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Schadensersatzanspruch Abbruchjäger bei vorzeitigem Auktionsabbruch

LG Essen – Az.: 2 O 128/17 – Urteil vom 04.09.2018

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Schadensersatzansprüche aus einem über die Internetplattform F geschlossenen Kaufvertrag.

Der Kläger war im Jahr 2014 F-Nutzer unter dem Mitgliedsnamen „Q“, der Beklagte verwandte den Mitgliedsnamen „N“. Im Oktober 2014 stellte der Beklagte einen PKW Audi TT S-Line Coupe, Erstzulassung im Januar 2007, mit einem Kilometerstand von 129.000 km auf der F-Plattform im Auktionsformat zu einem Startpreis in Höhe von einem Euro ein. In seiner Artikelbeschreibung gab der Beklagte an, dass ein Sofort-Kauf möglich sei. Eine Sofort-Kaufen-Option, wie es die Plattform ermöglicht, aktivierte der Kläger jedoch bei dem Angebot nicht.

In § 6 der im Jahr 2014 geltenden AGB der F-Plattform heißt es hinsichtlich von Auktionen wie folgt:

2. Stellt ein Verkäufer mittels der F-Dienste einen Artikel im Auktions- oder Festpreisformat ein, so gibt er ein verbindliches Angebot zum Abschluss eines Vertrages über diesen Artikel ab. Dabei bestimmt er einen Start- bzw. Festpreis und eine Frist, binnen derer das Angebot angenommen werden kann (Angebotsdauer). Legt der Verkäufer beim Auktionsformat einen Mindestpreis fest, so steht das Angebot unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Mindestpreis erreicht wird.

3. Der Verkäufer kann Angebote im Auktionsformat zusätzlich mit einer Sofort-Kaufen-Funktion versehene. Diese kann von einem Käufer ausgeübt werden, solange noch kein Gebot auf den Artikel abgegeben oder ein Mindestpreis noch nicht erreicht wurde. […]

5. Bei Aktionen nimmt der Käufer das Angebot durch Abgabe eines Gebots an. Die Annahme erfolgt unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Käufer nach Ablauf der Angebotsdauer Höchstbietender ist. Ein Gebot erlischt, wenn ein anderer Käufer während der Angebotsdauer ein höheres Gebot abgibt.

6. Bei vorzeitiger Beendigung des Angebots durch den Verkäufer kommt zwischen diesem und dem Höchstbietenden ein Vertrag zustande, es sei denn, der Verkäufer war dazu berechtigt, da Angebot zurückzunehmen und die vorliegenden Gebote zu streichen.

Der Kläger gab als Maximalgebot für das streitgegenständliche Fahrzeug einen Betrag in Höhe von 5.995 Euro an. Am 26.10.2014 beendete der Beklagte diese F-Auktion vorzeitig. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger mit seinem Angebot in Höhe von 4.454 Euro Höchstbietender. Die Parteien sind sich nunmehr darüber einig, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Auktion einen Wert in Höhe von 11.954 Euro hatte.

Der Kläger behauptet, er habe im Anschluss an die Auktion über das Nachrichtensystem von F am 29.10.2014 die Herausgabe des PKW Zug-um-Zug gegen Zahlung des Kaufpreises erfolglos verlangt. Der Kläger habe so dann den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und Schadensersatz in Höhe von 7500 Euro mit Fristsetzung zum 27.11.2014 gefordert.

Der Kläger hat ohne weitere Kontaktaufnahme mit dem Beklagten mit Schriftsatz vom 5.5.2017 Klage erhoben.

Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 7500 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.11.2014 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, er habe sich den Zwischenverkauf in seinem Angebot vorbehalten und das Fahrzeug am 26.10.2014 an einen Dritten verkauft und übereignet. Aus diesem Grund habe er die Auktion abends abgebrochen. Er behauptet weiter, der Kläger sei ein sogenannter Abbruchjäger, der bei seinen Angeboten ausschließlich auf Schadensersatz bei Abbruch der Auktion aus sei und nicht auf die Erfüllung des Vertrages. Er ist der Ansicht, das Verhalten des Klägers sei rechtsmissbräuchlich.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Insbesondere wird auf die vorgelegten Urteile nebst Protokollen der mündlichen Verhandlungen diverser Verfahren unter Beteiligung des Klägers Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Schadensersatzanspruch Abbruchjäger bei vorzeitigem Auktionsabbruch
(Symbolfoto: Von 13_Phunkod/Shutterstock.com)

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von 7500 Euro gemäß §§ 437, 281 Abs. 1, 280 Abs. 1 und Abs. 3 BGB.

Zwischen den Parteien ist zwar ein Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug zustande gekommen, in dem der Kläger Höchstbietender war, als der Beklagte die Internetauktion vorzeitig ohne hinreichende Gründe abgebrochen hat. Dies geht aus § 6 der AGB der F-Plattform, welche den auf dieser Plattform abgewickelten Auktionen im Jahr 2014 zugrunde liegen, hervor.

Dass es der Kläger war, der unter dem Namen „Q“ gehandelt hat, ist nach anfänglichem Bestreiten des Beklagten zwischenzeitlich unstreitig geworden. Dies geht aus den Schriftsätzen des Beklagten beispielsweise vom 27.10.2017 und 6.11.2017 hervor, in dem er in diesen Schriftsätzen den Kläger mit dem Pseudonym „Q“ gleichsetzt und sich Feststellungen anderer Verfahren über das Verhalten des Klägers mit dem Pseudonym „Q“ zu eigen macht.

Der Beklagte hat zudem die streitgegenständliche Auktion nicht in berechtigter Art und Weise abgebrochen. Er kann sich nicht darauf berufen, sich in seiner Anzeige vorbehalten zu haben, dass ein Sofort-Kauf möglich sei.

Der Begriff des Sofort-Kaufs ist bei Internetauktionen bei F ein stehender Begriff für eine Option, die bei Internetauktionen gewählt werden kann und bei der vor dem eigentlichen Auktionsbeginn, das heißt vor Abgabe des ersten Gebots der betreffende Artikel auch zu einem bestimmten Preis direkt beim Verkäufer erworben werden kann. Diese Option hat der Beklagte bei seiner Internetauktion unstreitig nicht gewählt. Der Beklagte hat in seiner Artikelbeschreibung mitgeteilt, dass ein Sofort-Kauf möglich sei. Dies kann von einem F-Nutzer nur als Hinweis auf die oben genannte Funktion verstanden werden und  nicht als Hinweis darauf, dass der entsprechende Artikel beliebig anderweitig und insbesondere neben der laufenden Auktion verkauft werden kann. Dies widerspricht grundlegend dem Wesen einer Internetauktion und den AGB der F-Plattform, nach der Internetauktionen immer nur unter bestimmten, engen Voraussetzungen abgebrochen werden können.

Der Beklagte hat sich demnach durch den bewussten Abbruch der Auktion ohne berechtigten Grund selbst nicht rechtskonform verhalten und wie das OLG Hamm in seiner Entscheidung vom 30.10.2014, Az.  28 U 199/13 beschreibt, selbst die Voraussetzungen für den eigentlichen Schadensersatzanspruch des Klägers gesetzt.

Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass der Kläger als sogenannter Abbruchjäger durch die Geltendmachung seines Schadensersatzanspruchs rechtsmissbräuchlich handelte und sich daher nicht auf das pflichtwidrige Verhalten des Beklagten berufen kann.

Die Annahme eines Rechtsmissbrauchs erfordert eine sorgfältige und umfassende Prüfung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls und muss auf besondere Ausnahmefälle beschränkt werden (BGH, Urteil vom  12.11.2014, Az. VIII ZR 42/14). Ein Schadensersatzanspruchsverlangen eines sogenannten Abbruchjägers kann im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein (LG Görlitz, Urteil vom 8.7.2015, Az. 2 S 213/14; BGH Urteil vom 24.8.2016, VIII ZR 182/15).

Als Abbruchjäger werden Vertragsparteien bei Internetauktionen bezeichnet, die nicht die Erfüllung des jeweiligen Kaufvertrages begehren, sondern im Falle eines unberechtigten Abbruchs einer Auktion auf den darauffolgenden Schadensersatzanspruch spekulieren. Ihm fehlen das Erfüllungsinteresse und damit der eigentliche Rechtsbindungswille. Indizien für das Vorliegen einer Abbruchjagd und damit eines fehlenden Rechtsbindungswillens ist die Tatsache einer Vielzahl von Internetauktionen, die die jeweilige Person betreibt, die Divergenz zwischen dem jeweiligen Wert des Kaufgegenstandes und des angegebenen Maximalgebots und das lange Zuwarten der gerichtlichen Geltendmachung. Abzugrenzen ist der Abbruchjäger vom sogenannten Schnäppchenjäger, welcher zwar ebenfalls ein geringes Maximalgebot angibt, um nur im Falle eines „Schnäppchens“ den Zuschlag zu erhalten, aber durchaus ein Erfüllungsinteresse hat, da er an dem Erhalt des Kaufgegenstandes interessiert ist und lediglich Gegenstände zu besonders günstigen Preisen erwerben möchte.

Vorliegend wertet die Kammer das Verhalten des Klägers als das eines Abbruchjägers. Aus betreffend mit dem hiesigen Geschehen im zeitlichen Zusammenhang stehenden Parallelverfahren geht hervor, dass der Kläger im Jahr 2014 monatlich auf 300-350 Artikel pro Monat geboten hat, eine Vielzahl im hochpreisigen Segment und ebenfalls wie vorliegend im Bereich der Automobile und des Automobilzubehörs, ohne beruflich in dem Automobilsektor tätig zu sein. Seinen Beruf gibt der Kläger als psychologischer Berater an. Die jeweils aktuell wirksamen Gebote hatten teilweise einen Wert von zwischen 10.000 Euro und 30.000 Euro. Tatsächlich erworben hat er lediglich eine Handvoll Gegenstände, hat aber in entsprechendem Zeitraum ca. 100 Prozesse wegen vermeintlicher Schadensersatzforderungen geführt (für das Vorstehende vgl. Protokolle der mündlichen Verhandlung beim AG M vom 6.9.2016, Az. …, Protokoll der mündlichen Verhandlung des Landgerichts E, Az. …, Feststellungen der Urteile des AG M, Az. a.a.O., des LG E, Az. a.a.O., AG H, Az. …, LG B, Urteil vom 7.7.2017, Az. …).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger auf ein Fahrzeug, was (nunmehr unstreitig) zum Zeitpunkt der Auktion einen Wert in Höhe von knapp 12.000 Euro hatte, ein Maximalgebot von 5.995 Euro abgegeben, demnach die Hälfte des eigentlichen, von ihm nun angegebenen Wertes. Bei Eingabe eines so niedrigen Maximalgebotes durfte der Kläger davon ausgehen, dass er lediglich im Falle eines unberechtigten Abbruchs der Auktion Vertragspartei werden würde. Dies entspricht nicht dem Verhalten eines Schnäppchenjägers, welcher den jeweiligen Artikel zwar günstig, aber doch überhaupt erwerben möchte.

Auch das Verhalten des Klägers nach der Auktion spricht für die Annahme einer Abbruchjagd. Selbst wenn er kurz nach der Auktion den Beklagten kontaktierte, um die Herausgabe des Fahrzeuges zu verlangen, was bestritten ist, will er sogleich nach Ablauf der Frist zurückgetreten sein, ohne noch einmal bei dem Beklagten zu insistieren. Es ist lebensfremd, dass ein Schnäppchenjäger, der ein derartig gutes Geschäft macht, in dem er nur die Hälfte des Wertes eines so hochpreisigen Fahrzeugs bezahlen muss um es zu erhalten, und daher das Fahrzeug ja unbedingt für den Kaufpreis erhalten möchte, nicht eindringlicher versucht an dem Vertrag festzuhalten. Zu erwarten wäre doch mindestens eine weitere Aufforderung, den Vertrag zu erfüllen, anstatt sofort zurückzutreten und Schadensersatz zu verlangen.

Auch die Tatsache, dass er bis Ende des Jahres 2017 mit der gerichtlichen Durchsetzung seiner Schadensersatzansprüche gewartet hat, spricht für die Tatsache, dass er sichergehen wollte, dass eine Erfüllung des Vertrages beklagtenseits nicht möglich sein würde. Zwar steht es selbstverständlich jeder Partei frei, die ihm zustehende Verjährungsfrist auszureizen und erst spät seine Ansprüche geltend zu machen. Da dieses Verhalten jedoch auch in den anderen Schadensersatzprozessen zu beobachten war, kann man hier von einem systematischen Verhalten ausgehen, welches ein Indiz für das Verhalten eines Abbruchjägers gewertet werden kann. Überhaupt ist die Anzahl von Auktionen und der daraus folgenden Geltendmachung von Schmerzensgeldansprüchen in kürzestem Zeitraum dermaßen hoch, dass nur davon ausgegangen werden kann, dass hier ein systematisches Betreiben einer Geldeinnahmequelle durch das Generieren von Schadensersatz bestand. Alles andere ist- wie bereits das Landgericht Aachen in seiner Entscheidung vom 28.7.2018 hervorhebt, lebensfremd.

Da er als Abbruchjäger kein reales Erfüllungsinteresse an den einzelnen Kaufverträgen hatte, kann er auch keinen Schadensersatzanspruch wegen mangelnder Erfüllung generieren.

Ein Anspruch auf Zinsen und der Nebenkosten scheitert am mangelnden Hauptanspruch.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

 

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