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Verjährung in Filesharing-Fällen

AG Potsdam, Az.: 37 C 345/15, Urteil vom 17.03.2016

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Der Streitwert wird auf 1.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie wegen einer angeblich am 13.3.2010 begangenen Urheberrechtsverletzung durch öffentliches Anbieten des Filmwerks – „Movie Power – Todeskommando Russland 3“ – im Internet (sog. Filesharing).

Verjährung in Filesharing-Fällen
Symbolfoto: Rawpixel.com/ Bigstock

Die Klägerin hat am 31.10.2013 den Erlass eines Mahnbescheids beantragt, der dem Beklagten am 5.11.2013 zugestellt wurde. Die Hauptforderung ist als „Unerlaubte Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke aus dem Repertoire des Antragstellers gem. Schreiben CM2554 vom 22.06.10“ bezeichnet. Am 13.11.2013 sandte das Mahngericht eine Nachricht über den Gesamtwiderspruch an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin und forderte zugleich die Kosten für die Durchführung des streitigen Verfahrens an. Nachdem der Beklagte die Durchführung des streitigen Verfahrens beantragt hat, hat das Mahngericht die Sache am 31.8.2015 an das Amtsgericht Strausberg abgegeben, wo die Sache am 3.9.2015 einging.

Die Klägerin behauptet, sie sei Inhaberin einer Schadensersatzforderung gegen den Beklagten aus einer Urheberrechtsverletzung. Am 13.3.2010 um 01:42:15 Uhr sei von dem Internetanschluss des Beklagten das Filmwerk „Movie Power – Todeskommando Russland 3“ im Rahmen einer sog. P2P-Tauschbörse angeboten worden. Im Rahmen eines landgerichtlichen Auskunftsverfahrens habe der Internetserviceprovider, dem die Vergabe der IP-Adresse obliege, beauskunftet, dass diese zum Erfassungszeitpunkt dem Beklagten zugeordnet gewesen sei. Daraufhin sei der Beklagte von der Rechtsanwaltskanzlei …, welche von der Rechtsinhaberin mandatiert worden sei, mit Schriftsatz vom 22.6.2010 abgemahnt worden. Der Beklagte habe sowohl den durch die Urheberrechtsverletzung entstandenen Schaden, die Ermittlungskosten und die Kosten der berechtigten Abmahnung zu ersetzen.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilten, 1000,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.6.2010 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er erhebt die Einrede der Verjährung. Er bestreite, dass die streitgegenständliche Handlung von seinem Anschluss begangen worden sei und dass die Klägerin rechtmäßig im Besitz von darauf hindeutenden Dateien sei, welche keinen einschlägigen Beweisverwertungsverboten unterlägen. Auch bestreite er, dass diese möglichen Dateien eindeutig auf den Beklagten hinwiesen und dass diese technisch ordnungsgemäß und fehlerfrei erhoben, ermittelt und dokumentiert seien. Er bestreitet, dass die angebliche Klägerin irgendwelche Rechte an dem angeblichen streitgegenständlichen Werk zu irgendeinem Zeitpunkt innegehabt habe und solche zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung innehabe. Mangels Erinnerung bestreite er den Versand und Erhalt der Abmahnung mit Nichtwissen sowie die seinerzeit ordnungsgemäße Bevollmächtigung der Rechtsanwaltskanzlei … .Schließlich bestreite er auch die Forderungshöhe.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 1.000,- € gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG und § 97 a Abs. 1 Satz 2 a. F. UrhG. Es fehlt bereits an einem Vortrag zur Aktivlegitimation der Klägerin. Hinzu kommen weitere Schlüssigkeitsmängel, die hier nicht vertieft zu erörtern sind, da die streitgegenständlichen Ansprüche jedenfalls verjährt sind.

Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 102 S. 1 UrhG i. V. m. § 195 BGB drei Jahre. Die zehnjährige Verjährungsfrist des § 852 S. 2 BGB i. V. m. § 102 S. 2 UrhG findet auf den streitgegenständlichen Schadensersatzanspruch keine Anwendung.

Nach dieser Vorschrift unterliegen diejenigen Ansprüche einer längeren Verjährung, die auf die Herausgabe des deliktisch Erlangten zielen. Es handelt sich somit um einen quasi deliktischen Bereicherungsanspruch. Das Erlangte kann die ersparte Lizenzgebühr sein, wenn die Wahrnehmung des Urheberrechts typischerweise nur gegen eine Lizenzgebühr eingeräumt wird (BGH, Urteil vom 27.10.2011 – I ZR 175/10 – Bochumer Weihnachtsmarkt), Das ist dann der Fall, wenn die Rechtewahrnehmung bei einer Verwertungsgesellschaft lizenziert werden kann (AG Kassel, Urteil vom 24. Juli 2014 – 410 C 625/14 -, Rn. 21). Ein solcher Fall liegt in Filesharingfällen jedoch nicht vor. Während die Verwertungsgesellschaft … es einem Nutzer ermöglicht, einen urheberrechtlichen Lizenzvertrag über die von ihm gewünschte Musiknutzung abzuschließen (wie in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall – „Bochumer Weihnachtsmarkt“), besteht in Filesharingangelegenheiten eine solche Möglichkeit nicht, so dass der Filesharer selbst dann, wenn er dies gewollt hätte, mit der Rechteinhaberin keinen urheberrechtlichen Lizenzvertrag über eine Weiterverbreitung im Rahmen eines Filesharing-Systems hätte schließen können (AG Bielefeld, Urteil vom 06. März 2014 – 42 C 368/13 -, Rn. 16, zitiert nach juris; LG Bielefeld GRUR-RR 2015, 429; AG Düsseldorf, Urteil vom 24. Juli 2014 – 57 C 15659/13 -, Rn. 26; Lakkis in jurisPK-BGB; hrsg. v. Herberger/Martinek u. a., Stand: 22.9.2015; § 195 Rn. 36.2). Der Benutzer von Tauschbörsen will die heruntergeladenen Dateien grundsätzlich nur für sich in Anspruch nehmen. Dass die Downloads damit zwangsläufig einem Dritten zum anderweitigen Download bereitgestellt werden, ist nur Nebenfolge des eigenen Verschaffungsaktes, so dass die unentgeltliche Verbreitung keine Bereicherung des Tauschbörsennutzers darstellt (AG Düsseldorf, Urteil vom 13.1.2015, 57 C 7592/14, BeckRS 2015, 02395). Zu einer möglichen anderen Bereicherung des Beklagten hat die Klägerin nichts vorgetragen. Vielmehr beschränkt sie ihren Anspruch ausdrücklich auf einen Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie. Nur zusätzlich sei noch angemerkt, dass sich die zehnjährige Verjährungsfrist nach einhelliger Meinung nicht auf die Abmahnkosten beziehen kann, im vorliegenden Fall die Klägerin aber nicht aufschlüsselt, wie sich die geltend gemachten 1.000,- € im Einzelnen zusammensetzen, d. h. welcher Anteil davon auf die Abmahnkosten entfällt.

Selbst wenn man es aber grundsätzlich für möglich hält, dass auch in Filesharing-Fällen § 102 S. 2 UrhG i. V. m. § 852 BGB zur Anwendung kommen kann, weil der Filesharer durch das Bereitstellen zum Download in den Zuweisungsgehalt des insoweit dem Rechteinhaber vorbehaltenen Rechts eingreife und deswegen etwas – das Nutzungsrecht – erlange, führt dies hier zu keinem anderen Ergebnis. Nach dieser Ansicht ist der Filesharer regelmäßig entreichert i. S. d. § 818 Abs. 3 BGB, weil es dem Verletzer nicht auf die öffentliche Zugänglichmachung ankommt, sondern lediglich auf den Download, so dass nicht anzunehmen ist, dass er sich einen vergleichbaren Vorteil (Erwerb einer Lizenz zur öffentlichen Zugänglichmachung) anderweitig gegen Entgelt verschafft hätte; es fehlt somit – anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall (“Bochumer Weihnachtsmarkt“) – an einer ersparten Aufwendung (Geier, Deliktische Verjährung im Filesharing-Prozess, NJW 2015, 1149; Lach, Verjährung von Ansprüchen in Filesharing-Fällen: Anwendbarkeit des § 102 S. 2 UrhG, § 852 BGB, jurisPR-ITR 10/2015 Anm. 4; wenig überzeugend die andere Ansicht, die erhebliche Schwierigkeiten hat, die vermeintlich noch vorhandene Bereicherung des Filesharers zu berechnen; vielmehr läuft die Berechnung auf einen Schadensersatz und nicht etwa auf eine noch vorhandene Bereicherung hinaus: siehe LG Berlin BeckRS 2015, 13533; LG Köln GRUR-RS 2015, 17069; LG Frankfurt a. M. BeckRS 2015, 12307). Im Ergebnis führt somit selbst die Annahme der längeren Verjährungsfrist nicht dazu, dass ein Anspruch auf Ersatz des Schadens im Wege der Lizenzanalogie nach Ablauf der Regelverjährung mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden kann (Lach a. a. O.). Dies ist auch sachgerecht, da angesichts der Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast des wegen Filesharings in Anspruch Genommenen zu alltäglichen Vorgängen der Computernutzung eine zehnjährige Verjährungsfrist unangemessen erscheint.

Maßgeblich ist somit die dreijährige Verjährungsfrist des § 102 S. 1 UrhG i. V. m. § 195 BGB. Da sowohl die angebliche Zuwiderhandlung vom 13.03.2010 als auch die Kenntnis der Klägerin von der Zuwiderhandlung in das Jahr 2010 fallen (da das behauptete Abmahnschreiben vom 22.6.2010 stammen soll), begann die Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB bzw. § 199 Abs. 5 BGB am 31.12.2010 und endete regulär am 31.12.2013.

Durch den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides wäre die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB i. V. m. § 167 ZPO am 31.10.2010 zunächst gehemmt worden, wenn man voraussetzt, dass der Beklagte das behauptete Abmahnschreiben vom 22.6.2010 erhalten hat. Zwar ist ein Bestreiten mit Nichtwissen nicht zulässig, weil es sich um einen der Wahrnehmung des Beklagten unterliegenden Vorgang handelt (§ 138 Abs. 4 ZPO). Es fehlt aber bereits an einem substanziierten Vortrags der Klägerseite, weil sie das Abmahnschreiben nicht vorlegt. Nur dann wäre nämlich der Anspruch hinreichend individualisiert i. S. d. § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Selbst wenn man dies unterstellt, ist aber der streitgegenständliche Anspruch verjährt. Der Mahnbescheid vom 31.10.2013 wurde der Beklagten am 7.1.2013 und damit demnächst im Sinne des § 167 ZPO zugestellt. Die Verjährungshemmung endete jedoch gemäß § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB mit Ablauf des 15.7.2014. Die Hemmung nach § 204 Abs. 1 BGB endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle (§ 204 Abs. 2 BGB). Die letzte Verfahrenshandlung des Gerichts war hier die Aufforderung zur Einzahlung der Kosten für die Durchführung des streitigen Verfahrens vom 13.11.2013. Maßgebend für den Lauf der Sechsmonatsfrist ist allerdings nicht das Datum dieses Schreibens oder der Zeitpunkt seiner gerichtsinternen Ausführung, sondern der Zeitpunkt des Zugangs bei der Partei (BGH NJW 2010, 1662 Tz. 13, zitiert nach juris; OLG Saarbrücken BeckRS 2010, 29589).

Die Aufforderung gilt hier gemäß § 270 S. 2 ZPO als am 15.11.2013 zugestellt. Bei Übersendung durch die Post gilt die Mitteilung, wenn die Wohnung der Partei im Bereich des Ortsbestellverkehrs liegt, an dem folgenden, im Übrigen an dem zweiten Werktag nach der Aufgabe zur Post als bewirkt, sofern nicht die Partei glaubhaft macht, dass ihr die Mitteilung nicht oder erst in einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (§ 270 S. 2 ZPO). Die Vorschrift findet zwar ihrem Wortlaut nach nur auf die Zustellung von Schriftsätzen der Parteien Anwendung. Sie ist aber nach ihrem Sinn und Zweck auf die formlose Mitteilung gerichtlicher Verfügungen bzw. Entscheidungen analog anzuwenden (vgl. BbgVerfG, Beschluss vom 20.5.2010, VfGBbg 28/09, BeckRS 2010, 49712).

Die sechsmonatige Frist des § 204 Abs. 2 S. 1 und 2 BGB begann am 16.11.2013 zu laufen und endete am 15.5.2014. Die Tage des Entstehens und des Wegfalls des Hemmungsgrundes werden nicht mitgezählt (BGH ZIP 1998, 428, 430; BGH NJW 2009, 1488; BeckOK, BGB/Henrich, Stand: 1.2.2015, § 209 Rn. 2). Ab dem 15.5.2014 lief gemäß § 209 BGB die restliche Verjährungsfrist von 61 Tagen weiter, so dass die Verjährung am 16.7.2014 eintrat.

Da die Verjährung mit Ablauf des 15.7.2014 endete, konnte eine erneute Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 2 S. 3 BGB durch den Antrag des Beklagten vom 26.8.2015 auf Durchführung des streitigen Verfahrens nicht mehr beginnen.

Die Klage ist somit abzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§91, 708 Nr. 11,711 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

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