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Urheberrechtsverletzung im Internet – Täterschaft Anschlussinhaber bzw. von Familienangehörigen

LG Frankenthal – Az.: 6 O 398/17 – Urteil vom 06.08.2019

1. Das Versäumnisurteil vom 27.03.2018 bleibt aufrechterhalten.

2. Die weitere Klage wird abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf ebenfalls nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe 110% des zu vollstreckenden Betrages fortgesetzt werden.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Filesharing hinsichtlich des Computerspieles A am 15.05.2013 um 22:27:54h sowie 22:29:20h und am 17.05.2013 um 02:20:56h sowie 07:46:29h.

Die Klägerin ist eine Produzentin von digitalen Entertainmentprodukten (Software, Games, DVD Filme). Die Klägerin übernimmt im Rahmen von Vertriebsvereinbarungen die komplette Vermarktung und den Vertrieb von Games und Consumer-Software-Produkten. Die Erstveröffentlichung des Computerspiels „A“ fand im April 2013 statt. In unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang zu dem Veröffentlichungstermin tauchten in den Peer-to-Peer Netzwerken Raubkopien dieser Software auf, die zum Filesharing bereitgehalten wurden.

Der Beklagte zu 1) ist Inhaber eines Internetanschlusses. Die Beklagten zu 2) und 3) sind seine Söhne, die neben der Ehefrau des Beklagten zu 1) zur behaupteten Tatzeit minderjährig waren und zur behaupteten Tatzeit im Haus des Beklagten zu 1) lebten. Der Beklagte zu 1) erhielt unstreitig eine Abmahnung vom 15.08.2013 wegen des Spieles „B“. Der Zugang der Abmahnung für das hiesige Spiel ist streitig.

Die Klägerin trägt vor, sie sei Inhaberin der Nutzungsrechte und habe das Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung an dem Spiel „ A“ . Dies ergebe sich aus dem bestehenden Lizenzvertrag, welchen die Klägerin mit der Fa. C. Polen geschlossen habe, den Zusatzvereinbarungen sowie aus der Umverpackung des Spieles mit Copyright Vermerk.

Die Ermittlungen hätten ergeben, dass über eine IP Adresse, die dem Anschluss des Beklagten zu 1) zuzuordnen sei, das Computerspiel der Klägerin „A“ zum Herunterladen angeboten worden sei. Dies sei durch die Fa. D, der sich die Klägerin zur Ermittlung von Verstößen bediene, dokumentiert. Die Ermittlungssoftware NARS funktioniere zuverlässig. Die durch den genannten Hashwert … identifizierbare und identifizierte Datei des Namens D… sei auf einem Computer installiert worden. Die Funktionsfähigkeit des über das Filesharing Netzwerk bezogenen Vervielfältigungsstückes sei geprüft worden mit dem Ergebnis, dass diese Datei das streitgegenständliche Computerspiel A in einer funktions- und lauffähigen Version enthalte. Durch die Verfahren vor dem Landgericht Köln Az.: 224 O 60/13 und 222 O 78/13 sei unter Nennung der IP Adresse des Namens der Datei, dem Hashwert und Zeitpunkt des Verstoßes der Beklagte als Anschlussinhaber ermittelt worden. Die Klägerin habe Anspruch auf Kosten der Rechtsverfolgung sowie Anspruch auf Schadenersatz, da das Computerspiel zwischen 15.05.2013 und 17.05.2013 für Dritte zum Download bereitgehalten worden sei. Sie habe den Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 29.08.2013 abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert, die dieser abgegeben habe. Der Betrag für die Abmahnung berechne sich aus einem Gegenstandswert von 20.000 € und betrage 964,60 €.

Die Klägerin hat zunächst einen lizenzanalogen (Teil-) -Schaden in Höhe von 900,00 € geltend gemacht.

Die Klägerin hat zunächst beantragt,

1. den Beklagten zu 1) zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von 984,60 € € nebst jährlicher Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.2.2014 zu zahlen,

2. den Beklagten zu 1) zu verurteilen, an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe über 900,00 € nebst jährlicher Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. 09.2013 zu zahlen.

Der Beklagte zu 1) hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat zunächst mit Schriftsatz vom 22.11.2017 die Klage objektiv erweitert. Das Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) hat sich daraufhin für unzuständig erklärt und mit Beschluss vom 28.11.2017 den Rechtsstreit an das Landgericht Frankenthal/Pfalz verwiesen.

I

Urheberrechtsverletzung im Internet - Täterschaft Anschlussinhaber bzw. von Familienangehörigen
(Symbolfoto: Von FERNANDO MACIAS ROMO/Shutterstock.com)

n der Sitzung vom 27.03.2018 ist die Klägerin nicht erschienen. Mit Versäumnisurteil vom 27.03.2018 ist die Klage abgewiesen worden. Gegen das am 12.04.2018 zugestellte Versäumnisurteil richtet sich der Einspruch der Klägerin vom 26.04.2019.

Hinsichtlich der Klageerweiterung trägt die Klägerin vor, als Schadenersatz sei der Betrag von 4.470 € angemessen. Der Einzelhandelspreis für das streitgegenständliche Computerspiel habe zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung bei 29,80 € gelegen. Dies ergebe sich aus der Preisbeobachtungsseite „E“. Sofern man lediglich den Faktor 150 anwende, ergebe sich der Betrag von 4.470 €. Die Klägerin habe zudem sehr hohe Entwicklungskosten gehabt.

Nachdem die Kammer im Termin vom 21.08.2018 den Beklagten zu 1) informatorisch angehört hat, hat der Klägervertreter unstreitig gestellt, dass weder der Beklagte zu 1), noch dessen Ehefrau die Rechtsverletzung begangen haben und die Haftung auf eine Tatbegehung der Söhne und mangelnde Aufsicht durch den Beklagten zu 1) gestützt.

Die Kammer hat daraufhin den Beweisbeschluss vom 21.08.2018, Bl. 310 ff d.A. erlassen.

Nachdem die Zeugen Beklagter zu 3 und Beklagter zu 2, die Söhne des Beklagten zu 1) mitgeteilt haben, die Aussage zu verweigern, hat die Klägerin die Klage subjektiv auf die Beklagten zu 2) und 3) erweitert.

Nach der Beweisaufnahme im Termin vom 25.06.2019 hat die Klägerin ihren Vortrag dahingehend umgestellt, dass sie sich den Vortrag der Beklagten zu 2) und 3) zu eigen mache, wonach diese nicht Täter seien und die Klage gegen den Beklagten zu 1) wieder auf Täterschaft gestützt werde. Sofern sie es unstreitig gestellt habe, dass der Beklagte zu 1) nicht Täter sei, werde dies zurückgenommen.

Zudem müsse der Beklagte zu 1) die Klägerin von Kosten freistellen, die im Zusammenhang mit der Klage gegen die Beklagten zu 2) und 3) entstanden seien.

Die Klägerin beantragt zuletzt, das Versäumnisurteil aufzuheben und

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von 984,60 € nebst jährlicher Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.09.2013 zu zahlen,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin einen weiteren Betrag über 4.470,00 € nebst jährlicher Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 10.09.2013 zu zahlen,

3. festzustellen, dass der Beklagte zu1) verpflichtet ist, die Klägerin von Kosten freizustellen, die im Zusammenhang mit der Klage gegen den Beklagten zu 2) und 3) entstanden sind.

Die Beklagten rügen das Vorgehen hinsichtlich der Änderung des Vortrages als unzulässig.

Die Beklagten beantragen, das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten und im Übrigen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten tragen vor, die Aktivlegitimation der Klägerin sei nicht nachgewiesen. Die Klägerin müsse die Rechteinhaberschaft durch Einreichung einer lückenlosen Dokumentation der Rechtekette nachweisen, was nicht gelungen sei. Es spreche keine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Beklagten zu 1). Man habe erst durch den Mahnbescheid von der Sache erfahren. Neben dem Beklagten zu 1) habe auch die Ehefrau F, sowie die gemeinsamen Söhne, (Beklagten zu 2) und 3)) im Haushalt gelebt und zum Tatzeitpunkt den Internetanschlussnutzen können. Die Familie verfüge über zwei Laptops. Bis auf den jüngsten Sohn Beklagter zu 3 seien alle im Besitz eines internetfähigen Mobiltelefons. Der Beklagte zu 1) und seine Ehefrau verfügten lediglich über geringe Computerkenntnisse. Die Söhne verfügten über solide Kenntnisse im Umgang mit dem Computer und Internet. Vor Überlassung des Internets habe der Beklagte zu 1) mit seiner Ehefrau die Söhne belehrt und ausdrücklich die Verwendung von Filesharing-Software untersagt. Der Beklagte zu 1) habe seine Familienmitglieder nach Erhalt des Mahnbescheides befragt, wobei alle die Nutzung von Filesharing- Software bestritten hätten. Das Ermittlungsergebnis müsse bestritten werden, zumal die Ermittlung auch fehleranfällig sei. Dies gelte auch für die hier nicht streitgegenständliche Abmahnung für das Spiel „B“. Der Schadensersatzanspruch sei, ebenso wie die Abmahnkosten der Höhe nach übersetzt. Es werde die Einrede der Verjährung erhoben.

In der öffentlichen Sitzung vom 21.08.2018 hat die Kammer den Beklagten zu 1) nach § 141 ZPO angehört.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 25.09.2018 durch Vernehmung der Zeugin F. Das Gericht hat weiter Beweis erhoben durch förmliche Parteivernehmung der Beklagten zu 2) und 3). Der durch den Klägervertreter gestellte Vereidigungsantrag hinsichtlich der Beklagten zu 2) und 3) ist mit Beschluss zurückgewiesen worden. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 21.08.2018 und vom 25.06.2019 Bezug genommen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken.

Nach erfolgter Klageerweiterung ist die Zuständigkeit des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) gemäß § 105 UrhG i.V.m. § 6 Abs. 2 ZivilZustV RP gegeben.

Die objektiven und subjektiven Klageerweiterungen sind sachdienlich nach §§ 263, 264 ZPO, da der Streitstoff identisch ist und sie zur Vermeidung weiterer Prozesse dienen. Die in der letzten mündlichen Verhandlung erhobene Feststellungsklage nach § 256 ZPO hinsichtlich der Prozesskosten ist ebenfalls zulässig, § 256 ZPO, da die Höhe der Kosten noch nicht beziffert werden konnte.

II.

Der Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 27.03.2018 ist gemäß §§ 341, 339 ff ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Der Einspruch hat jedoch keinen Erfolg.

Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin kann keinen Beweis für eine Täterschaft des Beklagten zu 1) hinsichtlich der vorgetragenen Verletzungshandlungen erbringen. Die gegen den Beklagten zu 1) als Anschlussinhaber sprechende Täterschaftsvermutung ist entkräftet. Der Beklagte zu 1) ist insoweit seiner sekundären Darlegungslast ausreichend nachgekommen.

Die Kammer kann daher offenlassen, ob die Klägerin ihre Aktivlegitimation hinsichtlich der behaupteten Nutzungsrechte ausreichend nachgewiesen hat und ob ein Anspruch möglicherweise verjährt ist.

Die Klägerin trägt nach den allgemeinen Grundsätzen als Anspruchsstellerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf Schadensersatz und Abmahnkosten aus §§ 97, 97 a, 19a UrhG erfüllt sind. Sie hat darzulegen und im Bestreitensfall nachzuweisen, dass die Beklagten für die von ihr behaupteten Urheberrechtsverletzungen als Täter verantwortlich sind (vgl. BGH, NJW 2013, 1441 Rn. 32 – Morpheus; BGH, NJW 2014, 2360 Rn. 14 – BearShare; BGH, NJW 2016, 953 Rn. 37 – Tauschbörse III; BGH, NJW 2017, 78 Rn. 32 – Everytime we touch).

1.) Haftung des Beklagten zu 1)

Hinsichtlich des Beklagten zu 1) hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 21.08.2019 zunächst unstreitig gestellt, dass dieser die Tathandlung nicht selbst begangen hat. Sie hat die Klage darauf gestützt, dass die Beklagten zu 2) und 3) die Tat begangen haben und der Kläger seine Aufsichtspflicht verletzt hat.

Hiervon ist sie in der mündlichen Verhandlung vom 25.06.2019 wieder abgerückt und trägt wieder vor, der Beklagte zu 1) habe die Tat selbst begangen. Die Kammer erachtet diesen Wechsel im Vortrag als zulässig. Im Prozessrecht findet sich keine Grundlage, Parteivortrag nur deshalb unberücksichtigt zu lassen, weil er im Widerspruch zu vorangegangenem, ausdrücklich aufgegebenem Vortrag steht ( BGH, FD-ZVR 2018, 411413, beck-online).

Die Klägerin nimmt den Beklagten zu 1) nunmehr wieder als Täter in Anspruch.

A)

Täter in diesem Sinne ist zunächst derjenige, der einen handlungsbezogen formulierten Verletzungstatbestand der §§ 16 ff. UrhG eigenhändig erfüllt (BGH, MMR 2010, 565, 566).

Diesen Beweis hat die Klägerin nicht führen können. Da dieser Beweis auch kaum zu führen ist, spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss nutzen konnten (BGH, NJW 2014, 2360 Rn. 15 – BearShare; BGH, NJW 2016, 953 Rn. 37 – Tauschbörse III). Diese tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers kommt auch dann in Betracht, wenn der Internetanschluss – wie bei einem Familienanschluss – regelmäßig von mehreren Personen genutzt wird (BGH, NJW 2016, 953 Rn. 39 – Tauschbörse III; BGH, NJW 2017, 78 Rn. 34 – Everytime we touch; BGH, NJW 2018, 68).

Der Inhaber des Anschlusses kann die gegen ihn sprechende Täterschaftsvermutung entkräften, wenn er die ernsthafte Möglichkeit darlegt, dass die Verletzungshandlung von einem Dritten (z.B. Familienmitglied) begangen wurde. In solchen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses eine sekundäre Darlegungslast. Diese führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen.

In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat (BGH, NJW 2018, 65).

Diesen Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast ist der Beklagte zu 1), auch unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des EuGH nachgekommen.

a) Zunächst muss der Anschlussinhaber seine Familienmitglieder, welche den Internetanschluss benutzen, namentlich benennen. Zudem ist bei minderjährigen Kinder erforderlich, dass das Alter mitgeteilt wird.

Der Beklagte gab an, dass zum Verletzungszeitpunkt neben ihm auch seine Ehefrau F und die Söhne Beklagter zu 3 (geb. …1997) und Beklagter zu 2 ( geb. …1995) gleichberechtigten Zugriff auf den Internetanschluss hatten. Die Personen sind somit im Rahmen der sekundären Darlegungslast ordnungsgemäß genannt.

b) Der Beklagte hat darüber hinaus dargelegt, welche internetfähigen Geräte in der Familie vorhanden waren.

c) Der Beklagte hat weiterhin vorgetragen, dass die benannten Personen zu dem Zeitpunkt der vorgeworfenen Handlungen selbstständigen Zugang zum Internetanschluss unter Verwendung verschiedener Geräte hatten.

Eine genauere, tageweise Darlegung zu den einzelnen Zeitpunkten ist nicht erforderlich. Zum einen ist die Nutzung von P2P-Netzwerken auch in Abwesenheit möglich ist. Sofern die Filesharing-Software installiert ist, kann diese auch bei Abwesenheit (Schulbesuch oder sonstige Abwesenheit) zum Up- und Download genutzt werden.

Zum anderen ist ein genauerer Vortrag zur tageweisen Nutzung angesichts des Zeitablaufes auch gar nicht mehr möglich. Die vorgeworfenen Verletzungshandlungen datieren vom Mai 2013. Die Anspruchsbegründung ist am 20.09.2017, mithin mehr als vier Jahre später zugestellt worden. Der Beklagte zu 1) hat ausreichend vorgetragen, dass jedenfalls im benannten Zeitraum seine Familienmitglieder Zugriff über den Internetzugang hatten.

d) Der Beklagte zu 1) hat sodann dezidiert zum eigenen Nutzerverhalten und Computerkenntnissen und zum Nutzerverhalten seiner Familienangehörigen nebst deren Computerkenntnissen vorgetragen. Der Beklagte hat ausgeführt, er sowie seine Ehefrau hätten keine Spiele gespielt. Seine Söhne hätten Spiele gespielt, er kenne allerdings keine Ballerspiele.

e) Der Beklagte zu 1) hat des weiteren seine Angehörigen unter Vorhalt der Abmahnung befragt. Der Beklagte zu 1) hat hierbei die Antwort erhalten, dass alle den Verstoß verneinen. Der Beklagte zu 1) trägt vor, die Laptops sei erfolgslos überprüft worden. Er könne aber nicht ausschließen, dass eine der genannten Personen das Internet zum Filesharing genutzt habe.

In seiner informatorischen Befragung vor der Kammer hat der Beklagte zu 1) weiter ausgeführt, zu dem behaupteten Verletzungszeitpunkt durch die Pflege seines Vaters sowie die schwere Verletzung seines Sohnes sehr belastet gewesen zu sein. Sein Sohn habe einen Unfall gehabt, bei dem es zum Tod zweier Freunde des Sohnes und zu schweren Verletzungen des Sohnes gekommen sei. Dieser habe gerade zu dem Zeitpunkt sehr viele Besucher gehabt, die möglicherweise auch das Internet benutzt haben. Der Beklagte zu 1) hat gesagt, trotz eines Verbotes könne er nicht ausschließen, dass einer seiner Söhne Besuchern den W-LAN Schlüssel weitergegeben habe.

f) Damit hat der Beklagte zu 1) die gegen ihn sprechende Täterschaftsvermutung ausreichend erschüttert. Der Vortrag des Beklagten zu 1) genügt auch den Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast, die nunmehr durch den EuGH aufgestellt worden sind. Der Beklagte zu 1) hat nicht nur rein theoretisch Familienmitglieder oder Besucher benannt, welche den Anschluss nutzen konnten, sondern auch zum Nutzungsverhalten der Familienmitglieder zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung vorgetragen. Er hat dargelegt, welche Familienmitglieder Computerspiele gespielt haben und was seine Familienmitglieder auf den Vorhalt der Abmahnung gesagt haben. Zu weiterem Vortrag ist der Beklagte, auch nach der Entscheidung des EuGH nicht verpflichtet (EuGH Urt. v. 18.10.2018 – C-149/17, BeckRS 2018, 25253).

B)

Der Beklagte zu 1) haftet auch nicht als Täter wegen einer Aufsichtspflichtverletzung, § 832 BGB. Eine Tatbegehung durch seine Söhne ist unstreitig nicht erfolgt.

Die Klägerin hat nach der durchgeführten Beweisaufnahme am 25.06.2019 zu Protokoll ausdrücklich erklärt, sie mache sich den Vortrag der Beklagten zu eigen, dass die Beklagten zu 2) und 3) keine Täter seien. Eine Haftung des Beklagten zu 1) gemäß § 832 BGB durch Verletzung der Aufsichtspflicht ist daher nicht gegeben, da unstreitig ist, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht durch die Söhne erfolgt ist.

Indem die Klägerin unstreitig gestellt hat, dass die Beklagten zu 2) und 3) nicht Täter sind, geht sie selbst davon aus, dass die Söhne die Verletzungshandlung nicht begangen haben.

Insoweit erübrigen sich auch Ausführungen der Kammer zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Täterschaft der Beklagten zu 2) und 3) sowie zur Begründung der Ablehnung des Vereidigungsantrages betreffend die Beklagten zu 2) und 3). In den Entscheidungsgründen des Urteils muss das Prozessgericht darlegen, warum es den Zeugen bzw. die Partei, dessen Aussage entscheidungserheblich ist, nicht beeidigt hat. Dies ist erforderlich, damit das Rechtsmittelgericht einen Ermessensfehlgebrauch überprüfen kann (MüKoZPO/Damrau, 5. Aufl. 2016, ZPO § 391 Rn. 8). Die Aussage der Beklagten zu 2) und 3) ist nicht mehr entscheidungserheblich, da die Klägerin nach der Beweisaufnahme selbst unstreitig gestellt, dass die Beklagten zu 2) und 3) nicht Täter sind.

Eine Haftung des Beklagten zu 1) als Täter scheidet somit aus.

C)

Eine Haftung des Beklagten zu 1) auf die Zahlung der Abmahnkosten als Störer gemäß § 1004 BGB analog scheidet ebenfalls aus.

Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt (BGH, GRUR 2014, 657). Zum einen nimmt die Klägerin den Beklagten zu 1) explizit als Täter in Anspruch. Zum anderen hat der Beklagte zu 1) auch keinen ungesicherten W-LAN Anschluss gehabt (BGH, GRUR 2010, 633). Der Beklagte zu 1) hat vielmehr, was durch seine informatorische Anhörung sowie die Vernehmung der Zeugin F bewiesen ist, das W-LAN verschlüsselt und seine Söhne immer wieder belehrt, dass dies nicht weitergegeben werden soll. Die Zeugin hat in eigenen, laienhaften Worten ausgesagt, inwieweit sie die Söhne belehrt haben. Die Aussage der Zeugin F war insoweit spontan und widerspruchsfrei.

Damit scheidet auch eine mögliche Störerhaftung aus, da das W-LAN gesichert war und die Söhne dahingehend belehrt waren, den Schlüssel nicht an Besucher herauszugeben. Soweit durch die Abmahnung vom 15.08.2013 möglicherweise gesteigerte Anforderungen an eine Sicherung erforderlich wären, ist dies im hiesigen Fall nicht erheblich. Die Verletzungshandlung datiert vor der Abmahnung vom 15.08.2013.

2.) Haftung der Beklagten zu 2) und 3)

Da die Klägerin nach der durchgeführten Beweisaufnahme vom 25.06.2019 ( Zeugeneinvernahme der Zeugin F sowie förmliche Parteivernehmung der Beklagten zu 2) und 3)) unstreitig gestellt hat, dass die Beklagten zu 2) und 3) nicht als Täter gehandelt haben, scheidet auch für diese eine täterschaftliche Haftung aus. Da im Zivilprozess die Dispositionsmaxime herrscht, ist es dem Klägervertreter unbenommen, sich Vortrag der Gegenseite zu eigen zu machen.

Da die Beklagten zu 2) und 3) keine Anschlussinhaber sind, kommt auch keine Täterschaftsvermutung in Frage. Ebenso scheidet auch eine Störerhaftung aus.

Die Klage gegen die Beklagten zu 2) und 3) ist somit abzuweisen.

3. Abzuweisen ist der Hilfsantrag, wonach der Beklagte zu 1) die Klägerin von den Kosten gegenüber den Beklagten zu 2) und 3) freizustellen hat. Soweit Kosten im Prozessverhältnis gegenüber den Beklagten zu 2) und 3) entstanden sind, ist nicht ersichtlich, weshalb der Beklagte zu 1) für diese haften soll. Der Beklagte zu 1) hat bereits in der Klageerwiderung vorgetragen, er habe seine Söhne, die späteren Beklagten zu 2) und 3) nach Erhalt der Abmahnung befragt und diese hätten ihre Verantwortlichkeit gerade nicht eingeräumt. Der Beklagte zu 1) hat somit der Klägerin gerade keinen Anlass gegeben, die Klage auf die Beklagten zu 2) und 3) zu erweitern.

Nebenentscheidungen:

Die Klage ist mit der Kostenfolge des § 91 ZPO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird bis zum 25.06.2019 auf 5.454,00 € festgesetzt, für den Zeitpunkt danach in die Gebührenstufe bis 7.000,00 € aufgrund der Klageerweiterung hinsichtlich der Kosten der Rechtsverfolgung.

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