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Unterlassungsanspruch gegen ehrverletzende/bedrohende Äußerung in sozialem Netzwerk

Bedrohliche Kommunikation auf Facebook führt zu rechtlichen Konsequenzen

Im Zeitalter der digitalen Kommunikation ist das Internet ein zweischneidiges Schwert: Es ermöglicht weltweite Verbindungen, gleichzeitig aber auch erschreckendes Fehlverhalten. Ein besonders gravierender Fall von Internetmissbrauch wurde im Dezember 2020 vor dem Amtsgericht Braunschweig verhandelt. Der Rechtsstreit befasste sich mit ernsthaften Drohungen, die eine Person über Facebook an eine Jägerin richtete, nachdem diese Bilder von sich und einem erlegten Rehbock veröffentlicht hatte.

Direkt zum Urteil Az: 116 C 272/20 springen.

Schwerwiegende Drohungen als Reaktion auf einen Facebook-Post

Die Klägerin, die unter dem Pseudonym „J.s Jagdblog“ auftritt, teilte auf ihrer Facebook-Seite ihre Erlebnisse und Erfahrungen als Jägerin. Sie veröffentlichte Fotos von sich und einem von ihrem Freund erlegten Rehbock. Doch die Reaktionen auf ihre Postings waren nicht alle positiv. Insbesondere eine Nachricht, die sie kurz nach dem Posting erhielt, war so bedrohlich, dass sie rechtliche Schritte einleitete.

Urteil: Unterlassung, Schadenersatz und rechtliche Folgen

Die Beklagte wurde für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen. Der Richter verurteilte sie dazu, die Klägerin nicht weiter zu bedrohen, insbesondere über Fernkommunikationsmittel und soziale Netzwerke wie Facebook. Sollte die Beklagte gegen diese Anordnung verstoßen, drohen ihr ernsthafte rechtliche Konsequenzen, darunter ein hohes Ordnungsgeld oder sogar eine Haftstrafe. Außerdem wurde die Beklagte zur Zahlung einer Geldentschädigung sowie vorgerichtlicher Kosten an die Klägerin verurteilt. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass es sich bei den Ansprüchen der Klägerin um solche aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung handelt.

Kostenverteilung und Vollstreckbarkeit des Urteils

Beide Parteien wurden zur Übernahme der Prozesskosten verurteilt, wobei die Beklagte einen größeren Anteil tragen muss. Das Urteil wurde vorläufig vollstreckbar erklärt, allerdings gegen die Sicherheitsleistung eines bestimmten Betrages.

Ein Fall mit großer Tragweite

Dieser Fall illustriert die potenziellen Risiken und Konsequenzen von Online-Kommunikation und insbesondere von Drohungen und Missbrauch in sozialen Medien. Er zeigt, dass das Recht auch in der digitalen Welt Geltung hat und Verstöße gegen den Respekt und die Würde anderer nicht unbeantwortet bleiben. Internetnutzer sollten stets die Folgen ihres Verhaltens bedenken, insbesondere wenn dieses das Wohlbefinden und die Sicherheit anderer beeinträchtigen könnte.


Das vorliegende Urteil

AG Braunschweig – Az.: 116 C 272/20 – Urteil vom 15.12.2020

Soziale Netzwerke: Unterlassung bei Ehrverletzung
Drohung auf Facebook führt zu Gerichtsfall: Beklagte muss wegen bedrohlicher Nachricht an Jägerin Unterlassung und Schadenersatz leisten. (Symbolfoto: New Africa/Shutterstock.com)

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis 25.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, die Klägerin persönlich oder unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, sowie unter Nutzung von Portalen und sozialen Netzwerken wie z.B. „Facebook“ zu bedrohen, indem die Beklagte der Klägerin schildert, wie sie die Klägerin mit einem Messer ersticht, insbesondere dadurch, dass sie der Klägerin wörtlich oder sinngemäß mitteilt: „Du rennst von mir weg in den Wald Hinein. Ich hinterher… Mit ein Messer und Gewär in der Hand. Als ich dich vor mir habe steche ich Schön in dein Hals rein und das Blut Tropft und tropft… Eine große Pfütze Bildet sich dir und du kannst nicht Mehr atmen. Panik macht sich in dir breit und du Versuchst abzuhauen aber es bringt Nichts da ich das Messer schnell in dein Bauch ramme… Du krümmst dich vor Schmerz und fällst Zu Boden. Du bist komplett mit Blut Verschmiert und deine Augen schließen sich für immer. So hab ich J.s Jagdblog ermordet. Foto ist unten in der Beschreibung. Pass bloß auf… Wir wissen wo du wohnst Mit dir soll das selbe gemacht werden Wie mit den Tieren!!! Bei sowas kenne ich keine Gnade… Eine Waffe habe ich auch Zuhause…aber nicht für Tiere sondern Für Menschen Naja Man sieht sich bald“.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Geldentschädigung in Höhe von 300,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.08.2019 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 255,85 EUR zu zahlen.

4. Es wird festgestellt, dass es sich bei den Ansprüchen zu Ziff. 2. und 3. um solche aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung handelt.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

6. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 47 % und die Beklagte zu 53 %.

7. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Unterlassungs- und Ersatzansprüche.

Die Klägerin unterhält auf dem Internetportal „www.facebook.de“ ein Nutzerprofil, auf dem sie unter dem Pseudonym „J.s Jagdblog“ Erlebnisberichte und Erfahrungen als Jägerin teilt. Unter dem 7.5.2019 (9:23 Uhr) postete die Klägerin Bilder von ihr und einem von ihrem Freund erlegten Rehbock mit dem Text:

„Die Ehre vor der Kreatur (…) Diesen außergewöhnlichen Bock konnte mein Freund letzte Woche erlegen. Wir waren beide so überwältigt, dass wir der Meinung waren, das müsste auch auf besonderen Fotos festgehalten werden. Nachdem ich, bäuchlings in der nassen Wiese, einige Bilder geknipst hatte, entstand dieses Bild von mir. Ich denke, meine Faszination von der Kreatur ist nicht zu übersehen… Für mich gehört das dazu. Nicht einfach nur „schießen, einpacken und weg“ sondern sich einfach damit beschäftigen und Situation wirken lassen, der Kreatur den Respekt erweisen… wie seht ihr das?“

Unter dem 10.5.2019 (14:17 Uhr) erhielt die Klägerin auf ihrem Facebook-Account eine Nachricht, die vom Facebook-Account „A. H.“ der Beklagten gesendet wurde:

„Du rennst von mir weg in den Wald Hinein. Ich hinterher… Mit ein Messer und Gewär in der Hand. Als ich dich vor mir habe steche ich Schön in dein Hals rein und das Blut Tropft und tropft… Eine große Pfütze Bildet sich dir und du kannst nicht Mehr atmen. Panik macht sich in dir breit und du Versuchst abzuhauen aber es bringt Nichts da ich das Messer schnell in dein Bauch ramme… Du krümmst dich vor Schmerz und fällst Zu Boden. Du bist komplett mit Blut Verschmiert und deine Augen schließen sich für immer. So hab ich J.s Jagdblog ermordet. Foto ist unten in der Beschreibung. Pass bloß auf… Wir wissen wo du wohnst Mit dir soll das selbe gemacht werden Wie mit den Tieren!!! Bei sowas kenne ich keine Gnade… Eine Waffe habe ich auch Zuhause…aber nicht für Tiere sondern Für Menschen Naja Man sieht sich bald“

Am 10.5.2019 befand sich die Beklagte vom Vormittag bis zum späten Nachmittag in Bremen an der Schauspielschule. Der Bericht der Klägerin sowie die veröffentlichten Bilder lösten eine umfangreiche und sehr emotional geführte Diskussion im Netz aus, in deren Rahmen über 4.500 Kommentare abgegeben wurden und der Bericht 600-mal geteilt wurde. An der Diskussion beteiligten sich hauptsächlich Jäger auf der einen und Jagdgegner auf der anderen Seite. Die streitgegenständliche Nachricht wurde durch Facebook gelöscht. Ein gegen die Beklagte eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde unter Verweisung der Klägerin auf den Privatklageweg eingestellt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.8.2019 wurde die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 23.8.2019 zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung aufgefordert, wegen deren Inhalt auf die Anlage K5 (Bl. 9 ff. d.A.) verwiesen wird. Diese sah unter anderem die Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 1.500,00 EUR vor.

Die Klägerin behauptet, der Inhalt der oben wiedergegebenen Nachricht vom 10.5.2019 stamme von der Beklagten.

Die Klägerin beantragt,

1. Die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis 25.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, die Klägerin persönlich oder unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, sowie unter Nutzung von Portalen und sozialen Netzwerken wie z.B. „facebook“ zu bedrohen indem die Beklagte der Klägerin schildert, wie sie die Klägerin mit einem Messer ersticht, insbesondere dadurch, dass sie der Klägerin wörtlich oder sinngemäß mitteilt: „Du rennst von mir weg in den Wald Hinein. Ich hinterher… Mit ein Messer und Gewär in der Hand. Als ich dich vor mir habe steche ich Schön in dein Hals rein und das Blut Tropft und tropft… Eine große Pfütze Bildet sich dir und du kannst nicht Mehr atmen. Panik macht sich in dir breit und du Versuchst abzuhauen aber es bringt Nichts da ich das Messer schnell in dein Bauch ramme… Du krümmst dich vor Schmerz und fällst Zu Boden. Du bist komplett mit Blut Verschmiert und deine Augen schließen sich für immer. So hab ich J.s Jagdblog ermordet. Foto ist unten in der Beschreibung. Pass bloß auf… Wir wissen wo du wohnst Mit dir soll das selbe gemacht werden Wie mit den Tieren!!! Bei sowas kenne ich keine Gnade… Eine Waffe habe ich auch Zuhause…aber nicht für Tiere sondern Für Menschen Naja Man sieht sich bald“,

2. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 2.000,00 EUR nicht unterschreitet, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 23.08.2019 zu zahlen,

3. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 413,64 EUR zu zahlen,

4. Festzustellen, dass es sich bei den Anträgen zu Ziff. 2 und 3 um Ansprüche aus unerlaubter Handlung handelt,

die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie habe den betreffenden Text nicht veröffentlicht. Die Veröffentlichung könne sie sich nur so erklären, dass ein Dritter ihre Daten ausgespäht und ihren Account gehackt habe. Jedenfalls sei nicht auszuschließen, dass das Passwort der Beklagten bei einer Zusammenkunft oder einer Zugfahrt ausgespäht worden sei. Zu dem Zeitpunkt, zu dem sie sich in Bremen an der Schauspielschule befand, habe sie keine Kommentare oder Benachrichtigungen im Internet versendet oder veröffentlicht.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist im zugesprochenen Umfang begründet.

1.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte analog §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG (Allgemeines Persönlichkeitsrecht) der tenorierte Unterlassungsanspruch zu.

Ein solcher Unterlassungsanspruch besteht bei einer rechtswidrigen Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, wobei der Schuldner Störer sein muss. Weiter setzt ein solcher Anspruch das Bestehen einer Wiederholungsgefahr voraus. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

a)

Es liegt eine rechtswidrige Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin vor.

aa)

Entsprechend § 1004 BGB werden alle absoluten Rechte geschützt, so auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht, welches aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitet wird.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt das Recht des Einzelnen auf Achtung seiner personalen und sozialen Identität sowie Entfaltung seiner individuellen Persönlichkeit gegenüber dem Staat und im privaten Rechtsverkehr. Geschützte Bereiche sind demnach die Sozialsphäre, die Privatsphäre und die Intimsphäre. Die Sozialsphäre schützt und bewahrt die persönliche Eigenart des Menschen in seinen Beziehungen zur Umwelt sowie seinem öffentlichen, wirtschaftlichen und beruflichen Wirken. Geschützt sind hier insbesondere die persönliche Ehre und das Selbstbestimmungsrecht. Die Privatsphäre umfasst denjenigen sowohl thematisch wie räumlich zu bestimmenden Lebensbereich, zu dem andere Menschen nach der sozialen Anschauung nur mit Zustimmung des Betroffenen Zugang haben, insbesondere das Leben im häuslichen oder Familienkreis und das sonstige Privatleben im eigenen häuslichen Bereich je nach den Umständen auch außerhalb. Die Intimsphäre umfasst den Kernbereich persönlicher, privater Lebensgestaltung, zum Beispiel die innere Gedanken- und Gefühlswelt mit ihren äußeren Erscheinungsformen wie vertraulichen Briefen, Tagebuchaufzeichnungen sowie die Angelegenheiten, für die ihrer Natur nach Anspruch auf Geheimhaltung besteht (Sprau in: Palandt, 80. Aufl. 2021, § 823 Rn. 86, 87).

Eine Beeinträchtigung ist gegeben, wenn die Verletzungshandlung eine der genannten Sphären berührt, wobei es wegen des offenen Tatbestandes einer gewissen Erheblichkeit und unter Umständen einer Interessenabwägung bedarf (Sprau in Palandt, 80. Aufl. 2021, § 823 Rn. 93).

Die Formulierungen der hier streitgegenständlichen Nachricht bei facebook stellen einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, nämlich in die Sozialsphäre dar. Insbesondere werden durch den Inhalt der Nachricht die persönliche Ehre und die soziale Anerkennung der Klägerin beeinträchtigt, da die Klägerin in ihrer Person aufgrund der Nachricht herabgewürdigt wird. In diesem Zusammenhang ist auch nicht zu verkennen, dass in der Nachricht eine Bedrohung zu erblicken ist.

bb)

Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist grundsätzlich nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen, insbesondere das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufs die schutzwürdigen Belange der anderen Seite, etwa das in Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK verankerte Recht des sich Äußernden auf Meinungsfreiheit überwiegt (ständige Rechtsprechung, zum Beispiel BGH, Urteil vom 17.12.2013, Az. VI ZR 211/12 und Urteil vom 11.12.2012, Az. VI ZR 314/10).

Meinungsäußerungen genießen grundsätzlich ohne Rücksicht auf ihre Qualität den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG und dürfen nur in eng begrenzten Fällen untersagt werden. Unerheblich ist insbesondere, ob die Äußerung wertvoll, wertlos, richtig oder falsch, emotional oder rational begründet ist. Vom Schutz umfasst sind grundsätzlich auch scharfe und übersteigerte Äußerungen (BVerfG, Beschluss vom 17.9.2012, Az. 1 BvR 2979/10; BGH, Urteil vom 16.12.2014, Az. VI ZR 29/14). Eine Meinungsäußerung stellt daher nur dann eine rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung dar, wenn die Belange des Betroffenen durch ihren ehrverletzenden Gehalt in einem mit der Ausübung grundgesetzlich garantierter Meinungsfreiheit nicht mehr zu rechtfertigenden Maß tangiert sind (BVerfG, Beschluss vom 10.11.1998, Az. 1 BvR 153/96; OLG Koblenz, Beschluss vom 12.7.2012, Az. 2 U 862/06).

Zwar ist einerseits zu berücksichtigen, dass die streitgegenständliche Äußerung im Zusammenhang mit einer sehr emotional geführten Diskussion ergangen ist. Diesen Sachzusammenhang weist sie auch auf. Andererseits stehen im Vordergrund der Nachricht am Beispiel der Jagd ergangene deutlich erkennbare Diffamierungen der Person der Klägerin sowie eine Bedrohung. Der Beklagten kam es offensichtlich darauf an, der Klägerin jeden Achtungsanspruch abzusprechen. Eine sachliche Kritik ist hingegen nicht erkennbar. Hierdurch ist die Klägerin in der Sozialsphäre verletzt. Die Äußerung ist im Ergebnis derart ehrverletzend, dass die Belange der Klägerin in einem mit der Ausübung grundgesetzlich garantierter Meinungsfreiheit nicht mehr zu rechtfertigen Maß tangiert sind.

b)

Die Beklagte ist Handlungsstörerin, weil sie als Urheberin der streitgegenständlichen Nachricht anzusehen ist.

Bei mit Passwort zugangsbeschränkten sozialen Netzwerken mit obligatorischer Profilanlegung, wie etwa facebook, kann zunächst davon ausgegangen werden, dass Äußerungen regelmäßig unter Verwendung des echten Namens erfolgen. Laut den allgemeinen Geschäftsbedingungen von Facebook ist eine persönliche Nutzung nur unter Nennung des echten Namens zulässig. Nachweisschwierigkeiten können sich aber auch bei Äußerungen unter echtem Namen ergeben, wenn der Inhaber des Profils bestreitet, der Autor der inkriminierten Äußerung zu sein und lediglich behauptet, sein Account sei gehackt worden. In diesen Fällen dürfte einfaches Bestreiten nicht mehr ausreichen. Es ist vielmehr substantiiert darzulegen, in welcher konkreten Art und Weise ein Dritter Zugriff auf das Profil erlangt bzw. wie ein Dritter das Profil kopiert haben soll. Überzeugend ist die Annahme, es bestehe in solchen Fällen ein Beweis des ersten Anscheins, der mit Tatsachen erschüttert werden muss (ähnlich: Vossen in: Thüsing/Wurth, Social Media im Betrieb, 2. Aufl. 2020, § 10 Sanktionen unzulässiger Social Media-Nutzung, Rn. 73, 74).

Vorliegend ist es unstreitig, dass es sich bei dem Profil, von welchem die Nachricht gesendet wurde, um das Profil der Beklagten handelt. Insofern war der einfache Vortrag, das Profil sei gehackt worden, nicht ausreichend. Vielmehr hätte es eines substantiierten Bestreitens bedurft. Wenn lediglich vorgetragen wird, dass nicht auszuschließen sei, dass das Passwort der Beklagten bei einer Zusammenkunft oder einer Zugfahrt ausgespäht worden sei, ohne diese Ereignisse näher zu spezifizieren, erfüllt dies die Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten nicht. Ungeachtet dessen, dass das Gericht in der mündlichen Verhandlung vom 27.10.2020 darauf hingewiesen hat – ohne dass dies zu Protokoll genommen wurde -, dass vorliegend ein Anscheinsbeweis gegen die Beklagte spricht, sodass ein einfaches Bestreiten nicht ausreicht, wäre ein entsprechender Hinweis auch nicht erforderlich gewesen. Klägerseits wurde mit Schriftsatz vom 27.5.2020 (Bl. 36 ff. d.A.) bereits ausreichend auf diesen Umstand hingewiesen.

Wenn die Beklagte vorträgt, dass sie sich an dem Tag, an welchem die Nachricht von ihrem Account gesendet wurde, in Bremen an der Schauspielschule befunden habe, vermag dies der Beklagten ebenfalls nicht zu verhelfen, zumal allgemein bekannt ist, dass auch unter Nutzung eines Smartphones auf Facebook zugegriffen werden kann.

c)

Es besteht auch Wiederholungsgefahr. Durch eine vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung wird in der Regel eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr begründet (BGH NJW 12, 3781). Eine Unterlassungserklärung gab die Beklagte nicht ab.

d)

Die Androhung des Ordnungsgeldes für den Fall der Zuwiderhandlung und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, folgt aus § 890 Abs. 1 und 2 ZPO.

2.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 300,00 EUR aus § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG.

Die Zubilligung einer Geldentschädigung im Fall einer schweren Persönlichkeitsverletzung beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktionen blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Bei dieser Entschädigung steht – anders als beim Schmerzensgeld – regelmäßig der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund; außerdem soll sie der Prävention dienen (vgl. BGH, Urteil vom 5.10.2004, Az. VI ZR 255/03; Urteil vom 24.3.2011, Az. IX ZR 180/11; Urteil vom 29.4.2014, Az. VI ZR 246/12).

Die Geldentschädigung für immaterielle Schäden betrifft die ideellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts und hat zur Voraussetzung, dass eine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegt, bei der die Beeinträchtigung nach Art der Verletzung nicht in anderer Weise (Genugtuung durch Unterlassen, Gegendarstellung oder Widerruf) befriedigend ausgeglichen werden kann. Ob eine derartige Verletzung vorliegt, hängt von einer Beurteilung der gesamten Umstände des Falls ab. Zu berücksichtigen sind Art, Bedeutung und Tragweite des Eingriffs und der Charakter der geschützten Bereiche, in die eingegriffen wurde; Anlass und Beweggründe das handelnden, der Grad seines Verschuldens sowie welche grundrechtlich geschützten Positionen ihm zur Seite stehen (Sprau in Palandt, 80. Aufl. 2021, § 823 Rn. 130). Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist ein erwirkter Unterlassungstitel zu berücksichtigen, weil dieser und die damit zusammenhängenden Ordnungsmittelandrohungen den Geldentschädigungsanspruch beeinflussen und im Zweifel sogar ausschließen können (vgl. BGH, Urteil vom 17.3.1970, Az. VI ZR 151/68; Beschluss vom 30.6.2009, Az. VI ZR 340/08). Ebenso ist zu berücksichtigen, ob die Beeinträchtigung über die Möglichkeit des strafrechtlichen Privatklagewegs hinreichend aufgefangen werden kann (vgl. BGH NJW-RR 2016, 1136).

Gemessen an den vorstehenden Voraussetzungen steht der Klägerin eine Geldentschädigung in Höhe von 300,00 EUR zu.

Hierbei war zu berücksichtigen, dass die Klägerin strafrechtlich zwar auf den Privatklageweg verwiesen wurde. Dabei darf jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass zivil- und strafrechtlicher Ehrenschutz grundsätzlich parallel zueinander laufen und die jeweiligen Entscheidungen keine Bindungswirkung haben, sodass die grundsätzliche Möglichkeit des Beschreitens des Privatklageweges jedenfalls nicht ohne Weiteres einen Ausschlussgrund für eine Geldentschädigung darstellen kann. Hinsichtlich des mit der Klage ebenfalls erwirkten Unterlassungstitels ist zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend um eine Persönlichkeitsrechtsverletzung handelt, die im Internet stattgefunden hat, und solche Beeinträchtigungen aufgrund der Eigenarten des Netzes auch nach der Löschung noch fortleben können (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 17.12.2013, Az. VI ZR 211/12). Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass die Beeinträchtigung nicht befriedigend durch die Möglichkeit des Beschreitens des Privatklageweges und durch den erwirkten Unterlassungstitel ausgeglichen werden kann.

Weiter war zwar einerseits zu berücksichtigen, dass es sich bei der streitgegenständlichen Mitteilung um eine Verletzung der Menschenwürde handelt. Auch handelte die Beklagte im Hinblick auf die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin vorsätzlich, da sie absichtlich handelte. Andererseits kann nicht unbeachtet bleiben, dass lediglich eine Beeinträchtigung der Sozialsphäre gegeben ist und die Nachricht im Rahmen einer im Internet zwischen Jägern auf der einen Seite und Jagdgegnern auf der anderen Seite sehr emotional geführten Debatte erfolgte. Bei dieser Debatte setzte die Klägerin aufgrund ihres fototechnisch untermauerten Eintrages und der Frage „wie seht ihr das?“ einen erheblichen Anreiz. Zudem wurde die Nachricht durch facebook gelöscht, sodass im Rahmen der geführten Debatte insgesamt „lediglich“ über 4.500 Kommentare erfolgten und der Beitrag der Klägerin 600-mal geteilt wurde.

3.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Aufgrund des anwaltlichen Schreibens samt Unterlassungs- und Verpflichtungsaufforderung unter Fristsetzung bis zum 23.08.2019 befindet sich die Beklagte seit dem 24.08.2019 in Verzug.

4.

Der Anspruch auf Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 255,85 EUR folgt aus § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit §§ 249 ff. BGB.

Die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten berechnen sich nach dem Gegenstandswert, der der berechtigten Forderung entspricht (vgl. BGH, Urt. v. 7.11.2007, Az. VIII ZR 341/06), und demnach zu einem Gegenstandswert von 1.800,00 EUR, wobei hinsichtlich des Unterlassungsantrages ein Gegenstandswert von 1.500,00 EUR zugrunde gelegt wird.

Die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten berechnen sich demnach wie folgt:

Gegenstandswert: 1.800,00 EUR

Summe 255,85 EUR

1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300, 1008 VV RVG    195,00 EUR

Auslagen Nr. 7001 und 7002 VV RVG 20,00 EUR

USt 19 % 40,85 EUR

5.

Der Feststellungsantrag ist begründet.

Wie ausgeführt, geschah die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin durch die Beklagte vorsätzlich. Zudem handelt es sich bei dem hier durch die Beklagte verwirklichten § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG um einen Anspruch aus unerlaubter Handlung.

Neben der Hauptsacheforderung fallen auch Anwaltskosten und Verzugszinsen unter diese Norm, wenn diese Ansprüche – wie hier – Folgen der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung sind (vgl. Riedel in: BeckOK ZPO, 38. Ed. 1.9.2020, § 850f Rn. 34.).

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Hierbei war zu berücksichtigen, dass der Unterlassungsanspruch wertmäßig mit 1.500,00 EUR zu beziffern war.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.

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