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Widerrufsbelehrung muss auch bei Verzicht bei Inanspruchnahme digitaler Inhalte erfolgen

Das Amtsgericht Northeim entschied, dass ein fehlende ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung vor Vertragsabschluss zum Erlöschen des Widerrufsrechts führt, selbst wenn der Verbraucher auf sein Widerrufsrecht verzichtet. Unternehmen müssen daher eine klare und verständliche Widerrufsbelehrung vor Abgabe der Vertragserklärung bereitstellen, um den Verbraucher umfassend über seine Rechte zu informieren.

→ Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 C 278/23

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung vor Vertragsabschluss ist bei Dienstleistungen zur Bereitstellung digitaler Inhalte zwingend erforderlich, selbst wenn das Widerrufsrecht durch Zustimmung des Verbrauchers erlöschen kann.
  • Die bloße Möglichkeit, auf eine Widerrufsbelehrung zu klicken, genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht. Die Belehrung muss prominent und übersichtlich vor der Vertragserklärung platziert sein.
  • Eine Checkbox mit Erklärung zum Verzicht des Widerrufsrechts stellt keine ausreichende Widerrufsbelehrung dar. Sie informiert den Verbraucher nicht umfassend über Voraussetzungen und Fristen.
  • Das Erlöschen des Widerrufsrechts nach § 356 Abs. 4 BGB setzt zwingend eine ordnungsgemäße vorherige Widerrufsbelehrung voraus. Andernfalls bleibt das Widerrufsrecht bestehen.
  • Die Bezeichnung als „Kündigung“ oder „Rücktritt“ ist unschädlich, solange die Widerrufserklärung des Verbrauchers den Willen erkennen lässt, sich nicht mehr an den Vertrag binden zu wollen.
  • Eine verspätete Übermittlung der Widerrufsbelehrung nach Vertragsabschluss ist nicht ausreichend. Die Belehrung muss vor der Vertragserklärung des Verbrauchers erfolgen.

Widerrufsrecht: Verzicht auf Widerruf muss ordnungsgemäß erklärt werden

Widerrufsbelehrung
(Symbolfoto: Andrey_Popov /Shutterstock.com)

Wenn Verbraucher digitale Produkte oder Dienstleistungen online bestellen, haben sie in der Regel ein gesetzliches Widerrufsrecht. Dieses Recht ermöglicht es ihnen, den Vertrag innerhalb einer bestimmten Frist ohne Angabe von Gründen rückgängig zu machen. Allerdings gibt es Ausnahmen, bei denen das Widerrufsrecht vorzeitig erlöschen kann – etwa wenn der Verbraucher ausdrücklich auf die Ausübung des Rechts verzichtet.

Ob ein solcher Verzicht rechtens ist und welche Voraussetzungen dafür gelten, ist nicht immer ganz klar. Die Gerichte haben hierzu bereits einige wichtige Entscheidungen getroffen, die Verbrauchern und Unternehmen mehr Rechtssicherheit geben. Im Folgenden wird ein aktuelles Urteil zu dieser Thematik vorgestellt und analysiert.

Der Fall vor dem Amtsgericht Northeim im Detail

Fehlende Widerrufsbelehrung führt zu wirksamem Widerruf trotz Verzichtserklärung

In einem Fall vor dem Amtsgericht Northeim (Az.: 3 C 278/23) ging es um die Rechtmäßigkeit einer Widerrufserklärung im Zusammenhang mit einem Online-Coaching-Vertrag. Die Klägerin, Betreiberin einer Plattform für digitale Inhalte, verlangte von der Beklagten die Zahlung ausstehender Raten für ein Online-Coaching, nachdem diese den Vertrag widerrufen hatte. Die Klägerin argumentierte, dass das Widerrufsrecht der Beklagten aufgrund einer Verzichtserklärung während des Bestellvorgangs erloschen sei.

Die Beklagte hatte im Februar 2022 ein 12-monatiges Online-Coaching mit dem Titel „Das Matrix-Prinzip“ zum Preis von 1.648,32 € bestellt. Während des Bestellvorgangs musste sie per Checkbox explizit zustimmen, dass die Ausführung des Vertrags vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnen soll und ihr dadurch das Widerrufsrecht erlischt. Im März 2022 widerrief die Beklagte den Vertrag, nachdem bereits eine Rate per Lastschrift eingezogen worden war.

Gericht betont Wichtigkeit der ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung

Das Amtsgericht Northeim gab der Beklagten Recht und bestätigte die Wirksamkeit ihres Widerrufs. Zentrale Begründung des Gerichts war die fehlende ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung vor Vertragsabschluss. Zwar erkannte das Gericht an, dass die Voraussetzungen für ein Erlöschen des Widerrufsrechts gemäß § 356 Abs. 4 BGB grundsätzlich erfüllt waren (ausdrückliche Zustimmung, Kenntnisnahme des Erlöschens).

Jedoch betonte das Gericht, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) eine weitere Voraussetzung für das Erlöschen des Widerrufsrechts fordert: das Vorliegen einer formell ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung. Die bloße Erklärung zum Verzicht des Widerrufsrechts, wie im vorliegenden Fall durch die Checkbox, sei nicht ausreichend, da der Verbraucher dadurch nicht umfassend über seine Rechte informiert werde.

Mangelhafte Widerrufsbelehrung führt zur Unwirksamkeit des Verzichts

Das Gericht bemängelte, dass die Klägerin die Widerrufsbelehrung nicht klar und verständlich vor Abgabe der Vertragserklärung zur Verfügung gestellt hatte. Weder oberhalb des Bestellbuttons noch an anderer prominenter Stelle auf der Webseite fand sich ein Hinweis auf das Widerrufsrechts oder die Belehrung selbst. Lediglich am Ende der Webseite war in kleiner Schrift ein Link zur Widerrufsbelehrung versteckt. Auch die nachträgliche Zusendung der Widerrufsbelehrung mit der Bestellbestätigung genügte den Anforderungen nicht.

Aufgrund der mangelhaften Widerrufsbelehrung konnte die Verzichtserklärung der Beklagten nicht wirksam werden. Ihr Widerrufsrecht erlosch somit nicht, und sie konnte den Vertrag fristgerecht widerrufen.

Konsequenzen: Anspruch auf Zahlung und Verzugszinsen entfallen

Die Entscheidung des Gerichts hat zur Folge, dass der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung aus dem Vertrag und auf Verzugszinsen nicht zustehen. Das Gericht betonte, dass eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung auch dann zwingend erforderlich ist, wenn der Verbraucher auf sein Widerrufsrecht verzichtet.

✔ FAQ zum Thema: Widerrufsrecht bei Online-Bestellungen


Was ist ein Widerrufsrecht und wann kann es ausgeübt werden?

Das Widerrufsrecht ermöglicht es Verbrauchern, einen online oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag innerhalb einer Frist von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen zu widerrufen.

Die Widerrufsfrist beginnt, sobald der Verbraucher ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt wurde. Dies muss in einer klaren und verständlichen Sprache erfolgen. Bei Dienstleistungsverträgen beginnt die Frist mit Vertragsabschluss.

Das Widerrufsrecht gilt grundsätzlich auch für digitale Inhalte und Dienstleistungen, die per Download bereitgestellt werden. Allerdings kann es unter bestimmten Voraussetzungen erlöschen, wenn der Verbraucher beispielsweise ausdrücklich zustimmt, dass mit der Vertragserfüllung vor Ablauf der Widerrufsfrist begonnen wird.

Die Möglichkeit des Widerrufs soll Verbrauchern eine Überlegungs- und Prüffrist einräumen, insbesondere bei Fernabsatzverträgen ohne unmittelbare Inaugenscheinnahme der Ware.


Warum ist eine formgerechte Widerrufsbelehrung entscheidend?

Eine formgerechte Widerrufsbelehrung ist aus folgenden Gründen entscheidend:

Voraussetzung für wirksamen Fristbeginn
Die Widerrufsfrist von 14 Tagen beginnt erst dann zu laufen, wenn der Verbraucher ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt wurde. Eine fehlerhafte oder fehlende Belehrung führt dazu, dass die Widerrufsfrist gar nicht in Gang gesetzt wird.

Verlängerung der Widerrufsfrist
Ist die Widerrufsbelehrung fehlerhaft, verlängert sich die reguläre 14-tägige Widerrufsfrist auf maximal 12 Monate und 14 Tage. Innerhalb dieses Zeitraums kann der Vertrag noch widerrufen werden, selbst wenn die ursprüngliche Frist bereits abgelaufen ist.

Ewiges Widerrufsrecht vermeiden
Eine vollständig fehlende oder grob fehlerhafte Belehrung kann sogar dazu führen, dass das Widerrufsrecht unbefristet fortbesteht. Dies wäre für den Unternehmer mit erheblicher Rechtsunsicherheit verbunden.

Beweislast beim Unternehmer
Die Beweislast für eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung liegt beim Unternehmer. Kann er diese nicht erbringen, geht dies zu seinen Lasten.

Eine korrekte Widerrufsbelehrung ist somit essentiell, um Rechtssicherheit für beide Vertragsparteien zu schaffen und die Ausübung des Widerrufsrechts innerhalb der gesetzlichen Fristen zu ermöglichen.


Wie wird das Widerrufsrecht bei digitalen Inhalten gehandhabt?

Das Widerrufsrecht bei digitalen Inhalten wie E-Books, Software oder Musikdateien wird wie folgt gehandhabt:

Das Widerrufsrecht besteht grundsätzlich für 14 Tage nach Vertragsschluss. Es kann jedoch unter bestimmten Voraussetzungen vorzeitig erlöschen:

Wenn der Verbraucher mit Geld bezahlt hat, erlischt das Widerrufsrecht, wenn:

1) Der Verbraucher ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer mit der Vertragserfüllung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt.

2) Der Verbraucher seine Kenntnis bestätigt hat, dass sein Widerrufsrecht mit Beginn der Vertragserfüllung erlischt.

3) Der Unternehmer dem Verbraucher eine Bestätigung über das Erlöschen des Widerrufsrechts auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt hat.

Wenn der Verbraucher mit personenbezogenen Daten bezahlt hat, erlischt das Widerrufsrecht, sobald der Unternehmer mit der Vertragserfüllung, also der Bereitstellung des digitalen Inhalts, begonnen hat.

In beiden Fällen muss der Verbraucher vor Vertragsschluss ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht und die Voraussetzungen für dessen vorzeitiges Erlöschen belehrt werden. Die Belehrung ist auch dann erforderlich, wenn die Voraussetzungen für ein Erlöschen vorliegen.

Die Regelungen sollen Rechtssicherheit für Unternehmer schaffen, da digitale Inhalte nach Übermittlung kaum zurückgefordert werden können. Gleichzeitig wird ein angemessener Verbraucherschutz gewährleistet.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 312c BGB (Fernabsatzverträge): Der Paragraph regelt Fernabsatzverträge, welche Verträge umfassen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden. Dies ist relevant, da der Vertrag über digitale Dienstleistungen zwischen der Klägerin und der Beklagten ein solcher Fernabsatzvertrag ist.
  • § 356 Abs. 4 BGB (Erlöschen des Widerrufsrechts): Dieser Paragraph bestimmt die Bedingungen, unter denen das Widerrufsrecht bei bestimmten Vertragstypen, einschließlich digitaler Inhalte, erlöschen kann. Im vorliegenden Fall ist diese Bestimmung zentral, da sie die Grundlage für die Argumentation der Klägerin bildet, dass das Widerrufsrecht der Beklagten erloschen sei.
  • § 312d BGB in Verbindung mit Art. 246a EGBGB: Diese Regelungen fordern eine klare und verständliche Widerrufsbelehrung vor Vertragsabschluss. Der Fall betont die Wichtigkeit einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung, die im konkreten Fall fehlte, was zentral für das Urteil war.
  • Art. 246a § 1 Abs. 2 und § 4 Abs. 1 EGBGB: Diese Artikel legen fest, welche Informationen der Unternehmer dem Verbraucher vor Abgabe der Vertragserklärung zur Verfügung stellen muss. Im spezifischen Kontext des Falles war die ordnungsgemäße Bereitstellung dieser Informationen nicht gegeben, was zur Wirksamkeit des Widerrufs der Beklagten führte.
  • § 327 BGB (Zahlungsanspruch bei digitalen Produkten): Dieser Paragraph könnte auf den ersten Blick relevant erscheinen, weil er die Zahlungsverpflichtungen bei digitalen Produkten thematisiert. Allerdings bestand aufgrund des wirksamen Widerrufs kein Zahlungsanspruch.
  • § 91 Abs. 1 ZPO (Kostenentscheidung): Regelt die Kostenverteilung in einem Gerichtsverfahren. Da das Gericht der Beklagten Recht gab, wurden der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Dies verdeutlicht die finanziellen Konsequenzen einer unzureichenden rechtlichen Grundlage bei Vertragsgestaltungen.


➜ Das vorliegende Urteil vom Amtsgericht Northeim

AG Northeim – Az.: 3 C 278/23 – Urteil vom 21.03.2024

1. Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Northeim vom 11.1.2024 bleibt aufrechterhalten.

2. Die Klägerin trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird gestattet, die vorläufige Vollstreckung durch die Beklagte wegen ihrer Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung eines Betrages aus einem Dienstleistungsvertrag über digitale Produkte.

Die Klägerin ist Betreiberin einer Plattform, auf welcher digitale Inhalte angeboten werden und der Zugang zu diesen erworben werden kann. Am 26.02.2022 wählte die Beklagte ein 12-monatiges Online-Coaching mit dem Titel „Das Matrix-Prinzip“ zu einem Preis von 1.648,32 €. Während des Bestellvorgangs war die Beklagte dazu verpflichtet, per Checkbox dem folgenden Zusatz zuzustimmen:

„Ich stimme zu und verlange ausdrücklich, dass Sie vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Ausführung des Vertrages beginnen. Mir ist bekannt, dass ich dadurch bei Downloadprodukten und digitalen Inhalten mit Beginn der Ausführung des Vertrages und bei Dienstleistungen bei vollständiger Erfüllung des Vertrages mein Widerrufsrecht verliere. “

Ohne das Ankreuzen dieses Zusatzes wäre es der Beklagten nicht möglich gewesen, den Bestellvorgang zu beenden. Sie erteilte ihre Zustimmung und fuhr fort, indem sie die digitalen Inhalte per Mausklick über die Webseite der Klägerin bestellte. Die Zahlung sollte per Lastschriftmandat zu 12 monatlichen Raten von 137,36 € erfolgen. Eine Bestellbestätigung inklusive der Widerrufsbelehrung und einer Bestätigung des Verzichts des Widerrufsrechts wurden der Beklagten durch die Klägerin per E-Mail übermittelt.

In einem Schreiben vom 11.03.2022 erklärte die Beklagte die Kündigung der Leistung der Klägerin und den Rücktritt. Zu diesem Zeitpunkt hat die Klägerin bereits eine Rate vom Bankkonto der Beklagten eingezogen. Dieser Lastschrift hat die Beklagte widersprochen und der Betrag wurde auf ihr Konto zurück gebucht. Es wurden keine weiteren Zahlungen der Beklagten geleistet.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte sei weiterhin aus dem Vertrag verpflichtet, eine Zahlung in Höhe von 1373,60 € zu leisten. Sie habe den Vertrag nicht widerrufen können, da ihr Widerrufsrecht bereits vorzeitig erloschen sei. Die in dem Bestellformular enthaltene Verzichterklärung verstoße nicht gegen die gesetzlichen Regelungen über das Widerrufsrecht von Verbrauchern.

Die Klägerin hat ursprünglich beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 1.373,60 € aus dem Vertrag nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.07.2022 sowie zur Zahlung von 159,30 € vorgerichtlicher Kosten zu verurteilen.

Im Termin vom 11.01.2024 ist Versäumnisurteil gegen die Klägerin ergangen. Ihr hiergegen gerichteter Einspruch ist am 19.01. bei Gericht eingegangen.

Nunmehr beantragt die Klägerin,

1. das Versäumnisurteil vom 11.01.2024 aufzuheben,

2. die Beklagte zu einer Zahlung von 1.373,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.07.2022 zu verurteilen, sowie

3. die Beklagte zu einer Zahlung von 159,30 € bezüglich vorgerichtlich entstandener Kosten zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil vom 11.01.2024 aufrecht zu erhalten und der Klägerin die weiteren Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Sie ist der Auffassung, die Klägerin habe durch das Vorgehen mit der Checkbox gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen und somit sei das Widerrufsrecht nicht erloschen. Indem die Klägerin das Widerrufsrecht nach den §§ 312 g, 355 BGB in ihrem Bestellformular von vornherein für das Auslösen einer Bestellung nicht ermögliche, umgehe sie das gesetzlich zu gewähren Widerrufsrecht. Die Klägerin schließe auf diese Weise die Wahlmöglichkeit des Verbrauchers, eine Bestellung unter Inanspruchnahme des gesetzlichen Widerrufsrechts oder aber unter Verzicht auf das Widerrufsrecht vorzunehmen aus. Die Beklagte habe den Vertrag wirksam widerrufen können.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Auf den zulässigen Einspruch hin erweist sich die zulässige Klage als unbegründet.

I.

Der Einspruch ist zulässig gemäß § 341 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Der Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 17.01.2024 ist gemäß § 338 ZPO statthaft. Es war das erste Versäumnisurteil gegen die Klägerin, ihr steht der Einspruch zu. Des Weiteren sind auch die Form gemäß § 340 Abs. 1, 2 ZPO und die Frist gemäß § 339 Abs. 1 ZPO gewahrt.

II.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Amtsgerichts Northeim gemäß §§ 12, 13 ZPO das örtlich zuständige Gericht, da sich der Wohnsitz der Beklagten in N.-H. befindet. Zudem ist das Amtsgericht Northeim auch gemäß § 23 Nr. 1 GVG sachlich zuständig, da der Zuständigkeitsstreitwert gemäß §§ 3, 4 ZPO 1.373,60 € beträgt und somit die Summe von 5.000,00 € nicht übersteigt.

Die Klägerin ist als GmbH gemäß § 50 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 13 Abs. 1 GmbHG parteifähig. Sie selbst ist nicht gemäß §§ 51 Abs. 1, § 52 ZPO Prozessfähig, kann sich jedoch gemäß § 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG durch ihren Geschäftsführer vertreten lassen.

III.

Die Klage ist indes nicht begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu.

1.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung durch die Beklagte aus dem Vertrag über digitale Dienstleistungen gemäß § 327 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat den Vertrag wirksam widerrufen.

Gemäß § 327 Abs. 1 BGB kann der Unternehmer vom Verbraucher bei Vertragsschluss Zahlung eines Preises für die Bereitstellung digitaler Produkte verlangen. Ein entsprechender Vertrag ist unstreitig am 26.02.2022 zwischen der Klägerin und der Beklagten über die Webseite der Klägerin mittels eines Fernabsatzvertrages gemäß § 312c BGB zustande gekommen. Der Vertrag beinhaltete die Bereitstellung einer digitalen Dienstleistung, denn er ermöglichte der Beklagten den Zugang zu Daten in digitalen Form wie Videos und weiteren Programmen.

Diesen Vertrag konnte die Beklagte fristgerecht mit der E-Mail vom 11.03.2022 widerrufen. Die Bezeichnungen des Widerrufs als Kündigung oder als Rücktritt in der E-Mail der Beklagten vom 11.03.2022 sind nicht schädlich. Die Widerrufserklärung durch einen Verbraucher muss nicht notwendig den Begriff „Widerruf“ beinhalten. Es genügt, dass aus dem Schreiben das Begehren des Erklärenden hervorgeht, dass sich dieser von dem Vertrag nicht weiterhin binden lassen möchte (BGH NJW 2017, 2337).

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin konnte das Widerrufsrecht nicht wirksam gemäß § 356 Abs. 4 BGB erlöschen. Zwar sind die Voraussetzungen wie die ausdrückliche Zustimmung zur Erbringung der Dienstleistung vor Ablauf der Widerrufsfrist, die Übermittlung der Zustimmung auf einem dauerhaften Datenträger und die Kenntnisnahme des Erlöschens des Widerrufsrechts mit vollständiger Vertragserfüllung gegeben. Auch die vollständige Leistungserbringung durch die Klägerin erfolgte via E-Mail durch die Übersendung der Zugangsdaten zu den digitalen Dienstleistungen auf der Webseite der Klägerin.

Allerdings knüpft die Rechtsprechung des BGH eine weitere Voraussetzung an das Erlöschen des Widerrufsrechts nach § 356 Abs. 4 BGB, und zwar das Vorliegen einer formell ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung (BGH Urt. v. 26.11.2020, I ZR 169/19, Rn. 67). Entsprechend verweist der § 312d Abs. 1 S. 1 BGB auf die Vorgaben des Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB. Demnach ist der Unternehmer dazu verpflichtet, ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht zu belehren, auch wenn dieses gemäß § 356 Abs. 4 BGB erlöschen kann.

Eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung vor dem Vertragsabschluss gemäß § 312d Abs. 1 S. 1 BGB, Art, 246a EGBGB liegt in diesem Fall nicht vor. Gemäß Art. 246a § 4 Abs. 1 EGBGB ist der Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher die erforderlichen Informationen vor Abgabe seiner Vertragserklärung in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung zu stellen. Bereits oberhalb des Bestellbuttons muss dem Verbraucher die Möglichkeit eröffnet sein, von seinem Widerrufsrecht Kenntnis zu nehmen, sodass er vor Absenden der Bestellung umfassend informiert ist. Der Anlage B7 aus der Klageerwiderung ist zu entnehmen, dass oberhalb des Bestellbuttons nicht auf ein Widerrufsrecht hingewiesen wurde. Weder die Belehrung selbst, noch ein entsprechender Link sind zu finden. Lediglich am Ende der Webseite ist in kleinerer Schrift ein Link zur Widerrufsbelehrung zu finden.

Die Zusendung der Widerrufsbelehrung innerhalb der Bestellbestätigung ist ebenfalls nicht ordnungsgemäß, denn sie ist nach Vertragsabschluss, also verspätet, zugegangen.

Die Erklärung über den Widerrufsverzicht, welcher innerhalb des Online-Bestellformulars per Checkbox abgehakt werden muss, kann nicht auch als Hinweis auf das Widerrufsrecht und als umfassende Widerrufsbelehrung gewertet werden. Dem Verbraucher wird dadurch lediglich verdeutlicht, dass kein Widerrufsrecht besteht. Über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB wird der Verbraucher dadurch nicht informiert. Ihn trifft durch diesen Hinweis auch nicht die Verpflichtung, eine Widerrufsbelehrung auf der Webseite zu suchen. Die Formulierung gab der Beklagten Anlass, davon auszugehen, dass ihr ohnehin kein Widerrufsrecht zusteht.

Der Widerruf erfolgt auch innerhalb der Frist des § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB.

2.

Des Weiteren kann die Klägerin keine Verzugszinsen gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 BGB geltend machen. Es ist keine zu verzinsende Hauptforderung gegeben.

3.

Die Klägerin hat auch kein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Kosten in Höhe von 159,30 € aus §§ 280 Abs. 2, 286 BGB. Ihr steht bereits die Hauptforderung nicht zu.

IV.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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