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Filesharing – sekundäre Darlegungslast eines Anschlussinhabers

LG Saarbrücken, Az.: 7 S 12/15, Urteil vom 22.03.2016

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29.04.2015 verkündete Urteil des Amtsgerichts Lebach – 13 C 308/14 (71) – aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens – an das Amtsgericht Lebach zurückverwiesen.

3. Gerichtskosten des Berufungsverfahrens werden nicht erhoben.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Filesharing - sekundäre Darlegungslast eines Anschlussinhabers
Symolfoto: Von Di Studio /Shutterstock.com

Die Klägerin hat den Beklagten vor dem Amtsgericht Lebach auf Schadenersatz wegen unerlaubten Filesharings in Anspruch genommen. Danach soll es am 02.05.2010 möglich gewesen sein, den zugunsten der Klägerin urheberrechtlich geschützten Film … herunterzuladen.

Die Klägerin hat vor dem Amtsgericht beantragt,

1. die Beklagtenseite wird verurteilt, an die Klägerseite einen angemessenen Schadenersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 400,00 € betragen soll, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. die Beklagtenseite wird verurteilt, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von 555,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Durch das angefochtene Urteil, auf das gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiter verfolgt und die Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung an das Landgericht begehrt. Die Berufung rügt, dass das Amtsgericht die sekundäre Darlegungslast des Beklagten verkannt habe, auch hinsichtlich einer Störerhaftung des Beklagten.

Der Beklagte hat sich dem Antrag auf Zurückverweisung angeschlossen.

Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.03.2016 Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 511 Abs. 2 Nr. 1, 517, 519, 520 ZPO) und hat in der Sache nach Maßgabe des in der Berufungsverhandlung gestellten Hilfsantrages insoweit vorläufigen Erfolg, als das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Lebach zurückverwiesen werden muss (§ 538 Abs. 2 ZPO).

Das Verfahren des ersten Rechtszuges leidet an einem wesentlichen Mangel, aufgrund dessen eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme notwendig erscheint (§ 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Das Amtsgericht hat sein Urteil nicht mit einem Tatbestand versehen. Nach § 313a ZPO bedarf es des Tatbestandes zwar dann nicht, wenn ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist. Eine Berufung ist nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO aber stets zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt. Tatsächlich liegt der Wert der Beschwer der Klägerin bei mindestens 955,60 €, also über 600,00 €, nachdem die Klage in vollem Umfang abgewiesen worden ist. Bei dem mit dem Antrag zu Ziff. 2 geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch aus § 97 Urhebergesetz handelt es sich entgegen der Annahme des Amtsgerichts nicht um eine bloße nicht streitwerterhöhende Nebenforderung.

Angesichts der fehlerhaften Anwendung des § 313a ZPO liegt ein wesentlicher Mangel vor. Das Urteil leidet auch an diesem Mangel. Mangels Urteilstatbestand steht nicht fest, welche Tatsachen vom Gericht des ersten Rechtszug im Sinne des § 521 Abs. 1 Nr. 1 ZPO festgestellt worden sind, die nunmehr vom Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen wären. Es ist auch nicht erkennbar, ob ggf. neue Tatsachen der Zurückweisung zu unterliegen hätten, oder ob diese noch nach § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO berücksichtigungsfähig sind. Mangels Tatbestand ist auch nicht erkennbar, ob eine Beweisaufnahme durchgeführt worden ist oder nicht. Angesichts dessen erscheint es nahe liegend, dass eine Beweisaufnahme noch durch das Berufungsgericht zu erfolgen hat, weil weder ein erkennbares Ergebnis einer Beweisaufnahme durch das Ausgangsgericht vorliegt, noch aufgrund der Feststellung eines Tatbestandes ein unstreitiger, für eine Urteilsfindung nicht beweisbedürftiger Tatbestand fest steht. Angesichts dessen kann sich das angefochtene Urteil aus anderen Gründen auch nicht als richtig erweisen, noch ist der Rechtsstreit bereits zugunsten der Klägerin entscheidungsreif.

Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass eine Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO eine Ausnahmeregelung darstellt, die den Grundsatz der Prozessbeschleunigung durchbricht, ist die Zurückverweisung geboten. Bei der insoweit erforderlichen Abwägung ist zwar auch in Erwägung zu ziehen, dass eine Zurückverweisung der Sache zu einer Verteuerung und Verzögerung des Rechtsstreits führen kann und dies in der Regel den schützenswerten Interessen der Parteien zuwider läuft. Die Aufhebung und Zurückverweisung kann deswegen auf Ausnahmefälle zu beschränken sein, in denen die Durchführung des Verfahrens in der Berufungsinstanz voraussichtlich zu größeren Nachteilen führt, als die Zurückverweisung der Sache an das erstinstanzliche Gericht (vgl.: BGH NJW-RR 2006, S. 1676 – MDR 2005, S. 645).

Ein solcher Fall liegt hier indessen vor. Wenn das Gericht in der Sache selbst entscheiden müsste, müsste gegebenenfalls eine umfangreiche Beweisaufnahme durchgeführt werden, zumindest aber der Beklagte persönlich angehört werden. Ist dies bereits vor dem Ausgangsgericht geschehen, ohne dass dies Niederschlag im Tatbestand des Urteils gefunden hat, kann es genügen, das Urteil mit einem Tatbestand zu versehen. Anschließend kann in der Berufungsinstanz überprüft werden, ob sich aus dem zugrunde zu legenden Tatbestand die dann zu fällende Entscheidung rechtfertigen lässt.

Im Rahmen der Darlegungen im Urteil zur sekundären Darlegungslast ist dann zu überprüfen, ob der Vortrag des Beklagten diesen Anforderungen genügt. Dabei obliegen dem in Anspruch genommenen Anschlussinhaber Nachforschungspflichten, zeitlich bezogen auf den Zugang des Abmahnschreibens, deren Erfüllung er darlegen muss. Es ist weiter zu unterscheiden, ob es sich bei den übrigen Nutzern des Anschlusses um Volljährige oder Minderjährige handelt. Dabei sind mindestens die Namen der Nutzer anzugeben, um die Klägerin in die Lage zu versetzen, Beweis für die Unrichtigkeit der Angaben des Beklagten im Rahmen dessen sekundärer Darlegungslast anzutreten. Soweit dann eine Haftung der Beklagtenseite im Raum stehen mag, ist zu prüfen, inwieweit die Einwendungen des Beklagten gegen die geltend gemachte Rechtsinhaberschaft, die Ermittlung der IP-Adresse und die richtige Zuordnung der ermittelten IP-Adresse eine Beweiserhebung notwendig machen (vgl. Sesing, Täterschaftliche Verantwortlichkeit von Anschlussinhabern, Haftungsbegründung in Filesharing-Fällen – „Tauschbörse I bis III“, MMR 2016, 82; Beck-online).

Soweit keine Rechtsverletzung durch den Beklagten im Raume stehen sollte, ist eine Störerhaftung des Beklagten zu prüfen sowie der inhaltliche Umfang dieses Anspruchs (vgl. Geier, Deliktische Verjährung im Filesharing-Prozess, NJW 2015, S. 1149).

Unter diesen Gegebenheiten besteht die berechtigte Erwartung, dass der Rechtsstreit bei einer Zurückverweisung einer endgültigen Erledigung zugeführt werden kann, weil ggf. verwertbare Ergebnisse vom Erstgericht ermittelt worden sind, ohne dass dies mangels Tatbestand im Urteil erkennbar wäre. Das Gericht übt deshalb, wie auch mit den Parteien erörtert, das ihm in § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO eingeräumte pflichtgemäße Ermessen dahingehend aus, dass vorliegend eine Aufhebung und Zurückverweisung der Vorzug zu geben ist.

Die Entscheidung zu den Gerichtskosten des Berufungsverfahrens ergibt sich aus § 21 GKG. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht (§ 543 ZPO).

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