichend Genüge getan, womit die volle Beweislast der Täterschaft des Beklagten bei der Klägerin lag.

Der Beklagte haftet auch nicht aus anderen Erwägungen als Störer für die streitgegenständliche Rechtsverletzung. Unabhängig von der Frage der Verschlüsselung des Internetzugangs im Jahr 2016 kommt nach dem Vorgenannten als Täter der Rechtsverletzung andere Person als der Beklagte in Betracht. In diesem Zusammenhang sind dem Beklagten keine etwaigen Rechtsverletzungen vorzuwerfen.

Nach der Rechtsprechung des BGH müssen erwachsene Familienmitglieder, wie der Zeuge …, nicht separat belehrt werden (BGH, Urt. v. 12.05.2016, Az. I ZR 86/15, Silver Linings Playbook; BGH GRUR 2014, 657 = K&R 2014, 513 Rdn. 24 – BearShare, OLG Frankfurt, Urt. v. 22.3.2013, Az. 11 W 8/13, GRUR-RR 2013, 246; OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.3.2013, Az. I-20 U 63/12, ZUM 2014, 406; OLG Köln, Urt. v. 16.5.2012, Az. 6 U 239/11, K&R 2012, 526; s. auch schon OLG Frankfurt, Urt. v. 20.12.2007, Az. 11 W 58/07, K&R 2008, 113).

Dementsprechend oblag es dem Beklagten nicht, seinen Sohn ohne konkrete Anhaltspunkte für eine bereits begangene oder bevorstehende Urheberrechtsverletzung weitergehend zu belehren. Es sind keine entsprechenden Hinweise aktenkundig, dass eine Ausnahme zu dieser Regelung vorgelegen hätte.

Infolgedessen dass die ernsthafte Möglichkeit der Nutzung des Anschlusses durch Familienmitglieder des Beklagten bestand, kam es auf die rein potentielle Möglichkeit der Nutzung durch Dritte und die entsprechende Sicherung des Anschlusses nicht mehr für die Entscheidungsfindung an.

Die begehrten Abmahnkosten sowie die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung von § 91 ZPO und folgt dem Unterliegen der Klägerin.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit fußt auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert war anhand von § 48 GKG iVm. §§ 2 ff. ZPO festzusetzen.

 

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