LG Bielefeld – Az.: 4 O 365/15 – Beschluss vom 12.09.2016
Der Prozesskostenhilfeantrag des Beklagten vom 18.03.2016 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Klägerin ist Produzentin und Vermarkterin digitaler Entertainment Produkte und u.a. Rechteinhaberin an dem Computerspiel „E.“.
Der Beklagte wohnte bis 2014 im Hause seines Vaters in C.. Dort benutzte er einen PC, der der gesamten Familie zur Verfügung stand, aber im Wesentlichen durch den Beklagten benutzt wurde. Als Anschlussinhaber dieses PC ist der Vater des Beklagten eingetragen. Über diesen Anschluss wurde mehrfach an einem Tag (geltend gemacht sind insgesamt sechs Aktivitäten) über die Tauschbörse Azureus am 07.11. und 08.11.2010 das Spiel „E.“ zum Download durch andere Nutzer durch den Beklagten hochgeladen. Azureus lässt einen Download grds. nur zu, wenn gleichzeitig die Datei ihrerseits wieder zum Download angeboten wird.
Vorprozessual nahm die Klägerin zunächst erfolglos den Vater des Beklagten als Anschlussinhaber vor dem Amtsgericht Hamburg zum Az.: 25b C 530/13 in Anspruch. In dem Rechtsstreit ergab die Zeugenvernehmung, dass der Beklagte die fraglichen Dateien hochgeladen hat.
Die Klägerin ist u.a. der Ansicht, die Ersetzung der Kosten der Abmahnung des Vaters des Beklagten sowie die im Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Hamburg angefallen Kosten vom Beklagten verlangen zu können.
Sie beantragt vor diesem Hintergrund u.a. die Zahlung der Abmahnkosten neben Zahlung des Lizenzschadens.
Der Beklagte beantragt die Klage abzuweisen und beantragt vor diesem Hintergrund die Bewilligung von PKH.
Der Beklagte ist u.a. der Ansicht, eine Rechtsverletzung liege nicht vor, da ihm nicht bewusst gewesen sei, dass das Hoch- und Runterladen des Spiels über Azureus nicht erlaubt sei. Weiterhin könnten die Kosten der Abmahnung gegenüber seinem Vater sowie die im Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Hamburg entstandenen Kosten nicht von ihm verlangt werden, da die Klägerin schließlich den falschen Anspruchsgegner in Anspruch genommen habe und nicht unmittelbar ihn selbst.
Die Kammer hat die Akte des Amtsgerichts Hamburg zum Az.: 25b C 530/13 beigezogen.
II.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).
Soweit der Beklagte die Inhaberschaft der Klägerin hinsichtlich der in diesem Rechtsstreit geltend gemachten Rechte bestreitet, ist dieses Bestreiten unerheblich, weil der Beklagte keine Tatsachen darlegt, die Zweifel an der Aktivlegitimation der Klägerin begründen. Diese wiederum hat substantiiert dargelegt, von wem zu welchem Zeitpunkt durch welchen Vertrag die streitgegenständlichen Rechte an dem Computerspiel übertragen wurden. Angesichts dessen kann sich der Beklagte nicht auf ein pauschales Bestreiten der Aktivlegitimation mit Nichtwissen zurückziehen, sondern ist, wenn er die Aktivlegitimation in Zweifel ziehen will, gehalten, diese substantiiert zu bestreiten, was dem Beklagten auch ohne weiteres tatsächlich möglich wäre, indem er zu dem Spiel recherchiert. Der Beklagte trägt indes keine Umstände vor, die geeignet wären, Zweifel an der von der Klägerin substantiiert dargelegten Aktivlegitimation zu begründen.
Weiterhin bestreitet der Beklagte noch nicht einmal selbst ausdrücklich die behauptete Rechtsverletzung, nämlich die Vervielfältigung des Spiels über das Filesharing-Portal Azureus. Insoweit verweist der Beklagte selbst auf seine Aussage als Zeuge in dem Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Hamburg, Az.: 25b C 530/13, die Akte hat die Kammer im hiesigen Rechtsstreit beigezogen. Auf Seite vier des Protokolls der mündlichen Sitzung vom 20.05.2014 räumt der jetzige Beklagte zudem ein, auch das streitgegenständliche Spiel herunter geladen zu haben. Soweit sich der Beklagte damit zu verteidigen versucht, dass er nicht gewusst habe, dass das Herunterladen von Spielen über Azureus verboten ist, kann ihn dies nicht entlasten. Er hat jedenfalls fahrlässig gehandelt, denn er hätte die Berechtigung zur Nutzung des Spiels prüfen müssen. So entspricht ein Nutzer nur der üblichen Sorgfaltspflicht bei Umgang mit urheberrechtlich geschützten Werken, wenn er die Berechtigung zur Nutzung des Werks prüft und sich darüber Gewissheit verschafft (BGH, GRUR 1960, 606; GRUR 1959, 331). Gutgläubigkeit befreit vom Fahrlässigkeitsvorwurf nicht, da ein gutgläubiger Erwerb von urheberrechtlichen Nutzungsrechten und Leistungsschutzrechten ausscheidet. Das Risiko eines Sachverhalts- oder Rechtsirrtums trägt grds. der Verwerter (BGH, GRUR 2000, 699).
Auch die Verteidigung des Beklagten der Höhe nach hat keine Aussicht auf Erfolg.
Die Kosten der Abmahnung dem Vater gegenüber kann die Klägerin gem. § 97 Abs. 2 UrhG ersetzt verlangen. Die Abmahnung gegenüber dem Vater des Beklagten war zwar unberechtigt, denn dieser hat die Rechtsverletzung weder begangen, noch hatte er Kenntnis davon. Indes beruhte diese unberechtigte Abmahnung auf einer adäquat kausalen Handlung des Beklagten. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin hat der Beklagte die Rechtsverletzung über den Anschluss seines Vaters begangen. Aufgrund der bestehenden Tätervermutung in Filesharing-Fällen, hat der Beklagte damit adäquat kausal die Abmahnung des Vaters durch die Klägerin veranlasst. Durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin hinsichtlich der Abmahnung des Vaters ist ein ersatzfähiger Schaden entstanden. Soweit dieser zunächst lediglich als Freihalteanspruch bestand, hat er sich mit dem Klageabweisungsantrag in einen Zahlungsanspruch verwandelt (LG Hamburg, BeckRS 2015, 07034). Unter dem gleichen Aspekt kann die Klägerin vom Beklagten auch die Freistellung hinsichtlich der vor dem Amtsgericht Hamburg angefallenen Kosten verlangen.
Zudem ersatzfähig sind nach § 97a Abs. 3 S. 1 UrhG die erforderlichen Aufwendungen. Das beinhaltet vor allem Rechtsanwaltskosten, daneben aber auch solche, die mit der Ermittlung der Rechtsverletzung verbunden sind, etwa Detektivkosten, Kosten von technischen Dienstleistern, Gutachterkosten, Kosten für den Testkauf, Reisekosten sowie Aufwendungen für den Rechtsanwalt (vgl. amtl. Begr. BT-Drs. 16/5048).
Im Weiteren ist der Beklagte auch dazu verpflichtet, sich die nötigen Informationen zur Erfüllung des Auskunftsanspruchs im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu beschaffen. Allein der Umstand, dass der Vater ihm den Zugang zum maßgeblichen PC verweigert, dürfte zur Bejahung der Unverhältnismäßigkeit nicht genügen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, als dass sich der Beklagte unter seinem Usernamen von jedem PC aus in die Tauschbörse Azureus einloggen kann.