AG Frankfurt – Az.: 32 C 763/19 (90) – Urteil vom 23.05.2019
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt Schadensersatz unter Berufung auf eine Urheberrechtsverletzung durch Nutzung eines so genannten File-Sharing-Systems.
Der Beklagte ist Inhaber eines Internet-Anschlusses. Mit Schreiben vom 19.03.2015 mahnten die Bevollmächtigten der Klägerin ihn mit der Begründung ab, er habe über diesen Internetanschluss einen Urheberrechtsverstoß dadurch begangen, dass er zu 10 verschiedenen Zeitpunkten im Zeitraum zwischen dem 09.11.2014 und dem 16.01.2015 im Rahmen eines so genannten File-Sharing-Systems das Computerspiel „…“ aus dem Internet heruntergeladen und dadurch zugleich anderen Benutzern zum Herunterladen zur Verfügung gestellt habe, ohne über die erforderliche Lizenz zu verfügen. In dem fraglichen Zeitraum lebte der Beklagte in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehefrau (geboren 1976) und seinen beiden Töchtern (geboren 1998 und 2006), die eigenständigen Zugriff auf seinen Internetanschluss hatten. Dazu wurden im Haushalt des Klägers 7 internetfähige Endgeräte verwendet (1 Computer, 2 Laptops, 4 Mobiltelefone).
Die Klägerin behauptet, sie sei Inhaberin der Rechte an der Software „…“. Sie behauptet weiter, über den Internetanschluss des Beklagten sei zu 10 verschiedenen Zeitpunkten im Zeitraum zwischen dem 09.11.2014 und dem 16.01.2015 diese Software zum Download bereitgestellt worden; für die genauen Zeitpunkte wird insofern auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 22.11.2018 Bezug genommen. Die Klägerin ist der Ansicht, ein Beweis des ersten Anscheins spreche dafür, dass der Beklagte als Anschlussinhaber die Urheberrechtsverletzung begangen habe. Die Klägerin meint weiter, im Rahmen der Lizenzanalogie stehe ihr ein Schadensersatzanspruch zu, von dem sie einen Teilbetrag in Höhe von 900,00 € geltend macht. Daneben macht sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung in Höhe von 984,60 € (1,3 fache Gebühr aus einem Gegenstandswert von 20.00,00 € zuzüglich Auslagenpauschale) geltend.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen,
1. an sie einen Betrag von 984,60 € nebst jährlicher Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31. März 2015 zu zahlen,
2. an sie einen weiteren Betrag über 900,00 € nebst jährlicher Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 31. März 2015 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bestreitet sowohl die Aktivlegitimation der Klägerin als auch die Zuverlässigkeit der zur Ermittlung der IP-Adressen verwendeten Systeme. Der Beklagte behauptet, sowohl seine Ehefrau als auch seine Kinder hätten ihm auf Nachfragen versichert, das streitgegenständliche Computerspiel nicht heruntergeladen zu haben und auch gar nicht zu kennen. Er habe seine Kinder bei Erhalt des ersten internetfähigen Gerätes über illegale Downloads belehrt und ermahnt, aus dem Internet nichts herunterzuladen.
Für den weiteren Vortrag der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 11.01.2017 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Der geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie gemäß § 97 Abs. 2 UrhG steht der Klägerin ebenso wenig zu wie ein Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten gemäß § 97 a Abs. 3 UrhG.
Ob tatsächlich über den Internetanschluss des Beklagten die Software „…“ zum Herunterladen zur Verfügung gestellt wurde, kann offen bleiben, da jedenfalls nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit feststeht, dass der Beklagte auch Täter dieser Urheberrechtsverletzung war. Insofern liegt die Darlegungs-und Beweislast grundsätzlich bei der Klägerin (BGH, Urteil vom 8. Januar 2014, I ZR 169/12 („BearShare“); BGH, Urteil vom 11.06.2015, I ZR 75/14 („Tauschbörse III“), zitiert nach juris).
Entgegen der Auffassung der Klägerin greift zulasten des Beklagten auch kein Beweis des ersten Anscheins ein. Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, ist eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers dann nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten (BGH a.a.O.); etwa, weil der Anschluss bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde (vgl. BGH a.a.O.).
Den Beklagten trifft als Inhaber des Internetanschlusses allerdings eine sekundäre Darlegungslast. Diese führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (BGH a.a.O.).
Dabei reicht es nicht aus, wenn der Anschlussinhaber darlegt, dass bestimmte Personen im Allgemeinen eine Nutzungsmöglichkeit haben, sondern es kommt konkret auf die Situation zum Verletzungszeitpunkt an (BGH, Urteil vom 11.06.2015, I ZR 75/14).
Diesen Anforderungen ist der Beklagte im vorliegenden Fall nachgekommen. Er hat konkret und unter Benennung der verschiedenen verwendeten Endgeräte dargelegt, dass sowohl seine Ehefrau als auch seine beiden – seinerzeit 16 und 8 Jahre alten – Kinder im fraglichen Zeitraum in seinem Haushalt lebten, selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und damit grundsätzlich als Täter der geltend gemachten Urheberrechtsverletzung in Betracht kommen. Zudem hat der Beklagte zum Nutzungsverhalten der Familienmitglieder auch dargelegt, dass die Familie über mehrere Spielekonsolen (Nintendo DS, Wii, Playstation 2 und 4) verfügte und diese für Computerspiele nutzte.
Der Beklagte hat zwar keine konkreten Ausführungen dazu gemacht, welche Familienmitglieder zu den einzelnen Tatzeitpunkten zuhause waren und seinen Internetanschluss nutzten. Dies ist ihm aber auch nicht zumutbar, da die Abmahnung vom 19.03.2015 datiert und damit in einem zeitlichen Abstand von zwei bis vier Monaten zu den fraglichen Vorfällen liegt. Nach Ablauf von bis zu vier Monaten noch zuverlässig nachzuvollziehen, welches von vier Familienmitgliedern zu einem bestimmten Zeitpunkt „im Netz“ war, noch dazu mit einem mobilen Endgerät, ist bei realistischer Betrachtung kaum möglich.
Der Beklagte hat ferner vorgetragen, dass er seine Ehefrau und seine Kinder zu den streitgegenständlichen Rechtsverstößen befragt habe, die diese ihm gegenüber jedoch verneint hätten.
Darüber hinausgehende Nachforschungspflichten treffen den Beklagten nicht. Insbesondere obliegt es ihm nicht, zugunsten der Klägerin den tatsächlichen Täter zu ermitteln und ihn der Klägerin zu benennen. Über eine Nachfrage hinausgehende Möglichkeiten der Nachforschung sind – jedenfalls im Verhältnis zur Ehefrau des Beklagten – auch nicht ersichtlich.
Die Nebenentscheidungen über Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.