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Urheberrechtsverletzung durch Filesharing – Nutzung des Internetzugangs durch Mitbewohner

AG Charlottenburg, Az.: 218 C 238/15, Urteil vom 10.12.2015

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die vorläufige Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil beitreibbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Schadens- und Aufwendungsersatz wegen eines Urheberrechtsverstoßes in Anspruch.

Die Klägerin ist Inhaberin der Nutzungsrechte an dem Film … .

Mit Schreiben vom 17.04.2013 wurde der Beklagte abgemahnt (Bl. 59 – 63), er gab eine Unterlassungserklärung ab.

Die Klägerin behauptet, der Film sei über die dem Beklagten zu diesem Zeitpunkt zugeordnete IP-Adresse innerhalb einer sog. Tauschbörse am 08.04.2013 um 09:52:26 Uhr zum Download angeboten worden. Dies habe die Fa. … so ordnungsgemäß ermittelt. Die ermittelte IP-Adresse sei zu diesem Zeitpunkt dem Beklagten zugeordnet gewesen, wie sich aus der Auskunft der … aufgrund des Gestattungsbeschlusses des LG München ergebe. Außer der Beklagten habe niemand Zugriff auf den Internetanschluss gehabt, insbesondere nicht zum Tatzeitpunkt. Das gelte auch für die beiden Mitbewohner des Beklagten. Vielmehr könnten die beiden Mitbewohner die Verletzung nicht begangen haben, weil sie zum Tatzeitpunkt keinen Zugriff auf den Internetanschluss des Beklagten gehabt hätten.

Urheberrechtsverletzung durch Filesharing - Nutzung des Internetzugangs durch Mitbewohner
Symbolfoto: Czgur/Bigstock

Die Klägerin ist der Auffassung, die vom BGH in derartigen Fällen angenommene Vermutung sei weder widerlegt noch erschüttert. Die Beklagte hätte vortragen müssen, dass eine bestimmte Person als Täter der Rechtsverletzung konkret in Betracht komme. Diese Vermutung wirke fort, solange die streitige Zugriffsmöglichkeit anderer Personen prozessual nicht feststehe. Zudem sei die Beklagte der sekundären Darlegungslast, die gänzlich unabhängig von der widerleglichen Vermutung bestehe, nicht nachgekommen. Insofern seien strenge Anforderungen an Detailgrad und Plausibilität zu stellen. Der Sachvortrag des Anschussinhabers müsse wegen der sekundären Darlegungslast konkret verletzungsbezogen sein und über die bloße Existenz dritter zugriffsberechtigter Personen hinausgehen. Es bestehe eine gesteigerte Darlegungslast, ob weitere Personen zum konkreten Tatzeitpunkt den Anschluss tatsächlich genutzt hätten und wer von diesen Personen aus welchen Gründen als Täter in Betracht komme. Daraus ergebe sich eine Nachforschungspflicht, der die Beklagte nicht nachgekommen sei. Insofern oblägen dem Anschlussinhaber konkrete Ermittlungen zu den näheren Umständen des Schadensfalls. Es sei dem Anschlussinhaber auch zuzumuten, sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen voll und ganz auszuschöpfen, um die Rechtsverletzung aufzuklären. Zumindest seien Schilderungen zum konkreten Nutzungsverhalten zugriffsberechtigter Dritter erforderlich.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin

1. 400,00 € Schadensersatz nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.02.2015 sowie

2. 651,80 € vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.02.2015

zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, außer ihm hätten auch seine beiden Mitbewohner Zugriff auf den Internetanschluss gehabt. Man habe damals in Wohngemeinschaft gelebt. Beide hätten die vorgeworfene Tat bestritten.

Es ist Beweis erhoben worden durch Vernehmung der Zeugen … und … … . Wegen der Beweisfragen wird Bezug genommen auf den Beschluss vom 22.10.2015 (Bl. 94) und wegen des Beweisergebnisses auf das Protokoll vom 10.12.2015 (Bl. 114 ff.).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in der Sache nicht begründet.

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Schadens- und Aufwendungsersatzansprüche nicht zu, da weder Täter- noch Störerhaftung feststehen.

1.

Der Beklagte haftet nicht als Täter aus § 97 Abs. 2 UrhG auf Schadensersatz.

aa) Die Klägerin trägt nach allgemeinen Grundsätzen als Anspruchstellerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf Schadensersatz erfüllt sind. Danach ist es grundsätzlich ihre Sache, darzulegen und nachzuweisen, dass der Beklagte für die behauptete Urheberechtsverletzung als Täter verantwortlich ist (vgl. BGHZ 200, 76, zitiert nach juris, dort Rdnr. 14).

bb) Im Streitfall spricht keine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Beklagten. Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, ist eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Internetanschluss zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde (BGH GRUR 13, 511 Rdnr. 33f. – Morpheus). Das diesbezügliche Bestreiten der Klägerin geht ins Leere, denn es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass innerhalb einer studentischen Wohngemeinschaft – hier bestehend aus 3 jungen Leuten – der Internetzugang zwar einem Mieter zuzuordnen ist, weil dieser den entsprechenden Vertrag mit dem Provider abgeschlossen hat, der Anschluss aber gleichwohl über WLAN von jedem der Wohngemeinschafter genutzt wird. Die vom BGH angenommene Vermutung (vgl. BGHZ 185, 330, zitiert nach juris, dort Rdnr. 12 f.) ist in einer solchen Konstellation nur dann anzunehmen, wenn die weiteren Wohngemeinschafter den Internetanschluss im Tatzeitraum nicht nutzten oder nutzen konnten, beispielsweise, weil sie über längere Zeit nicht anwesend waren oder ihnen der Zugang absichtlich gesperrt worden ist. Für eine solche Ausnahmesituation ist aber wieder der Anspruchsteller darlegungs- und beweispflichtig.

Die Klägerin hat ihre Behauptung, die beiden Zeugen hätten den Internetzugang nicht genutzt, nicht bewiesen. Die beiden Zeugen haben glaubhaft bekundet, sie hätten den vorhandenen Internetanschluss per WLAN genutzt. Dass sie es am Tattage nicht getan hätten, hat keiner bekundet. Die Zeugin … konnte sich nicht erinnern, ob sie zum Tatzeitpunkt in der Wohnung war. Der Zeuge … ging in der Vernehmung davon aus, er sei zum Tatzeitpunkt in der Wohnung gewesen. Im Übrigen hat er von seinem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 Nr. 1 ZPO Gebrauch gemacht.

cc) Dabei verkennt das Gericht nicht, dass den Beklagten als Inhaber des Internetanschlusses eine sekundäre Darlegungslast trifft (vgl. BGHZ 185, 330 Rdnr. 12 – Sommer unseres Lebens); dieser hat er jedoch entsprochen, indem er die Mitbewohner und -nutzer als mögliche Täter benannt hat.

(1) Den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei trifft in der Regel eine sekundäre Darlegungslast, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem Prozessgegner nähere Angaben dazu ohne weiteres möglich und zumutbar sind (vgl. BGH GRUR 2012, 602 Rn. 23 – Vorschaubilder II, mwN). Diese Voraussetzung ist im Verhältnis zwischen der primär darlegungsbelasteten Klägerin und der Beklagten als Anschlussinhaberin im Blick auf die Nutzung ihres Internetanschlusses erfüllt.

(2) Die sekundäre Darlegungslast führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (BGHZ 200, 76 – BearShare -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 18). In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (BGH aaO.).

(3) Der Beklagte hat seiner sekundären Darlegungslast dadurch entsprochen, dass er vorgetragen hat, in der Wohnung lebt auch die beiden namentlich benannten Zeigen, die beide als Täter in Betracht kämen, eine Täterschaft auf Nachfrage aber verneint hätten.

dd) Unter diesen Umständen ist es wieder Sache der Klägerinnen als Anspruchsteller, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (BGH GRUR 13, 511 Rdnr. 35 – Morpheus). Allerdings hat die Klägerin nicht bewiesen, dass außer dem Beklagten niemand weiter den Internetanschluss genutzt hätte. Denn die beiden von ihr benannten Zeugen haben bekundet, durchaus den Internetzugang des Beklagten genutzt zu haben und haben sich hinsichtlich des konkreten Tatzeitpunkts auf Erinnerungslücken berufen bzw. von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.

Dem steht nicht entgegen, dass die Zeugin … bekundet hat, sie habe noch nie einen Porno-Film gesehen. Das wird zugunsten der Klägerin als glaubhafte Aussage einer glaubwürdigen Zeugin gewertet, auch wenn das Gericht von der ungewöhnlich unsicheren und unzugänglichen Zeugin nicht wirklich überzeugt ist.

Denn als Täter kommt auch nach der Beweisaufnahme der Zeuge … ernsthaft in Betracht. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass dieser Zeuge bekundete, noch nie eine Tauschbörse benutzt zu haben. Angesichts des Alters des Zeugen und dessen IT-Kenntnissen ist das Gericht jedoch nicht von der inhaltlichen Richtigkeit dieser Angabe überzeugt. Dies beruht auf dem persönlichen Eindruck von dem Zeugen sowie seinem Aussageverhalten vor und nach der Belehrung nach § 384 Nr. 1 ZPO.

Entgegen der Auffassung der Klägerin muss der Beklagte eben nicht weitergehende Nachforschungen anstellen, etwa, ob die WG-Mitglieder zum Tatzeitpunkt anwesend waren, wie sie konkret das Internet nutzen oder gar in deren internetfähigen Geräten nach Tauschbörsensoftware oder gar dem konkreten Film suchen. Das wäre schon wegen des Nähe- und Vertrauensverhältnisses innerhalb einer auf Dauer angelegten Wohngemeinschaft unzumutbar. Der BGH verlangt – anders als die Klägerin meint – nicht die Darlegung, wer tatsächlich den Internetzugang zum Tatzeitpunkt genutzt hat, sondern welche Personen ihn „nutzen konnten“. Auch die von der Klägerin angenommene „gesteigerte Darlegungslast“, wer wie wann den Anschluss tatsächlich genutzt hat und aus welchen Gründen er als Täter in Betracht kommt, existiert so nicht. Insbesondere muss nicht die Anwesenheit der in Betracht kommenden Personen zum konkreten Tatzeitpunkt dargelegt werden. Denn darauf kommt es beim Filesharing gerade nicht an, weil der Down- und Upload auch in Abwesenheit des jeweiligen Nutzers erfolgen kann und erfolgt.

2. Entgegen der Ansicht der Klägerin haftet der Beklagte auch nicht als Störer auf Aufwendungsersatz nach § 97a UrhG.

Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt. Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die weder als Täter noch als Teilnehmer für die begangene Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen werden können, setzt die Haftung als Störer nach der Rechtsprechung des BGH die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfungspflichten, voraus. Ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen eine Verhinderung der Verletzungshandlung des Dritten zuzumuten ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat (BGHZ 200, 76 – BearShare -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 23).

Der Inhaber eines Internetanschlusses ist grundsätzlich nicht verpflichtet, volljährige Familienangehörige über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen oder von sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu belehren und ihnen die Nutzung des Internetanschlusses zur rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen oder zu sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu verbieten, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für eine solche Nutzung bestehen. (BGH aaO. Rdnr. 24). Das gilt auch für Mitglieder einer auf längere Zeit angelegten Wohngemeinschaft.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beklagte die Zeugen nicht über deren Pflichten im Zusammenhang mit deren Internet- oder Tauschbörsennutzung belehrt hat. Denn diese fehlende Belehrung war nicht kausal für einen eventuellen Verstoß. Dem als Täter ebenfalls in Betracht kommenden Zeugen … war das Verbot, „urheberrechtlich geschützte Inhalte herunterzuladen“, bereits vor dem streitgegenständlichen Verstoß bekannt. Eine weitergehende Belehrung hätte nach der Überzeugung des Gerichts bei diesem Zeugen kein anderes Verhalten bewirkt.

Nach alle dem besteht kein Anspruch auf Schadens- der Aufwendungsersatz, mithin auch nicht auf darauf entfallende Zinsen.

3.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert: 1.051,80 €

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