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Verkauf von Waren über eBay – Versteigerung gemäß § 156 BGB?

Rechtsprechung im Fokus: Fernabsatz und Informationspflichten im Online-Handel

In einem bemerkenswerten Fall hat das Landgericht Memmingen (Az.: 1 HO 1016/04) am 23. Juni 2004 ein Urteil gefällt, das die Informationspflichten von Online-Händlern im Kontext des Fernabsatzrechts unter die Lupe nimmt. Die strittige Angelegenheit drehte sich um zwei Unternehmen, die Musikinstrumente und Zubehör online verkauften. Die Verfügungsklägerin warf der Verfügungsbeklagten vor, bei ihren Online-Angeboten nicht ausreichend auf das Widerrufs- und Rückgaberecht sowie auf die Anbieterkennung hinzuweisen. Das Hauptproblem lag in der Frage, ob die Verfügungsbeklagte den allgemeinen Belehrungspflichten bei Fernabsatzverträgen nachkommen muss.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1 HO 1016/04  >>>

Belehrungspflichten und Anbieterkennung

Verkauf von Waren über eBay - Versteigerung gemäß § 156 BGB?
Landgericht Memmingen klärt wichtige Fragen zu Informationspflichten im Online-Handel: Ein Urteil hebt die Bedeutung der korrekten Darstellung von Widerrufs- und Rückgaberechten sowie der Anbieterkennung hervor. (Symbolfoto: DenPhotos /Shutterstock.com)

Die Verfügungsbeklagte hatte Musikinstrumente und Zubehör auf einer Online-Plattform angeboten, ohne ausreichende Informationen zu Widerrufs- und Rückgaberechten gemäß §§ 312 c, 355, 356, 357 BGB und Art. 240 EGBGB bereitzustellen. Ebenso fehlte eine klare Anbieterkennung, die den Namen und die Anschrift des Unternehmens leicht erkennbar und verfügbar machen sollte. Diese Versäumnisse wurden von der Verfügungsklägerin als Verstöße gegen die Informationspflichten bei Verbraucherverträgen angesehen.

Abmahnung und strafbewährte Unterlassungserklärung

Die Verfügungsklägerin mahnte die Verfügungsbeklagte ab und forderte die Abgabe einer strafbewährten Unterlassungserklärung, die jedoch nicht erfolgte. Die Verfügungsklägerin argumentierte, dass die Verfügungsbeklagte in erheblichem Umfang Waren über die Online-Plattform vertreibe und daher den Belehrungspflichten nachkommen müsse. Die Verfügungsbeklagte wies die Vorwürfe zurück und behauptete, nur gelegentlich Einzelstücke online anzubieten.

Missbräuchliches Verhalten und Mehrwertsteuer

Die Verfügungsbeklagte warf der Verfügungsklägerin vor, in missbräuchlicher Weise abzumahnen. Sie stützte diese Behauptung auf die Tatsache, dass die Anwälte der Verfügungsklägerin für die außergerichtlichen Abmahnungen Mehrwertsteuer forderten. Die Verfügungsklägerin wies diese Vorwürfe zurück und erklärte, die Abmahnungen dienten dem Schutz vor unlauterem Wettbewerb.

Entscheidung des Gerichts

Das Gericht entschied zugunsten der Verfügungsklägerin und stellte fest, dass ein Verfügungsanspruch aus § 1 UWG in Verbindung mit den relevanten Bestimmungen des BGB und EGBGB besteht. Die Verfügungsbeklagte wurde verpflichtet, bei zukünftigen Online-Angeboten die gesetzlichen Informationspflichten einzuhalten und die Kosten des Verfahrens zu tragen.

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Das Urteil des Landgerichts Memmingen hat klargestellt, wie wichtig die Einhaltung von Informationspflichten im Online-Handel ist. Wenn Sie als Online-Händler Fragen zu Ihren Pflichten bezüglich Widerrufs- und Rückgaberechten oder Anbieterkennung haben, sind Sie bei uns richtig. Wir bieten eine fundierte Ersteinschätzung Ihrer Situation und beraten Sie anschließend umfassend, um sicherzustellen, dass Sie alle gesetzlichen Anforderungen erfüllen. Vermeiden Sie kostspielige Abmahnungen und rechtliche Risiken – nehmen Sie Kontakt mit uns auf.

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Fernabsatz und Informationspflichten im Online-Handel –  kurz erklärt


Im Online-Handel in Deutschland sind zahlreiche Informationspflichten zu beachten, die im Rahmen des Fernabsatzrechts gelten. Ein Fernabsatzvertrag liegt vor, wenn der Vertrag ohne persönliches Aufeinandertreffen zwischen Verbraucher und Unternehmen zustande kommt, beispielsweise über E-Mail, Telefon oder eine Webseite. Der Unternehmer ist verpflichtet, den Verbraucher über verschiedene Aspekte klar und verständlich zu informieren. Dazu gehören die einzelnen technischen Schritte, die zu einem Vertragsschluss führen, und ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss vom Unternehmer gespeichert wird und dem Kunden zugänglich ist.

Die Informationspflichten sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) unter § 312d und im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) unter Artikel 246a geregelt. Sie umfassen unter anderem Angaben zu den Hauptmerkmalen der Ware oder Dienstleistung, dem Gesamtpreis, Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen sowie dem Widerrufsrecht.

Einige Verträge sind vom Fernabsatz ausgenommen, wie zum Beispiel Verträge über Reiseleistungen. Für diese gelten spezielle Regelungen. Bei Nichteinhaltung der Informationspflichten können Verträge unter Umständen als nichtig angesehen werden, und es können Bußgelder verhängt werden.

Es ist daher für Unternehmer im Online-Handel essentiell, sich umfassend über die geltenden Informationspflichten zu informieren und diese einzuhalten. Bei Unsicherheiten ist die Konsultation eines Rechtsanwalts ratsam.


Das vorliegende Urteil

LG Memmingen – Az.: 1 HO 1016/04 – Urteil vom 23.06.2004

I. Der Verfügungsbeklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,– EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen an einem der Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten, untersagt,

1. im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für den Verkauf von Waren ihres Sortiments Verbraucher zur Abgabe von Bestellungen und/oder Angeboten über das Internet, wie über die … geschehen, aufzufordern, ohne auf das Bestehen eines Widerrufs und/oder Rückgaberechts nach §§ 312 c, 355, 356, 357 BGB, Art. 240 EGBGB, 1,14 der Verordnung über Informationspflichten bei Verbraucherverträgen deutlich hinzuweisen;

2. im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs geschäftsmäßige Teledienste anzubieten, wie über die … geschehen, ohne im Rahmen einer Anbietererkennung den Namen und Vornamen sowie die Anschrift, unter der sie niedergelassen sind, leicht erkennbar und verfügbar zu halten.

II. Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Parteien, die im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit unter anderem Musikinstrumente und Zubehör anbieten, streiten darüber, ob die Verfügungsbeklagte bei einem Angebot solcher Waren über die … den allgemeinen Belehrungspflichten gegenüber Verbrauchern bei Fernabsatzverträgen unterliegt.

Die Verfügungsklägerin, deren Sitz in Neubrandenburg ist, bot und bietet die von ihr vertriebenen Waren regelmäßig auch über das Internet und dort wiederum über die … an. Dies geschieht sowohl im Rahmen eines dort geführten Shops mit der Bezeichnung … als auch durch Einstellung über die allgemeinen Angebote bei … Für den letzteren Fall sehen die Geschäftsbedingungen der Firma … die selbst nicht als Verkäufer auftritt, sondern Verkaufsinteressenten lediglich die von ihr unterhaltene Internet-Plattform für entsprechende Verkaufsaktivitäten zur Verfügung stellt, vor, dass ein Verkäufer den Angebotspreis seiner Ware auf 2 Arten bestimmen kann: Einmal kann er einen bestimmten Mindestbetrag festsetzen, zu dem er seine Ware anbietet und dann für einen vorab festgelegten Zeitraum „Gebote“ von Kaufinteressenten zu diesem oder einem höheren Preis abwarten. Zum anderen kann er auch eine Option für einen „Sofort-Kauf“ zu einem von ihm vorab festgesetzten Preis wählen. Beide Varianten sind auch kombinationsfähig; dann entfällt die „Sofortkauf-Option“ allerdings, sobald auf den „steigerungsfähigen“ Preis ein „Gebot“ abgegeben wird. Nach den Geschäftsbedingungen von … ist es einem Anbieter zwar freigestellt, unter gewissen Voraussetzungen die von ihm über die … offerierte Ware zurückzuziehen. Tut er dies jedoch nicht, so ist die Einstellung der Ware bei ebay eine für ihn bindende Verkaufsofferte. Er muss dann einen Verkauf entweder zu dem im Rahmen des „Sofort-Kaufs“ festgesetzten Preises vornehmen oder aber, bietet er die Ware zu einem regelmäßig niedrigeren Ausgangspreis an und ermöglicht potenziellen Interessenten, seinen Artikel zu steigern, zu dem nach Schluss der „Steigerung“ erreichten Höchstpreis verkaufen.

Auch die Verfügungsbeklagte stellte zumindestens gelegentlich Restbestände aus ihrem Warensortiment in die … zum Verkauf ein.

Am 23.04.2004 hatte die Verfügungsbeklagte über die … jedenfalls die beiden nachfolgend genannten Artikel angeboten:

Einmal handelte es sich um einen Gibson P 490R Humbucker Chrom Cover. Dieser wurde – ohne Gebrauch von der „Sofort-Kauf-Option“ zu einem Startpreis von 88,– EUR angeboten. Als Verkäufer war angegeben … Im Übrigen wird für die Ausgestaltung des Angebots Bezug genommen auf das Anlagenkonvolut K 2; dort Seiten 1 – 4. Weiterhin war an diesem Tag von der Verfügungsbeklagten ein Dynacord Xa 2600 System Endstufe-Demoteil angeboten. Für diesen Artikel war ein Startpreis von 1.700,00 EUR festgesetzt; außerdem hatte die Verfügungsbeklagte insoweit eine „Sofort-Kauf-Option“ für 1.790,– EUR aufgenommen. Als Verkäufer war wiederum angegeben „station-music“; als Artikelstandort, wie auch bei dem oben dargestellten Artikel, war … angegeben. Im Übrigen wird für die Darstellung dieses Angebots auf die Seiten 8 – 12 des Anlagenkonvoluts K 2 Bezug genommen.

Bei beiden Angeboten war weder in dem eben dargestellten Text noch über Links, die über die entsprechenden Seiten zu erreichen waren, auf ein etwaiges Widerrufsrecht für Käufer, die Verbraucher sind, hingewiesen. Desweiteren waren auch bezüglich Namen und Anschrift der Verfügungsbeklagten keine weiteren Angaben als oben dargestellt über solche Links erhältlich.

Die Verfügungsklägerin mahnte daraufhin die Verfügungsbeklagte ab und forderte von dieser – allerdings ohne Erfolg – die Abgabe einer entsprechenden strafbewährten Unterlassungserklärung.

Die Verfügungsklägerin behauptet, dass die Verfügungsbeklagte über den von ihr eingeräumten Umfang hinaus in ganz erheblichem Umfang über … Waren vertreibe. Seit 15.10.2002 bis einschließlich zum 01.06.2004 habe sie allein 413 Bewertungen erhalten, was bedeute, dass sie mindestens in dieser Anzahl Waren abgesetzt habe. Darüberhinaus führt die Verfügungsklägerin aus, sie mahne nicht wie von der Verfügungsbeklagten behauptet in missbräuchlicher Weise ab. Sie nehme die Abmahnungen vielmehr im eigenen Namen vor, um sich vor unlauterem Wettbewerb zu schützen. Wenn ihre Anwälte für die außergerichtlichen Abmahnungen eine etwas über dem Schnitt liegende außergerichtliche Gebühr forderten, so hänge dies mit der Schwierigkeit der Materie zusammen.

Die Verfügungsklägerin hat beantragt:

Der Verfügungsbeklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung hiermit angedrohten Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft an der Verfügungsbeklagten zu vollziehen ist, untersagt,

1. im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für den Verkauf von Waren des Sortiments Verbraucher zur Abgabe von Bestellungen und/oder Angeboten über das Internet, wie über die … geschehen, aufzufordern, ohne auf das Bestehen eines Widerrufs- oder Rückgaberechts nach §§ 312 c, 355, 356, 357 BGB, Art. 240 EGBGB, 1,14 der Verordnung über die Informationspflicht nach bürgerlichem Recht deutlich hinzuweisen;

2. im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs geschäftsmäßige Teledienste anzubieten, wie über die … geschehen, ohne im Rahmen einer Anbietererkennung den Namen und Vornamen sowie die Anschrift, unter der sie niedergelassen sind, leicht erkennbar und verfügbar zu halten.

Die Verfügungsbeklagte beantragt: Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.

Die Verfügungsbeklagte führt aus, die Verfügungsklägerin mahne vielfach ab. Dies lasse, ebenso wie der Umstand, dass die Anwälte der Verfügungsklägerin für die außergerichtlichen Abmahnungen Mehrwertsteuer fordern, auf missbräuchliches Verhalten schließen.

Darüber hinaus biete die Verfügungsbeklagte über ebay ohnehin nur gelegentlich Einzelstücke, deren Vertrieb sie im Sortiment aufgebe, an, sodass die Regelungen über Fernabsatzverträge auf die gar nicht anwendbar seien.

Im Übrigen wird für das Vorbringen der Parteien sowie die von ihnen vorgelegten Unterlagen Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vom 09.06.2004.

Entscheidungsgründe

A.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist begründet:

I.

Ein Verfügungsanspruch ergibt sich aus § 1 UWG i.V.m. § 312 c BGB und § 6 TDG jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des „Vorsprungs durch Rechtsbruch“:

1.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Verfügungsbeklagte gemäß § 312 b Abs. 1 BGB den Regelungen über Fernabsatzverträge unterworfen ist:

a)

Eine Anwendbarkeit dieser Vorschrift ist, wobei die Beweislast bei der Verfügungsbeklagten liegen würde, nur dann ausgeschlossen, wenn ein Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. Letzteres aber ist nur der Fall (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB 62. Auflage, § 312 b Rn. 11), wenn ein wie die Verfügungsbeklagte ein Ladengeschäft unterhaltender Anbieter keinerlei organisatorische Maßnahmen für einen Absatz im Wege von Fernabsatzverträgen trifft, sondern allenfalls gelegentlich im Rahmen seines Ladengeschäfts telefonisch Bestellungen annimmt und ausführt. Wird hingegen ein Absatz der Waren insbesondere auch durch eine Präsentation im Internet vorgenommen, so sind die Regelungen über Fernabsatzverträge uneingeschränkt anwendbar (Palandt-Heinrichts, aaO).

b)

Somit ist für die Anwendung der Regelungen über Fernabsatzverträge auf die Verfügungsbeklagte bereits der von dieser eingeräumte Sachverhalt, gelegentlich Waren über die … anzubieten, ausreichend. Ganz abzusehen hiervon sei angemerkt, dass die Kammer aufgrund der von der Verfügungsklägerin vorgelegten Seiten (vgl. insoweit Anlagenkonvolut K 2 Seite 1), die unter dem Stand vom 23.04.2004 bereits 403 Angebote durch die Verfügungsbeklagte seit 15.10.2002 nachweisen, ohnehin davon überzeugt ist, dass die Verfügungsbeklagte einen zumindest nicht unerheblichen Teil ihres Warenabsatzes regelmäßig im Wege des Fernabsatzes über das Internet vornimmt und somit erst recht den entsprechenden gesetzlichen Regelungen unterfällt.

2.

Dem Begehren der Verfügungsklägerin, es der Verfügungsbeklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs geschäftsmäßig Teledienste anzubieten, ohne hierbei in leicht erkennbarer und verfügbarer Weise Namen, Vornamen und Anschrift anzugeben, ist schon nach Maßgabe der §§ 312 c Abs. 1 Nr. 1 BGB, 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 BGB-InfoV zu entsprechen:

Durch die Vorlage der am 23.04.2004 gesicherten Internetangebote der Verfügungsbeklagten hat die Verfügungsklägerin zunächst glaubhaft gemacht, dass diese Angaben auf den entsprechenden Angebotsseiten nicht enthalten sind. Denn den Anforderungen der genannten Bestimmungen genügt weder der Firmenname … – dies insbesondere schon deshalb nicht, weil dessen Rechtsform nicht angegeben ist – noch ist die Angabe des Artikelstandorts eine Angabe der ladungsfähigen Anschrift.

Dem von der Verfügungsklägerin verfolgten Unterlassungsanspruch steht auch die Rechtsprechung des OLG Oldenburg (NJW RR 2003, 1061), wonach bei Angeboten im Internet wie in der … auf den geschäftlichen Charakter eines Angebotes nicht hingewiesen werden müsse, nicht entgegen. Denn diese Hinweispflicht ist eigens in § 312 c Abs. 1 Nr. 2 BGB normiert und wird von dem Antrag der Verfügungsklägerin hier überhaupt nicht erfasst.

3.

Das Unterlassungsbegehren der Verfügungsbegehren erweist sich aber auch im Übrigen, also bezüglich des Begehrens auf die Hinweispflicht über ein Widerrufs- oder Rückgaberecht, zur Überzeugung der Kammer als begründet. Die Kammer vertritt insoweit die Rechtsauffassung, dass gewerbliche Anbieter bei Warenangeboten über die … gleichgültig, ob es sich um Angebote zum „Sofort-Kauf“ handelt, oder ob den Interessenten eine „Steigerung“ möglich ist, gegenüber Verbrauchern zu einer Belehrung über deren Widerrufs- oder Rückgaberecht (§ 1 Abs. 1 Nr. 9 BGB-InfoV) verpflichtet sind.

a)

Der Kauf von Waren über das Internet stellt einen Fernabsatzvertrag gemäß § 312 b Abs. 1 BGB dar. Damit haben Verbraucher bei derartigen Verträgen grundsätzlich ein Widerrufs- oder Rückgaberecht (§ 312 d Abs. 1 BGB). Die hiervon für Versteigerungen im Sinne des § 156 BGB gegebene Ausnahme (§ 312 d Abs. 4 Nr. 5 BGB) greift zur Überzeugung der Kammer nicht ein, weil die hier vorgenommenen Veräußerungen über die … sich nicht als Versteigerung im Sinne des § 156 BGB darstellen.

b)

Die Kammer verkennt allerdings nicht, dass die entsprechende Frage bislang in der Rechtsprechung noch nicht umfassend behandelt wurde und in bislang ergangenen Entscheidungen kontrovers diskutiert wird.

aa)

Das Amtsgericht … (ITRB 2003, 239) hat einen Kauf über die … als Versteigerung im Sinne des § 156 BGB angesehen und deshalb ein Widerrufsrecht ausgeschlossen.

bb)

Hingegen hat das Amtsgericht … – und ihm folgend im Berufungsverfahren auch das Landgericht … (MMR 2002, 760) – die Versteigerungseigenschaft derartiger Käufe verneint und folglich dem Käufer ein Widerrufsrecht eingeräumt. Auch das … Oberlandesgericht (MMR 2004, 330) hat es – allerdings unter einem anderen wettbewerbsrechtlichen Ausgangspunkt – verneint, dass derartige Verkaufsaktivitäten als Versteigerungen einzuordnen seien.

cc)

Hingegen kann nach Auffassung der Kammer das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 07.11.2001 (BGH NJW 2002, 363) noch nicht als abschließende Stellungnahme zu der entsprechenden Fragestellung gewertet werden. Denn der Bundesgerichtshof hat im vorliegenden Fall bei der Prüfung eines Vertragsschlusses lediglich einen gemäß § 156 BGB (im Rahmen einer Versteigerung) vorgenommenen Vertragsschluss verneint, im Übrigen aber ausdrücklich die Einordnung der dort vorliegenden online-Auktion als Versteigerung offen gelassen.

Auch die Stellungnahme des Deutschen Bundestages im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens (Bundestags-Drucksache 14/3195) kann nach Auffassung der Kammer für die Entscheidung der hier vorliegenden Frage nur eingeschränkt herangezogen werden. Denn der Bundestag war damals der Auffassung, dass das Fernabsatzgesetz jedenfalls auf solche „Internetversteigerungen“ angewandt werden müsse – weil diese einen Kauf gegen Höchstgebot darstellten – bei denen sich der andere Teil die Annahme trotz Zuschlags vorbehalte. Gerade letzteres aber ist bei den über … eingestellten Artikeln nach dem hier erfolgten, unstreitigen Vortrag der Parteien nicht der Fall, weil insoweit der Einstellende zur Veräußerung gegenüber demjenigen, der entweder den im Rahmen der Sofort-Kauf-Option geforderten Preis erfüllt oder der seinerseits den höchsten Preis bietet, verpflichtet ist.

c)

Unter Berücksichtigung dieser Rechtslage ist es nach Auffassung der Kammer zunächst einmal geboten, die bei … im Rahmen der „Sofort-Kauf-Option“ gemachten Angebote der Pflicht zur Widerrufsbelehrung zu unterwerfen. Denn hier liegt schon deshalb keine Versteigerung im Sinne des § 156 BGB vor, weil nicht einer potenziellen Mehrheit von Bietern Gelegenheit zur Abgabe eines Vertragsangebotes und damit gegebenenfalls zur Zahlung des Zuschlags gegeben wird (vgl. insoweit Palandt-Heinrichts aaO, § 156 Abs. 1), sondern weil der Veräußernde bereits vorab verbindlich erklärt hat, die Ware an denjenigen zu verkaufen, der als erster seine Bereitschaft erklärt, den hierfür geforderten Preis zu zahlen. Das aber sind die Kennzeichen eines ganz normalen, aus Angebot und Annahme bestehenden Kaufvertrages.

d)

Nach Auffassung der Kammer ist die Widerrufsbelehrung aber auch bei denjenigen Angeboten über die … geboten, bei denen ein Veräußernder – unter Angabe eines bestimmten Startpreises – seine Bereitschaft erklärt, die Ware an denjenigen zu veräußern, der nach Ablauf eines bestimmten Zeitraumes das höchste Angebot abgegeben hat. Denn auch diese Art von Verträgen ist nach Auffassung der Kammer weder begrifflich noch insbesondere von ihrem Schutzzweck her als eine Versteigerung im Sinne des § 156 BGB anzusehen:

aa)

Zum einen ist eine Versteigerung dadurch gekennzeichnet (vgl. Palandt-Putzo, aaO, Einführung vor § 433 Rn. 12), dass der Auktionator – im Wege der Kommission – entweder als Verkäufer im eigenen Namen auftritt oder jedenfalls als Vertreter im Namen des ihm beauftragenden Einlieferers. Diese Kriterien sind bei den „Versteigerungen“ über die … aber gerade nicht gegeben. Denn … stellt – gegen Dienstleistungsentgelt – den Beteiligten lediglich eine im Internet existierende Plattform zur Durchführung des beabsichtigten Geschäfts zur Verfügung. Die Firma … beteiligt sich an der Abwicklung der Geschäfte aber weder im eigenen Namen noch als Vertreter des Veräußernden.

Hinzu kommt, dass zumindestens bei strenger Betrachtungsweise auch das Element des Zuschlags fehlt. Letzteres könnte zwar womöglich darin gesehen werden, dass ein bestimmter Zeitrahmen festgesetzt ist und eben das bei dessen Ablauf vorliegende Höchstgebot eines Interessenten als einziges Berücksichtigung findet. Doch spricht bei näherer Betrachtung hiergegen, dass der Zuschlag eben gerade als Annahmeerklärung des Versteigerers definiert wird (vgl. Palandt-Heinrichs, aaO, § 156 Rn. 1). Eine solche Erklärung aber gibt bei den hier zu beurteilenden Geschäften weder die Firma … ab, noch – sollte man auf diesen abstellen wollen – der Veräußernde. Denn dieser bindet sich bezüglich seiner Veräußerung ja gerade nicht erst dann, wenn er ein Gebot für angemessen hält, sondern vielmehr schon vorab durch Einstellung der Ware zu mindestens dem anfangs genannten Preis zu den von … vorgegebenen Geschäftsbedingungen.

bb)

Im Übrigen spricht aber auch der Schutzzweck, den der Gesetzgeber mit der Notwendigkeit der Einräumung eines Widerrufs- oder Rückgaberechts verfolgt hat, bei solchen Erwerbsgeschäften über … für die Einräumung dieser Rechtsposition gegenüber einem Käufer, der Verbraucher ist. Denn ebenso wie bei sonstigen Fernabsatzgeschäften kennt der Käufer die Ware hier nicht körperlich und kann sie vor Erhalt nicht prüfen. Fehlvorstellungen etwa aufgrund von Abbildungen sind auch hier ebenso wenig ausgeschlossen wie beim sonstigen Fernabsatzgeschäft.

Schließlich aber wird ein Käufer – und das spricht natürlich erst recht für das Widerrufsrecht – bei einem Erwerb über … vielfach sogar noch schutzwürdiger sein als beim sonstigen Erwerb im Rahmen des Fernabsatzes. Denn gerade dann, wenn der Anbietende seine Identität – wie hier – nicht korrekt angibt oder aber zumindestens am Markt nicht bekannt ist, hat ein Kaufinteressent – insbesondere durch den Zeitdruck der womöglich bald ablaufenden Frist zur Abgabe von Angeboten – noch weniger Möglichkeiten als sonst, Ruf und Seriosität eines Anbieters vorab zu überprüfen.

Aufgrund des Umstandes, dass die Verfügungsbeklagte die entsprechenden, nach den vorstehenden Ausführungen gebotenen Informationen nicht leicht erkennbar und zugänglich gehalten hat, hat diese gleichzeitig gegen § 6 TDD verstoßen.

Sowohl diese Bestimmung als auch die Belehrungspflichten nach § 1 BGB – InfoV sind verbraucherschützende Normen, so dass ein Verstoß gegen die entsprechenden Hinweispflichten dann im Rahmen des § 1 UWG ein unlauteres Verhalten unter dem Gesichtspunkt des Vorsprungs durch Rechtsbruch darstellt. Insoweit wird Bezug genommen auf die ausführlichen und zutreffenden Rechtsprechungszitate im Schriftsatz der Verfügungsklägerin vom 18.05.2004 (Bl. 5 d.A.).

5.

Das Vorbringen der Verfügungsklägerin, sie mahne – selbst – derzeit deshalb in größerem Umfang ab, weil sie die Beachtung der entsprechenden Verpflichtungen in ihrer Branche durchsetzen wolle, ist aus Sicht der Kammer in keiner Weise entkräftet. Damit ist eine mißbräuchliche Abmahnung nicht ersichtlich.

II.

Der Verfügungsklägerin steht auch ein Verfügungsgrund gemäß § 25 UWG zur Seite, da sie den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung innerhalb der von der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München festgelegten Frist von einem Monat nach Erlangung der Kenntnis von dem Wettbewerbsverstoß gestellt hat.

B.

Kosten: § 91 Abs. 1 ZPO.

C.

Der Streitwert war entsprechend den Erörterungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf 15.000,– EUR festzusetzen.

 

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