LG Hamburg – Az.: 308 O 491/11 – Beschluss vom 27.01.2012
1. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens
2. Der Streitwert wird auf € 50.000,00 festgesetzt.
3. Dem Antragsgegner wird Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsverpflichtung bewilligt und zur Vertretung Rechtsanwalt B. aus … H. zu den Bedingungen eines Hamburger Anwalts beigeordnet.
Gründe
I.
Die Antragstellerin gehört zu den führenden deutschen Tonträgerherstellern, der Antragsgegner betreibt ein Internetcafé. Die Antragstellerin hat den Antragsgegner wegen des öffentlichen Zugänglichmachens von sechzehn näher bezeichneten Tonaufnahmen auf dem Album „F.E.T.“ mit Darbietungen der Sängerin H.F. in einer Tauschbörse als Störer im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch genommen. Nachdem der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat, haben die Parteien das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt, so dass gemäß § 91 a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen über die Kosten zu befinden ist. Das führt zur Kostenbelastung des Antragsgegners. .
II.
Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung haben im Zeitpunkt der Erledigung der Hauptsache vorgelegen.
1. Der Verfügungsanspruch folgte aus § 97 Abs. 1 UrhG.
a) Die streitgegenständlichen Tonaufnahmen sind gemäß § 85 Abs. 1 UrhG geschützt.
b) Die Antragstellerin ist aktivlegitimiert. Das (als Anlage ASt 6 vorgelegte) Cover des Albums weist sie als Inhaberin der ausschließlichen Tonträgerherstellerechte aus. Das begründet im Verfahren der einstweiligen Verfügung die Vermutung der Rechteinhaberschaft des § 10 Abs. 3 UrhG. Dieser Vermutung ist der Antragsgegner nicht mit substanziellem Vortrag entgegen getreten.
c) Am 23.10.2011 um 16:55:22 Uhr (MEZ) wurde unter der IP-Adresse 9… eine Datei, die das Album „F.E.T.“ mit den streitgegenständlichen Aufnahmen enthielt, über eine Filesharing-Software (BitTorrent-Client „Azureus 4.5.0.4“) in einer sog. Tauschbörse im Internet der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Ermittlung dieses Vorgangs ist substantiiert und nachvollziehbar dargelegt und durch Vorlage zweier eidesstattlichen Versicherungen (Anlagen ASt 1 und 2) sowie von Screenshots (Anlage ASt 11) glaubhaft gemacht worden. Das pauschale Bestreiten des Antragsgegners ist nicht geeignet, die überwiegende Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit des ermittelten Vorgangs in relevanter Weise zu beeinträchtigen (so zu einem vergleichbaren Ermittlungsvorgang OLG Hamburg, B. v. 03.11.2010, MMR 2011, 281, 282). Ebenso wenig steht die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Ermittler in Frage (OLG Hamburg a.a.O).
d) Der ermittelte Vorgang stellt ein öffentliches Zugänglichmachen der Tonaufnahmen im Sinne des §§ 85 Abs. 1, 19a UrhG dar, welches der Antragstellerin vorbehalten ist. Da es ohne ihr Einverständnis erfolgte, war es widerrechtlich.
e) Der Antragsgegner hat für diese Rechtsverletzung als Störer einzustehen.
aa) Die Rechtsverletzung ist über den Internetanschluss des Internetcafés des Antragsgegners begangen worden.
Die oben genannte IP-Adresse war aufgrund der bei der D.T. AG erteilten Auskunft vom 06.12.2011 in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt dem Internetanschluss des Antragsgegners zugeordnet. Dieser Inhalt der Auskunft ist bildhaft dargestellt anwaltlich versichert worden. Zweifel an der Richtigkeit der Auskunft der D.T. AG bestehen nicht. Die unter Verwendung von Verkehrsdaten erteilte Auskunft beruht auf einem Gestattungsbeschluss des Landgerichts Köln vom 11.11.2011 zur Geschäftsnr. 208 O 260/11 (Anlage ASt. 3) und ist damit datenschutzrechtlich nicht zu beanstanden.
bb) Der Antragsgegner haftet als Anschlussinhaber nach den Grundsätzen der Störerhaftung verschuldensunabhängig auf Unterlassung.
aaa) Das Überlassen des Internetzugangs an Kunden des Internet-Cafés birgt die nicht unwahrscheinliche Möglichkeit in sich, dass von diesen Urheberrechtsverletzungen wie die hier streitgegenständliche Verletzung über diesen Zugang begangen werden. Dem muss der Inhaber des Internetcafés durch geeignete und zumutbare Maßnahmen vorbeugen. Das gilt umso mehr, als es nach unbestrittener Darstellung der Antragstellerin in der Zeit vom 11.12.2009 bis zum 15.10.2011 zu fünf weiteren vergleichbaren Verletzungshandlungen wegen anderer Musikaufnahmen über den Internetanschluss gekommen war, von denen die erste vom 11.12.2009 Gegenstand einer Abmahnung vom 19.02.2010 war, mithin der Antragsgegner Kenntnis von der Verletzung hatte.
bbb) Die Antragstellerin trägt unwidersprochen folgende mögliche Maßnahmen zur Verhinderung solcher Rechtsverletzungen in Tauschbörsen vor:
Die Einrichtung eines Benutzerkontos auf jedem PC des Internetcafés ohne Administratorenrechte (Gast) verhindere die Installation von Filesharing-Software auf dem Rechner. Dabei könne das BIOS durch ein weiteres Passwort gesichert werden, damit das Betriebssystem nicht gelöscht werden kann.
Zusätzlich könne eine Firewall so konfiguriert werden, dass auf der Protokollebene zunächst alle Netzwerkverbindungen blockiert werden und dann nur den erwünschten Anwendungen der Zugriff auf das Internet gestattet werde. Das könnten z.B. der „Internet-Explorer“, ein E-Mail und ein Chatprogramm sein. Die Einstellungen könnten durch ein Passwort gesichert werden.
Weiter gebe es von verschiedenen Anbietern spezielle Software für Internetcafébetreiber (die von der Antragstellerin konkret bezeichnet wird), welche bei entsprechender Konfiguration die Nutzung von P2P-Systemen verhindere.
In Betracht komme weiter der Einsatz und die entsprechende Konfiguration eines geeigneten Routers, etwa von der Firma D., über den je nach Konfiguration die teilweise oder vollständige Blockierung aller Filesharing-Systeme auf Hardware-Ebene möglich sei.
Die Antragstellerin hat zu ihrem Vortrag unter den beiden ersten Spiegelstrichen eine eidesstattliche Versicherung eines Sachverständigen ihrer Ermittlungsfirma vorgelegt. Der Antragsgegner ist dem inhaltlich nicht entgegen getreten. Auch unter Berücksichtigung des der Kammer vorliegenden Gutachtens des Prof. Dr. H. von der Fachhochschule H. vom 11.06.2006 zum Thema „Technische Durchführbarkeit der Blockierung von Filesharing-Diensten und Hindernisse bei der Beweisführung bei Urheberrechtsverletzungen“ erscheinen die von der Antragstellerin aufgezeigten Maßnahmen jedenfalls zu einer nachhaltigen Erschwerung von Rechtsverletzungen in Tauschbörsen geeignet.
Die Maßnahmen erscheinen auch zumutbar. Die von der Antragstellerin dargelegten Kosten bewegen sich allenfalls im unteren dreistelligen Eurobereich.
ccc) Der Antragsgegner verwendet zum Schutz gegen solche Rechtsverletzungen AGB, nach denen seinen Kunden derartiges untersagt wird. Das erscheint der Kammer als unzureichend. Denn die im Regelfall namentlich nicht erfassten Kunden müssen bei den üblicherweise dem Anschluss des Antragsgegners erst deutlich später zuzuordnenden Verletzungen keine Sanktionen befürchten.
Dass der Antragsgegner irgendwelche anderen geeigneten technischen Maßnahmen ergriffen hatte, hat er nicht glaubhaft gemacht. An Eides statt versichert hat er, dass er auf den Rechnern eine Firewall installiert habe, die das Zurverfügungstellen von Dateien zum Herunterladen von Dritten erschwert. Welche Firewall er wann und mit welchen Einstellungen installiert hat, ergibt sich aus der Versicherung nicht. Er lässt vortragen, die Software „Intercafé“ von Blue Image und einer P2P-Blocker installiert zu haben. Wann und in welcher Konfiguration das erfolgt ist, wird nicht vermittelt.
ddd) Zusammengefasst ist nicht dargelegt und glaubhaft gemacht worden, dass der Antragsgegner geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Verhinderung einer Rechtsverletzung wie der streitgegenständlichen getroffen hat.
f) Die danach dem Antragsgegner zurechenbare widerrechtliche Nutzung begründet die tatsächliche Vermutung einer Wiederholungsgefahr. Zur Ausräumung dieser Vermutung wäre die Abgabe einer ernsthaften, unbefristeten, vorbehaltlosen und hinreichend strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung erforderlich gewesen, wie sie vorgerichtlich erfolglos verlangt wurde.
2. Es besteht auch ein Verfügungsgrund. Dieser folgt grundsätzlich bereits aus der Wiederholungsgefahr. Im Übrigen hat die Antragstellerin die Sache selbst ausreichend zügig behandelt.