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Urheberrechtsverletzung durch Tonträgerverkauf im Internet

AG Erfurt – Az.: 5 C 2572/15 – Urteil vom 17.08.2016

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 507,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-punkten über Basiszinssatz seit 12.11.2015 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die – zwischenzeitlich umfirmierte – Klägerin nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht auf Erstattung von Abmahnkosten wegen Urheberrechtsverletzung in Anspruch.

Die Zedentin ist eine Gesellschaft britischen Rechts, gegründet mit dem Zweck, Eigentum an allen Rechten der Musiker der Gruppe „Genesis“ wahrzunehmen. Der Abtretung an die Klägerin liegt die als Anlage K6 zur Akte gereichte Urkunde zugrunde. Die Beklagte ist unter dem eBay-account „h..“ als gewerbliche Verkäuferinnen angemeldet und bot am 30.10.2012 zur Transaktion-Nr. … den CD-Tonträger „Genesis – Tales of Ordinary Madness“ zum Kauf an. Dabei handelt es sich um einen nicht von der Zedentin lizensierten Tonträger (sogen. „Bootleg“).

Die Klägerin behauptet, sie sei infolge wirksamer Zession Inhaberin der Rechte. Sie beansprucht die Kosten der Abmahnung und vertritt die Auffassung, unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere des Wertes der verletzten Rechte und der Schwere des Angriffs, sei ein Betrag von 15.000,00 € als angemessener Streitwert zugrunde zulegen.

Sie beantragt: Die Beklagte wird verurteilt, 755,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 12.11.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt: Die Klage wird abgewiesen.

Sie bestreitet die Anspruchsberechtigung der Klägerin und vertritt im Weiteren die Auffassung, der Streitwert sei übersetzt und mit 1.000,00 € als Obergrenze angemessen bewertet, insbesondere weil die CD nicht als illegales „Bootleg“ zu erkennen gewesen sei und die Beklagte im Hinblick auf eine Verletzung des Urheberrechts nicht vorsätzlich gehandelt habe. Die CD sei auf einem Flohmarkt erworben worden; die Beklagte nehme bei eBay lediglich als Kleinstgewerbetreibende in nur geringem Umfang teil.

Der Zedentin sei auch kein Schaden entstanden, da dem Tätigwerden der Klägerin eine Rahmenvereinbarung zugrunde liegen dürfte.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Urheberrechtsverletzung durch Tonträgerverkauf im Internet
(Symbolfoto: mickyso/Shutterstock.com)

Die Klage ist zulässig, in der Sache zum Teil erfolgreich.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Abmahnkosten gemäß § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG a. F. in ausgeurteilter Höhe zu, da ihr als Zessionarin die mit der Wahrnehmung der Urheberrechte verbundenen Ansprüche zur Durchsetzung übertragen waren. Dies betrifft insbesondere auch die Geltendmachung des hier aus § 97 Abs. 1 UrhG folgenden Unterlassungsanspruchs.

Unter Zugrundelegung des Rechtsstandes bis 31.07.2013 und eines Streitwertes von 7.000,00 € ergab sich eine von der Klägerin zu beanspruchende 1,3-fache Gebühr in Höhe von netto 487,50 € zzgl. Auslagen (20,00 €). Darüber hinausgehend war die Klage abzuweisen.

Zur Frage der Anspruchsinhaberschaft kann auf die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen, namentlich die Anlage K6 Bezug genommen werden. Im Übrigen wird zur Wirksamkeit der Abtretung auf die in der mündlichen Verhandlung weitergehend erfolgten Erörterungen Bezug genommen.

Den zugrunde liegenden Streitwert hält das Gericht im Rahmen des ihm gemäß § 3 ZPO eröffneten Ermessens mit 7.000,00 € für angemessen und ausreichend bewertet.

Wertbestimmend für einen Unterlassungsantrag ist die nach § 3 zu schätzende Schwere der Beeinträchtigung, die wegen des beanstandeten Verhaltens verständlicherweise zu besorgen ist und unterbunden werden soll. Im Urheberrecht sind hierfür einmal der Wert des verletzten Schutzrechts und zum anderen die Gefährlichkeit der Verletzungshandlung – der sogen. Angriffsfaktor – maßgeblich, die sich aus Art und Umfang der begangenen und drohender weiterer Verletzungshandlungen und der Schwere des Verschuldens ergibt (Zöller, 31. Aufl., § 3 ZPO, Rn. 16 zu „Unterlassung“).

In diesem Sinne ausschlaggebend sind im hier zu beurteilenden Fall folgende Anhaltspunkte für die Streitwertbemessung: Zunächst war zu berücksichtigen, dass es sich bei den Mitgliedern der Zedentin um eine gerichtsbekannt weltweit und über Jahrzehnte erfolgreiche Musikgruppe mit Tonträger-Verkäufen im dreistelligen Millionenbereich handelt, weswegen das urheberrechtlich schutzwürdige Interesse nicht im unteren Bereich anzusiedeln ist. Das Gericht hat diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung die angeführte Entscheidung des OLG Schleswig lediglich illustrandi causa, nicht hingegen als einzig heranzuziehende Methode für die Wertbemessung der urheberrechtlich schützenswerten Musikkompositionen der Gruppe „Genesis“ angeführt.

Soweit die Klägerin diesbezüglich jedoch einen Wert von 15.000,00 € zugrunde legen will, muss zunächst darauf hingewiesen werden, dass die von ihr als Anlage zum Schriftsatz vom 20.04.2016 beigefügten Entscheidungen bei „Bootlegs/Raubkopien“ lediglich einen Streitwert von 10.000,00 € angenommen haben; einzig in dem Verfahren 308 S 14/13 hat das Landgericht Hamburg einen Streitwert von 15.000,00 € zugrunde gelegt. Dies betraf jedoch das Angebot von zwei „Bootlegs“, nämlich zum einen zehn nicht lizenzierte Aufnahmen (Streitwert insofern: 6.000,00 €) und einen nicht lizenzierten 3er LP-Tonträger (Streitwert: 9.000,00 €).

Das Thüringer Oberlandesgericht hat im Weiteren einen Streitwert von nur 8.000,00 € zugrunde gelegt (wobei allerdings ein 20-prozentiger Abschlag wegen Wahrnehmung der Rechte im einstweiligen Verfügungsverfahren vorgenommen wurde).

Bereits von daher hält das Gericht dafür – insbesondere unter Berücksichtigung der eigens von der Klägerin zitierten Rechtsprechung für weitest gehend gleich gelagerte Fälle –, das schützenswerte Interesse der Musikband „Genesis“ beim Verkauf eines Tonträgers im Rahmen einer Internetauktion mit einem Wert von 6.000,00 € bis 10.000,00 € (als Obergrenze) zu bemessen.

Zu berücksichtigen ist im Weiteren, dass sich die Angriffsintensität beim Angebot des hier in Streit stehenden Tonträgers im eher unteren Bereich aufhielt. Der Klägerin ist zuzugeben, dass die Beklagte als gewerbliche Verkäuferin bei eBay angemeldet war. Zum Zeitpunkt des Angebotes waren jedoch lediglich 94 Bewertungen gelistet, was zunächst den Vortrag der Beklagten zum Betrieb eines bloßen Kleinstgewerbes unterstützt. Es ist dem Akteninhalt auch nicht zu entnehmen, dass die Beklagte stets mit Tonträgern (oder gar „Bootlegs“) handelte. Dies ergibt sich jedenfalls auch nicht aus dem derzeit aktuellen Bewertungsprofil.

Darüber hinaus hat das Gericht den „Bootleg“-Tonträger in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen und sich davon überzeugen können, dass es sich um einen professionell hergestellten und nicht prima vista als „Bootleg“ erkennbaren Tonträger handelte. Auch wenn ein Verschuldensmoment im Rahmen des Unterlassungsanspruchs nach § 97 Abs. 1 UrhG nicht zu prüfen ist, sind die o. a. Umstände davon unabhängig wegen der geringer einzuordnenden Angriffsintensität Streitwert mindernd zu berücksichtigen.

Ebenfalls heranzuziehen ist der Umstand, dass die von der Klägerin beigefügten Urteile zum nicht unerheblichen Teil das Anbieten von DVD-„Bootlegs“ zum Gegenstand haben. Da eine DVD nicht (wie bei CD oder LP) allein den akustischen Mitschnitt enthält, und damit durch ein „Bootleg“ über den Schutzbereich des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG (musikalische Werke) hinaus auch die (abgefilmte) bildnerische Darstellung umfasst wird, ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts ein urheberrechtlich nicht gänzlich zu vernachlässigender Mehrwert beim DVD-Mitschnitt zu berücksichtigen – was sich jedenfalls tendenziell auch im höheren Verkaufspreis von DVDs niederschlägt – und bei der Streitwertbemessung mit einzubeziehen.

Nicht zuletzt hält das Gericht dafür, dass eine Konkordanz im Hinblick auf die bei sogen. Filesharing-Fällen zugrunde gelegten Streitwerte (überwiegend 10.000,00 € bis 20.000,00 €) hergestellt werden muss. Wenngleich die Verbreitungsmöglichkeit und die Perpetuierung einer Urheberrechtsverletzung auch beim Verkauf einer einzelnen CD grundsätzlich denkbar ist, sieht das Gericht dies dennoch gegenüber der Einstellung von Musikstücken über eine sogen. Tauschbörse als weniger zwangsläufig bzw. nahe liegend an.

Der Angriffsfaktor ist hier nämlich nicht wie beim Filesharing (gleichzeitiger Down- und Upload mit unmittelbarer Zugriffsmöglichkeit durch eine unbestimmte Vielzahl von Nutzern) bereits grundlegend bzw. ohne weiteres auf die Zurverfügungstellung an eine unbegrenzte Anzahl von Nutzern angelegt, sondern erschöpft sich in seinem Unrechtsgehalt und dessen Perpetuierung zunächst allein in der Weitergabe dieses einen illegal produzierten Tonträgers. Auch das hat bei der Streitwertbemessung Berücksichtigung zu finden.

Soweit die Beklagte abschließend das Bestehen eines Schadens mit der Behauptung angreift, es müsse typischerweise eine Rahmenvereinbarung zwischen Zedentin und Klägerin geben, vermag dies nicht zur Klageabweisung zu führen. Die Zedentin kann die zur Wahrnehmung und Durchsetzung ihrer Rechte erforderlichen Maßnahmen ergreifen, welche der Schädiger in jedem Fall mit den gesetzlichen Gebühren (excl. MwSt.) abzugelten hat. Etwaige (nur unterstellte) Vereinbarungen im Innenverhältnis können dahin gestellt bleiben.

Zinsen kann die Klägerin als Verzugsschaden in gesetzlich geschuldeter Höhe gemäß §§ 286, 288 Abs. 1 BGB jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit (§ 291 S. 1 BGB) von der Beklagten verlangen.

Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 92 Abs. 1 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung hat das Gericht gemäß § 511 Abs. 4 ZPO vorsorglich zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

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