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Filesharing-Filesharing – Aufsichtspflicht eines Großvaters bei 11-Jährigen

Das Urteil im Filesharing-Fall: Haftungsfrage bei Verletzung der Aufsichtspflicht

Das Landgericht Frankfurt hat in einem wegweisenden Urteil über Ansprüche auf Schadensersatz und Abmahnkosten in einem Filesharing-Fall entschieden. Hierbei ging es um eine Urheberrechtsverletzung durch das illegale „Filesharing“ eines Computerspiels. Die Klägerin hatte nachgewiesen, dass das Computerspiel mehrfach über den Internetanschluss des Beklagten zum Download angeboten wurde. Daraufhin forderte die Klägerin Schadensersatz und Abmahnkosten sowohl vom Beklagten als auch von dessen Großvater, der zum Tatzeitpunkt die Aufsichtspflicht über den Beklagten hatte.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2/3 O 15/19 >>>

Keine Haftung des Großvaters für Aufsichtspflichtverletzung

Das Gericht wies die Klage ab und entschied, dass der Großvater nicht für die Aufsichtspflichtverletzung des Beklagten haftbar gemacht werden kann. Die kurze Dauer des Aufenthalts des Beklagten bei seinem Großvater rechtfertigte keine Aufsichtspflicht gemäß § 832 Abs. 2 BGB. Das Gericht argumentierte, dass die bloße Beaufsichtigung durch einen Familienangehörigen in der Regel nicht ausreicht, solange keine längere räumliche Trennung von den Erziehungsberechtigten vorliegt.

Der Beklagte als Täter der Urheberrechtsverletzung

Das Gericht stellte jedoch fest, dass der Beklagte zu 2) als Täter der Urheberrechtsverletzung anzusehen ist. Dennoch fehlte ihm als Elfjährigem zum Tatzeitpunkt das Verständnis für die Rechtswidrigkeit des „Filesharings“. Das Gericht erklärte, dass diese Art der Urheberrechtsverletzung für Kinder überdurchschnittlich komplex ist und nicht mit greifbaren Verletzungen in der realen Welt vergleichbar ist. Daher kann bei einem Kind dieses Alters nicht ohne weiteres von der Einsichtsfähigkeit in die Rechtswidrigkeit ausgegangen werden.

Klage abgewiesen: Keine Haftung für Schadensersatz und Abmahnkosten

Aufgrund dieser Feststellungen wurde die Klage abgewiesen. Weder der Großvater noch der Beklagte zu 2) haften für Schadensersatz oder Abmahnkosten. Die Kosten des Verfahrens wurden gemäß den gesetzlichen Bestimmungen verteilt.

Es ist anzumerken, dass diese Zusammenfassung ausschließlich auf den vorliegenden Text basiert und keine rechtliche Beratung oder abschließende Bewertung des Urteils darstellt. Die genaue rechtliche Beurteilung kann von Fall zu Fall unterschiedlich sein und kann durch aktuelle Urteile und Gesetzesänderungen beeinflusst werden.


Das vorliegende Urteil

LG Frankfurt – Az.: 2/3 O 15/19 – Urteil vom 29.10.2020

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Von den Gerichtskosten haben die Klägerin 20 % und der Beklagte zu 2) 80 % zu tragen.

Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin hat der Beklagte zu 2) 80% zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) hat die Klägerin 11% zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) hat die Klägerin voll zu tragen.

Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin und den Beklagten zu 1) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch den Beklagten zu 2) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zu 2) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Filesharing-Filesharing - Aufsichtspflicht eines Großvaters bei 11-Jährigen
Urteil: Großvater nicht haftbar für Filesharing-Verstoß (Symbolfoto: Hero Images Inc/Shutterstock.com)

Die Parteien streiten um Ansprüche auf Schadensersatz und Abmahnkosten aufgrund einer Urheberrechtsverletzung durch sogenanntes „Filesharing“.

Die Klägerin ist Produzentin und Vermarkterin von digitalen Entertainment-Produkten. Sie tritt auch unter dem – als Marke eingetragenen – Label „D“ auf.

Die Klägerin macht Rechtsverletzungen bezüglich des Computerspiels „S“ am 18.01.2014 geltend (Bl. 11 f. d.A.). Auf dem Datenträger des streitgegenständlichen Computerspiels ist sie mit einem „©“-Vermerk genannt (Bl. 14 d.A.).

Der Beklagte zu 1) ist eine Privatperson und Inhaber des Internetanschlusses, über den unerlaubt Dateien des Computerspiels „S“ oder Teile davon über ein „Filesharing“-Netzwerk zum Herunterladen bereitgehalten wurden.

Der Beklagte zu 2) ist der im Jahre 2002 geborene Enkel des Beklagten zu 1), der am ….2020 volljährig geworden ist. Er war zu den hier in Rede stehenden Ereignissen elf Jahre alt.

Am 18.01.2014 lud der Beklagte zu 2) über den Internetanschluss des Beklagten zu 1) über das „Filesharing“-Netzwerk „Bittorrent“ und die Website „www….ro“ das in Rede stehende Computerspiel „S“ herunter und hielt es aufgrund der Funktionsweise von „Filesharing“-Netzwerken damit zugleich auch zum „Download“ für andere Nutzer bereit.

Die Klägerin ermittelte mithilfe des von ihr eingeschalteten Dienstleisters T GmbH sowie auf die Angaben des hierdurch ermittelten Internetproviders und die danach ergangene Entscheidung des Landgerichts Köln (Az. 213 O 15/14), dass dieses Computerspiel zu mehreren Zeitpunkten am 18.01.2014 (09:41:05, 09:46:12; 16:52:48) und 19.01.2014 (09:49:31) vom Internetanschluss des Beklagten zu 1) aus zum „Download“ angeboten wurde.

Das streitgegenständliche Computerspiel „S“ kostete im Einzelhandel zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung zwischen 40 € und 60 €. Der Preis über den Bezugsweg des „Downloads“ betrug ca. 40 €.

Mit Schreiben vom 11.04.2014 gemäß Anlage B1 (Bl. 52 – 56 d.A.) mahnte die Klägerin den Beklagten zu 1) wegen des streitgegenständlichen Urheberrechtsverstoßes ab und forderte ihn mit Fristsetzung bis zum 21.04.2014 zur Abgabe einer klaglos stellenden Unterlassungserklärung auf. Eine solche Unterlassungserklärung gab der Beklagte zu 1) nicht ab und verwies darauf, dass die streitgegenständliche Verletzungshandlung durch seinen Enkel, den Beklagten zu 2), begangen worden sei.

Unter dem 10.04.2014 mahnte die Klägerin mit weiterem anwaltlichem Schreiben den Beklagten zu 1) wegen eines „Download“-Angebots des Computerspiels „D“, ebenfalls begangen am 18.01./19.01.2014, ab. Insoweit wird auf die Anlage B2 (Bl. 57 – 61 d.A.) Bezug genommen.

Nachdem eine weitere Reaktion des Beklagten zu 1) ausgeblieben war, stellte die Klägerin am 28.11.2017 beim Amtsgericht Wedding, Az.: 17 – 1097757-0-1, einen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids, mit dem sie von dem Beklagten zu 1) die Erstattung der jetzt noch streitgegenständlichen Abmahnkosten in Höhe von 984,60 €, ausgehend von einem Gegenstandswert in Höhe von 20.000 EUR und einer Geschäftsgebühr in Höhe von 1,3 nebst Auslagenpauschale, sowie (Teil-)Schadensersatz in Höhe von 900,- € verlangte. Der Mahnbescheid wurde am 29.11.2017 erlassen. Gegen diesen legte der Beklagte zu 1) am 13.12.2017 Widerspruch ein.

Die Klägerin mahnte den Beklagten zu 2) mit anwaltlichem Schreiben vom 11.07.2018 ab.

Das Mahnverfahren wurde nach dem Widerspruch des Beklagten zu 1) an das Amtsgericht Lampertheim, Az.: 3 C 415/18, abgegeben und von diesem aufgrund örtlicher Unzuständigkeit durch Beschluss vom 28.08.2018 (Bl. 30 d.A.) an das Amtsgericht Frankfurt am Main verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 28.11.2018 hat die Klägerin die subjektive Klageerweiterung hinsichtlich des Beklagten zu 2) erklärt und diesem gegenüber – neben gesamtschuldnerisch geltend gemachten Zahlungsansprüchen – einen Unterlassungsanspruch dahin geltend gemacht, das Computerspiel „S“ ohne Einwilligung der Klägerin in Internettauschbörsennetzwerken zum Herunterladen für Dritte bereit zu halten. Insoweit wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 28.11.2018 (Bl. 91 ff. d.A.) Bezug genommen.

Nachdem die Klägerin die Klage erweitert hat, hat sich das Amtsgericht Frankfurt a.M. bei Annahme eines Streitwertes in Höhe von 21.884,60 € für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit mit Beschluss vom 07.01.2019, Az.: 31 C 2796/18 (23) an das Landgericht Frankfurt am Main verwiesen (Bl. 207 d.A.).

Am 20.02.2019 hat der Beklagte zu 2) ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine Unterlassungserklärung gemäß Anlage B6 (Bl. 220 d.A.) abgegeben. Daraufhin haben die Klägerin und der Beklagte zu 2) den Rechtsstreit hinsichtlich des gegen den Beklagten zu 2) geltend gemachten Unterlassungsanspruchs übereinstimmend für erledigt erklärt.

Zwischen den Parteien ist ein Parallelverfahren zwischen den Parteien wegen des Vorwurfs einer weiteren Urheberrechtsverletzung bezüglich des Computerspiels „D“ bei der erkennenden Kammer zum Az. 2-03 O 35/19 anhängig.

Die Klägerin behauptet, Herausgeberin und Inhaberin der exklusiven Nutzungs- und Verwertungsrechte des Werkes „S“ zu sein, das seinerzeit besonders populär gewesen sei. Im Zuge eines „Asset Purchase Agreements“ vom 23.01.2013 gemäß Anlagenkonvolut K1 (Bl. 108 ff. d.A.) seien ausschließliche Rechte zum Vertrieb des streitgegenständlichen Computerspiels sowie der Vorgänger „S I-III“ von der Firma X im Zuge eines Insolvenzverfahrens nach Chapter 11 durch die … Gruppe erworben und auf die Klägerin übertragen worden. Das streitgegenständliche Computerspiel sei im August 2013 erstveröffentlicht worden und sei innerhalb der ersten Veröffentlichungswoche 1 Million Mal verkauft worden.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte zu 1) hafte aufgrund einer Verletzung von Aufsichtspflichten und der Beklagte zu 2) hafte als Täter der Verletzungshandlung. Eine gesamtschuldnerische Haftung ergebe sich aus § 840 BGB. Die für die Haftung notwendige Einsichtsfähigkeit des Beklagten zu 2) liege vor. Dies ergebe sich daraus, dass sich die von ihm begangene Verletzungshandlung auf Computerspiele mit einer Altersfreigabe von 18 Jahre beziehe. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Beklagte zu 2) diese Spiele absichtlich und nach seinen persönlichen Interessen ausgesucht habe.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte zu 2) sei hinsichtlich der fehlenden Einsichtsfähigkeit darlegungs- und beweisbelastet. Außerdem spreche das Alter des Beklagten zu 2) nicht gegen die Schuldfähigkeit und deliktische Verantwortlichkeit bei „Filesharing“.

Die Anknüpfung an ein Vielfaches des durchschnittlichen Einzelhandelspreises sei eine rechtsfehlerfreie und geeignete Methode der lizenzanalogen Schadensschätzung im Rahmen von tauschbörsenbasierter Rechtsverletzung. Dabei sei der Faktor 400 des zur Zeit der Verletzungshandlung durchschnittlichen Verkaufspreises des Werkes angemessen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Deckelung der Abmahnkosten nach § 97a Abs. 3 UrhG greife gemäß S. 4 nicht, da die Deckelung nach den besonderen Umständen des hier in Rede stehenden Einzelfalls unbillig sei.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von 984,60 € nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24. April 2014 zu zahlen;

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin einen weiteren Betrag über 900,00 € nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 24. April 2014 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 1) behauptet, der Vater des Beklagten zu 2) sei zum Zeitpunkt der „Filesharing“-Transaktion an einem Wochenende ebenfalls im Haus des Beklagten zu 1) gewesen.

Außerdem sei der Beklagte zu 2) mehrfach von ihm sowie von seinen Erziehungsberechtigten über das Thema von illegalen „Downloads“ aus dem Internet belehrt worden. Dabei sei der Beklagte zu 2) auch über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehrt worden. Insbesondere sei dem Beklagten zu 2) vom Beklagten zu 1) bezüglich der Nutzung des Internetanschlusses des Beklagten zu 1) verboten worden, illegale oder kostenpflichtige Inhalte aus dem Internet herunterzuladen.

Die Beklagten bestreiten die Aktivlegitimation der Klägerin. Der Beklagte zu 1) ist der Ansicht, er hafte nicht gemäß § 832 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB. Er sei gegenüber dem Beklagten zu 2) weder gesetzlich noch vertraglich aufsichtspflichtig. Zudem scheide seine Haftung auch aufgrund einer hinreichenden Belehrung des Beklagten zu 2) bezüglich der Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen sowie über illegale „Downloads“ aus dem Internet aus. Es bestehe auch keine Verpflichtung, die Nutzung des Internets durch das Kind ohne Anhaltspunkte zu überwachen.

Der Beklagte zu 1) erhebt die Einrede der Verjährung. Er ist der Ansicht, mögliche Ansprüche der Klägerin seien gemäß den §§ 199, 195 BGB zum Ende des Jahres 2017 verjährt. Der Mahnbescheid habe die Verjährung nicht gehemmt, da er zu unbestimmt sei. Die in Rede stehenden Ansprüche seien nicht bestimmt und das in Rede stehende verletzte Werk sei nicht benannt. Außerdem fehle im Mahnantrag ein Verweis auf das Datum der Verletzungshandlung. Zudem verweise keiner der beiden gegen den Beklagten zu 1) ergangenen Mahnbescheide auf die Abmahnung vom 11. April 2014.

Aufgrund zweier wortgleicher Mahnanträge des Klägers gegen den Beklagten zu 1) sei unklar, welche Verletzungshandlung Gegenstand welches Mahnverfahrens bilden solle.

Der Beklagte zu 1) ist der Ansicht, die Höhe des geltend gemachten Schadensersatzes sei zu hoch bemessen. Auch sei der Gegenstandswert zu hoch bemessen.

Der Beklagte zu 2) behauptet, er habe seine ersten Erfahrungen mit Computerspielen durch das Portal „Spielaffe“ gemacht. Dort würden Computerspiele als „Shareware“ zur legalen kostenfreien Nutzung angeboten.

Durch eine Empfehlung aus dem Freundeskreis habe er von der Website „nosTeam“ erfahren, auf der ebenfalls kostenlos Spiele zur Nutzung angeboten wurden. Dabei habe er nicht erkannt, dass der Zugriff auf diese Spiele – anders als bei dem Portal „Spielaffe“ – illegal war. Insbesondere habe er nicht erkannt, dass es sich dabei um eine illegale Tauschbörse gehandelt habe. Er sei bei der Verletzungshandlung lediglich einer Videoanleitung der ihm als vertrauenswürdig bekannten Plattform „YouTube“ gefolgt. Dort sei die kostenfreie Nutzung der Computerspiele erklärt worden.

Der Beklagte zu 2) ist der Ansicht, er hafte nicht, weil ihm aufgrund seines jungen Alters im Zeitpunkt der Verletzungshandlung die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht gefehlt habe. Ihm habe aufgrund der Abstraktheit der hier in Rede stehenden Rechtsverletzung das Verständnis für die Rechtswidrigkeit von „Filesharing“-Portalen im Internet gefehlt. Zudem sei gerade für ein elfjähriges Kind fast unmöglich zu erkennen, ob eine leicht zugängliche Internetplattform legale oder illegale Inhalte zum Download anbietet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen beide Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz bzw. Erstattung der Abmahngebühren gemäß den §§ 97 Abs. 2, 97a UrhG, 832 BGB i.V.m. § 840 BGB.

Ein Schadensersatzanspruch ergibt sich gegen den Beklagten zu 1) nicht aus den §§ 832 BGB, 97 Abs. 2 UrhG.

Die Klägerin ist hinsichtlich der hier geltend gemachten Ansprüche aktivlegitimiert. Dies steht zur Überzeugung der Kammer fest. Die Klägerin hat – insoweit unbestritten – vorgetragen, dass sie auf dem Cover und der DVD des Computerspiels mit einem „©“-Hinweis genannt ist (Bl. 14 d.A.). Nach § 10 Abs. 3 UrhG begründet dies grundsätzlich die Vermutung, dass der Anspruchsteller Inhaber der ausschließlichen Nutzungsrechte ist. Zwar kann sich die Klägerin hier auf diese Vermutungswirkung nicht berufen, da sie keine Unterlassungsansprüche geltend macht. Dennoch stellt der „©“-Vermerk ein Indiz für die Rechteinhaberschaft der Klägerin dar. Zudem hat die Klägerin in der Anlage K1 (Bl. 108 ff. d.A.) einen entsprechenden Vertrag vorgelegt, aus dem sich eine ausschließliche Einräumung von Nutzungsrechten ergibt. Angesichts der Indizwirkung des „©“-Vermerks und der vorgelegten Unterlagen oblag es hier den Beklagten, sich nicht lediglich auf ein pauschales Bestreiten zu beschränken.

Auch steht nach dem Vortrag der Parteien zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte zu 2) an dem Wochenende des 18.01./19.01.2014 vom Internetanschluss des Beklagten zu 1) das Computerspiel „S“ zum „Download“ angeboten hat.

Das „Filesharing“ über sog. Peer-to-Peer-Netzwerke, wie es hier praktiziert wurde, dient der Erlangung und Bereitstellung funktionsfähiger Dateien. Wenn ein Nutzer ein bestimmtes Computerspiel sucht, dann ermöglicht ihm die Software der Plattform, dieses auf den Rechnern der anderen Teilnehmer zu finden. Beim Start des „Downloads“ bezieht er von allen Nutzern der Plattform, die dieses Computerspiel auf ihrer Festplatte gespeichert haben, einzelne Teile (sog. „Chunks“), bis er das vollständige Werk selbst auf seiner Festplatte gespeichert hat. Die Funktionsweise der „Client“-Software ist dergestalt, dass jeder Nutzer schon während seines „Download“-Vorgangs bei ihm vorhandene Teile automatisch allen anderen Teilnehmern des Netzwerks zum „Download“ anbietet (und damit im Rechtssinne verbreitet und öffentlich anbietet). Die Klägerin hat unwidersprochen dargelegt, dass es die im vorliegenden Fall verwendete „Client“-Software „bittorent“ ermöglicht, die Dateifragmente des Computerspiels („Chunks“) von verschiedenen Anbietern herunterzuladen und zu voll funktionsfähigen Dateien zusammenzusetzen.

Der Beklagte zu 2) ist – unstreitig – Täter der streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzung gewesen. Eine Inanspruchnahme des Beklagten zu 1) scheitert jedoch daran, dass diesem keine Aufsichtspflichtverletzung gemäß § 832 BGB vorgeworfen werden kann.

Den Beklagten zu 1) trifft als Großvater des Beklagten zu 2) keine gesetzliche Aufsichtspflicht gemäß § 832 Abs. 1 BGB, da diese die Eltern des Beklagten zu 2) bis zu dessen Volljährigkeit traf.

Eine Haftung des Beklagten zu 1) kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Aufsichtspflicht durch eine etwaige vertragliche Übernahme gemäß § 832 Abs. 2 BGB in Betracht.

Für die vertragliche Übernahme genügt bereits eine stillschweigende Übereinkunft (OLG Celle NJW-RR 1987, 1384; LG Bremen NJW-RR 1999, 969). Eine tatsächliche Übernahme genügt nicht (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 79. Aufl. 2020, § 832 Rn. 6). An die Annahme einer konkludenten Übernahme der Aufsichtspflichten sind strenge Anforderungen zu stellen, um überraschende Haftungslagen für den Dritten zu vermeiden und ihm die Möglichkeit der Absicherung und Schadensvorsorge einzuräumen (vgl. Spindler in: BeckOK BGB, Hau/Poseck, 55. Edition, Stand: 01.08.2020, § 832 Rn. 13). Indizien, die im Einzelfall für eine stillschweigende Übereinkunft sprechen können, sind z.B. die Entgeltlichkeit der Aufsichtsübernahme oder die Frage, inwieweit die Einräumung einer umfassenden Personenfürsorge mitsamt der Erziehung gewollt ist. Demgemäß genügt für eine konkludente Übernahme der gesetzlichen Aufsichtspflichten nicht bereits das gemeinsame Spiel von eigenen und fremden Kindern bei einer Mutter und die damit verbundene Aufsicht (BGH NJW 1968, 1874), ebenso wenig die Beaufsichtigung der Kinder durch einen Familienangehörigen (Palandt/Sprau, a.a.O., § 832 Rn. 6), außer, die Aufsicht über das Kind wird für längere Zeit infolge der räumlichen Trennung unmöglich (OLG Celle VersR 1986, 972), etwa bei Ferien bei den Großeltern (vgl. Spindler in: BeckOK BGB, a.a.O., § 832 Rn. 13).

Der Aufenthalt des damals 11-jährigen Beklagten zu 2) an einem Wochenende bei seinem Großvater, dem Beklagten zu 1), führt schon aufgrund der Kürze des Aufenthaltes zu keiner Aufsichtspflicht des Beklagten zu 1) im Sinne des § 832 Abs. 2 BGB, wobei dahingestellt bleiben kann, ob nach dem – bestrittenen – Vortrag der Beklagten, sich der in M von der Mutter des Beklagten zu 2) getrennt lebende Vater an diesem Wochenende ebenfalls mit seinem Sohn im Haus seines Vaters, dem Beklagten zu 1), in B aufhielt. Eine Beaufsichtigung des minderjährigen Kindes durch einen Familienangehörigen reicht regelmäßig nicht aus, solange keine Aufsicht über das Kind für längere Zeit infolge der räumlichen Trennung zu den Erziehungsberechtigten vorliegt. In diesem Zusammenhang genügt die für das Bestehen einer Aufsichtspflicht des Beklagten zu 1) darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin (vgl. Palandt/Sprau, a.a.O., § 832 Rn. 15; Wagner in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 832 Rn. 45) ihrer Darlegungspflicht nicht, wenn sie entsprechenden gegenteiligen Vortrag der Beklagten lediglich mit Nichtwissen bestreitet. Darüber hinaus scheiden die klägerseits angebotenen Beweismittel auf Parteivernehmung der beiden Beklagten angesichts der Subsidiarität gegenüber einem Zeugenbeweis aus. Vorliegend kämen die Eltern des Beklagten zu 2) insoweit als Zeugen in Betracht.

Da eine Inanspruchnahme des Beklagten zu 1) auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung in Betracht kommt, scheiden sowohl ein Schadensersatzanspruch als auch ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten gemäß § 97a UrhG nebst Zinsforderungen aus, wobei die Höhe des Erstattungsanspruchs nach der jüngeren Rechtsprechung des OLG Frankfurt am Main vom 31.03.2020, Az. 11 U 44/19, auf den Betrag in Höhe von 124 € zu deckeln gewesen wäre.

Der Klägerin steht auch gegen den Beklagten zu 2) kein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gemäß § 97 Abs. 2 UrhG bzw. Erstattung vorgerichtlich entstandener Abmahnkosten gemäß § 97a UrhG zu.

Zwar ist der Beklagte zu 2) unstreitig als Täter der streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzung zu behandeln, jedoch ist dieser dafür nicht verantwortlich, denn er hatte als zur Tatzeit im Januar 2014 11-Jähriger nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht im Sinne des § 828 Abs. 3 BGB.

Zur Überzeugung der Kammer fehlt bei einem 11-jährigen Kind regelmäßig noch das Verständnis für die Rechtswidrigkeit des „Downloadens“ eines Computerspiels in das Netz. Bei der Urheberrechtsverletzung aufgrund der Nutzung eines „Filesharing“-Netzwerkes handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplexe Verletzungshandlung, die nicht allein darin besteht, eine Datei unentgeltlich aus dem Internet herunterzuladen, sondern diese bei dem Vorgang und aufgrund der Funktionsweise von einem „Filesharing“-Netzwerk wiederum gleichzeitig auch anderen Nutzern zum „Download“ anzubieten. Der genutzte Computer wird insofern Teil des Netzwerkes, über das die Datei zum „Download“ bereitgehalten wird.

Die zur Erkenntnis seiner Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht im Sinne von § 828 Abs. 3 BGB besitzt, wer nach seiner individuellen Verstandesentwicklung fähig ist, das Gefährliche seines Tuns zu erkennen und sich der Verantwortung für die Folgen seines Tuns bewusst zu sein (BGHZ 161, 180). Für die Bejahung der Einsichtsfähigkeit reicht ein allgemeines Verständnis dafür aus, dass die Handlung gefährlich ist und die Verantwortung begründen kann (BGH, VersR 1970, 374). Die Prüfung der deliktischen Verantwortlichkeit ist hierbei sorgfältig zu trennen von der erst in einem nachfolgenden Schritt vorzunehmenden Verschuldensprüfung (BGH, NJW 1970, 1038).

Nach der gesetzlichen Regelung des § 828 Abs. 3 BGB trägt der in Anspruch genommene Minderjährige, hier der Beklagte zu 2), die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen seiner Einsichtsfähigkeit zum Tatzeitpunkt (vgl. Staudinger in: Schulze, BGB, 10. Aufl. 2019, § 828 Rn. 8). Ab dem Alter von sieben Jahren wird deren Vorliegen vom Gesetz widerlegbar vermutet (BGHZ 161, 180).

Es ist unstreitig, dass es sich bei dem Beklagten zu 2) um ein im Zeitpunkt der Verletzungshandlung 11-jähriges Kind handelte. Die Kammer teilt die Einschätzung des AG Koblenz in seinem Urteil vom 19.02.2015, Az.: 164 C 1485/14 (BeckRS 2015, 17651), in einem Fall des Kopierens eines Fotos im Internet, dass einem Kind in diesem Alter – auch einem überdurchschnittlich intelligenten – regelmäßig noch das Verständnis für die Rechtswidrigkeit des „Downloadens“ eines Computerspiels im Internet fehlt. Es handelt sich bei dieser Art von Rechtsverletzung um eine der abstraktesten Verletzungen, die im Rechtsverkehr überhaupt denkbar sind. Diese Verletzung ist nicht ansatzweise vergleichbar mit Körper- oder Eigentumsverletzungen, die greifbar in der realen Umwelt geschehen und damit für Kinder anschaulich sind. Daher kann selbst dann, wenn die Eltern einem Kind die Nutzung einer Internet-Tauschbörse untersagt haben, nicht ohne weiteres von der Einsichtsfähigkeit des hiergegen verstoßenden Kindes ausgegangen werden (Reichold in: jurisPK-BGB, 9. Aufl., Stand 01.02.2020, § 828 Rn. 5 m. w. N.; ihm folgend das AG Koblenz in der genannten Entscheidung). Zwar ist der Beklagte zu 2) – nach seinem Vortrag – mehrfach darüber belehrt worden, nichts Illegales aus dem Internet herunterzuladen und sich nicht an illegalen Tauschbörsen zu beteiligen. Allerdings setzt dies voraus, dass der Beklagte zu 2) zunächst überhaupt erkennt, dass es sich bei der Plattform um eine illegale „Filesharing“-Plattform handelt, eine durchaus technisch komplexe Angelegenheit. Großen Teilen der Bevölkerung – auch der erwachsenen! – fehlt oft die Einsicht, dass ein Kopieren von Daten bzw. ihre Veröffentlichung eine Rechtsverletzung darstellt, zumal wenn man den Vortrag des Beklagten zu 2) berücksichtigt, dass er im Internet die legale kostenlose Nutzung sowie auch legale kostenlose „Downloads“ in Anspruch genommen hat. Darüber hinaus hat er nachvollziehbar vorgetragen, dass er über die vertrauenswürdig erscheinende Video-Plattform „YouTube“ eine Anleitung zur Nutzung weiterer kostenloser Spiele über das Internet gefunden hat.

Der Beweis, dass eine bestimmte Person nicht einsichtsfähig war, kann in der Regel nur über Indizien geführt werden. Das Alter der Person und die in diesem Alter typische Einsichtsfähigkeit sind regelmäßig das wichtigste und oftmals einzige Indiz für die existierende oder fehlende Einsichtsfähigkeit. Vor diesem Hintergrund hält es die Kammer für praktisch ausgeschlossen, dass ein 11-jähriges Kind versteht, dass es eine Rechtsverletzung darstellt, Computerspiele „hochzuladen“. Soweit Gerichte in vergleichbaren „Filesharing-Fällen“ die Einsichtsfähigkeit von Minderjährigen bejaht haben, betraf dies Fälle eines fast 13-Jährigen (OLG Hamm, MMR 2016, 547 = BeckRS 2016, 10876) bzw. eines 15-jährigen Jugendlichen (AG Berlin-Charlottenburg, MMR 2020, 133 = BeckRS 2019, 30392; vgl. auch insoweit Wellenhofer in: beck-online.Großkommentar, GesamtHrsg. Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Hrsg. Spickhoff, Stand 15.09.2020 § 828 Rn. 37), die nach Auffassung der Kammer nicht mit einem 11-jährigen Kind vergleichbar sind, welches altersmäßig der Jahreszahl von zehn Jahren gemäß der Regelung in § 828 Abs. 2 BGB hinsichtlich der Haftung von Minderjährigen bei fahrlässiger Verursachung von Verkehrsunfällen näher steht.

Fehlt dem Beklagten zu 2) die Verantwortlichkeit für sein Tun, haftet er weder auf Schadensersatz noch für die Abmahnkosten.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1, 91a, 92 Abs. 1, 100 ZPO.

Nachdem die Klägerin und der Beklagte zu 2) bezüglich des ursprünglichen Klageantrags zu Ziffer III. (Unterlassungsbegehren) den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war über die diesbezüglichen Kosten gemäß § 91a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dies führte insoweit zur Kostentragung des Beklagten zu 2), da dieser ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses, nämlich der Abgabe der Unterlassungserklärung vom 20.02.2019 in dem Rechtsstreit aller Voraussicht nach unterlegen wäre.

Aufgrund der von dem Beklagten zu 2) eingeräumten streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzung stand der von der Klägerin mit der Klageerweiterung geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 97 Abs. 1 UrhG gegen den Beklagten zu 2) als Täter zu. Mangels Abgabe einer Unterlassungserklärung durch den Beklagten zu 2) bis zur Einreichung der Klage war insoweit auch die erforderliche Wiederholungsgefahr zu bejahen. Da der Unterlassungsanspruch kein Verschulden bzw. eine Einsichtsfähigkeit des Beklagten zu 2) voraussetzt (vgl. Spohnheimer in: beck-online Großkommentar, a.a.O., Hrsg. Reymann, Stand: 01.08.2020, § 1004 BGB Rn. 139; Staudinger in: Schulze, BGB, 10. Aufl. 2019, Vorbem. zu §§ 823 – 853 Rn. 11), stand der Berechtigung des Unterlassungsbegehrens der Klägerin gegen den Beklagten zu 2) auch nicht die Regelung des § 828 Abs. 3 BGB entgegen. Da der Beklagte zu 2) auf die Abmahnung der Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 11.07.2018 nicht reagierte, bestand für die Klägerin auch Veranlassung zur Klageerhebung. Die Voraussetzungen des Rechtsgedankens des § 93 ZPO sind nicht erfüllt.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

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