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Urheberrechtsverletzung Filesharing – Darlegungs- und Beweislast des Urheberrechtsinhabers

LG Frankenthal, Az.: 6 O 134/16, Beschluss vom 15.06.2016

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

3. Der Gegenstandswert wird auf 10.000.- € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin macht einen Unterlassungsanspruch bezüglich der Zugänglichmachung des Musikalbums „Kontor Top of the Clubs Vol. 70“ geltend, dessen Hersteller, die K. GmbH, ihr die entsprechenden Rechte eingeräumt habe.

Urheberrechtsverletzung Filesharing - Darlegungs- und Beweislast des Urheberrechtsinhabers
Symbolfoto: N_Defender/Bigstock

Sie trägt vor, dass oben genanntes Album am 16./17. April 2016 vom Internetanschluss der Antragsgegnerin im Rahmen des Filesharings zum Download angeboten worden sei. Dies sei von der von ihr eigens beauftragten S. UG mittels der Software „Torrent Logger v. 1.0.0.2“ festgestellt worden. Genauer habe ein Mitarbeiter dieses Unternehmens verschiedene Dateien überprüft und deren Hashwerte festgehalten, die das vollständige Musikalbum enthielten und sodann über die genannte Software Teilnehmer an Tauschbörsen ermittelt, die eine Datei mit entsprechendem Hashwert anbieten, wobei in diesem Zusammenhang auch ein Download von Teilen dieser Datei erfolgt sei. Ob über den Anschluss der Antragsgegnerin womöglich nur Fragmente der Datei zugänglich gemacht worden sind, sei nicht überprüft worden, im Hinblick auf den Umstand, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sämtliche Teile des Tonträgers und insbesondere auch kleinste Tonfetzen geschützt seien aber auch unerheblich.

II.

Der zulässige Antrag führt in der Sache nicht zum Erfolg.

Aus dem Vorbringen der Antragstellerin ergibt sich bereits nicht, dass vom Anschluss der Beklagten tatsächlich eine lauffähige Version des fraglichen Musikalbums oder eines Teils davon zum Herunterladen angeboten worden ist. Dies ist nach der Rechtsprechung der Kammer jedoch Voraussetzung für das Vorliegen des hier geltend gemachten Unterlassungsanspruchs.

1. Der Anspruchsteller, der sich auf den Schutz vor der unberechtigten Nutzung des Werkes beruft, hat in so genannten „Filesharing“-Fällen grundsätzlich substantiiert darzulegen, dass über den Anschluss des in Anspruch Genommenen tatsächlich eine lauffähige, das fragliche Werk oder nutzbare Teile hiervon beinhaltende Datei zum Download bereitgestellt worden ist. Eine nur teilweise zur Verfügung gestellte Datei ist im Hinblick auf die darin enthaltenen Daten nämlich regelmäßig nicht lauffähig und konsumierbar, weshalb das Zurverfügungstellen einer derartigen Teildatei keine – auch nur teilweise – Nutzung des geschützten Werkes darstellt; es handelt sich in diesem Fall demnach nicht um isoliert nutz- oder wahrnehmbare Werkteile, sondern lediglich um so genannten „Datenmüll“ (st. Rspr. der Kammer, vgl. zuletzt LG Frankenthal, GRUR-RR 2016, 110; insbesondere zum technischen Hintergrund anschaulich Heinemeyer/Kreitlow/Nordmeyer/Sabellek, MMR 2012, 279, 281). Soweit demgegenüber in der Rechtsprechung vertreten wird, dass das Einstellen von Dateiteilen in ein Peer-to-Peer-Netzwerk nicht in der Absicht geschehe, das Internet mit „Datenmüll“ zu belasten (so wörtlich OLG Köln, Beschluss v. 20.04.2016 – 6 W 37/16 – The Walking Dead, Rn. 18 – zit. n. juris), mag dies zutreffen, greift in Bezug auf die urheberrechtliche Problematik indes zu kurz. Das Urheberrecht schützt den Urheber nicht vor der unberechtigten Nutzung von Dateien oder Dateifragmenten, selbst wenn diese dazu bestimmt sein mögen, ein konkretes Werk in digitaler Form aufzunehmen oder abzubilden, sondern lediglich vor der unberechtigten Nutzung des Werkes selbst bzw. von Teilen hiervon. Es gibt daher keine urheberrechtlich geschützte Datei, sondern lediglich urheberrechtlich geschützte Werke, die in einer Datei enthalten sein können (aA offensichtlich OLG Köln aaO Rn. 20).

Es genügt daher nicht, wenn – wie hier von der Antragstellerin glaubhaft gemacht – überprüft wurde, dass eine Datei mit einem bestimmten Hashwert existiert, die in ihrem vollständigen Zustand auch das vollständig oder wenigstens in Teilen nutzbare Werk enthält. Vielmehr hat, wenn nicht nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht werden kann, dass die beklagte Partei eine vollständige und lauffähige, das fragliche Werk (oder Teile davon) enthaltende Datei zum Herunterladen zur Verfügung gestellt hat oder dies unstreitig nicht der Fall war, der Anspruchsteller darzulegen und im Bestreitensfall nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen, dass die vom in Anspruch Genommenen konkret zum Download bereit gestellten Dateifragmente tatsächlich zumindest auch Werkfragmente enthalten, die sich mit Hilfe gängiger oder zumindest allgemein zugänglicher Hard- und Software wiedergeben bzw. in sonstiger Weise sinnvoll im Sinne des § 11 UrhG nutzen lassen und damit mehr darstellen als bloßen „Datenmüll“.

2. Auch wenn der Anspruchsteller sich ergänzend oder – wie hier – ausschließlich auf die Rechte des Ton- bzw. Bildträgerherstellers aus § 85, § 94 UrhG beruft, gilt nach Auffassung der Kammer nichts anderes. Es erscheint nämlich bereits systemwidrig, den Tonträgerhersteller in stärkerem Umfang zu schützen als den eigentlichen Urheber (so auch die von der Bundesregierung vertretene Ansicht, vgl. BVerfG, Urt. v. 31.05.2016 – 1 BvR 1585/13 = BeckRS 2016, 46375 Rn. 53).

Soweit der Bundesgerichtshof abweichend davon vertreten hat, dass auch die Nutzung kleinster Tonpartikeleinen Eingriff in die durch § 85 UrhG geschützte Leistung des Tonträgerherstellers darstellt (vgl. zuletzt etwa BGH, NJW 2016, 942, 944/945 – Tauschbörse I sowie NJW 2016, 950, 951 – Tauschbörse II), ist die dieser Rechtsprechung zu Grunde liegende Entscheidung (BGH NJW 2009, 770 – Metall auf Metall I) inzwischen durch das Bundesverfassungsgericht aufgehoben worden (BVerfG aaO), weil der verfassungsrechtliche Schutz des geistigen Eigentums eine entsprechende Auslegung des § 85 UrhG nicht gebietet, dem Tonträgerhersteller mithin nicht jede nur denkbare wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit zugeordnet werden muss, sondern lediglich sichergestellt werden soll, dass ihm insgesamt ein angemessenes Entgelt für seine Leistung verbleibt (BVerfG aaO Rn. 87).

Im Übrigen ist auch nach der bislang vom Bundesgerichtshof vertretenen Auffassung lediglich, aber immerhin doch die Nutzung kleinster Tonpartikel als Teil des Tonträgers erforderlich, um einen Eingriff in das Recht aus § 85 UrhG annehmen zu können (BGH, NJW 2016, 950, 951 – Tauschbörse II Rn. 20). Daran fehlt es jedoch, sofern die zum Zugriff freigegebenen Dateifragmente gar keine, wenigstens als Tonfetzen darstellbaren Elemente des Tonträgers enthalten. Der Anspruchsteller hat daher auch danach darzulegen und im Bestreitensfalle nachzuweisen bzw. im einstweiligen Verfügungsverfahren glaubhaft zu machen, dass vom Anschluss des Anspruchsgegners eine Datei oder ein Fragment davon zur Verfügung gestellt worden ist, das tatsächlich auch – ggf. näher zu bezeichnende – Tonpartikel beinhaltet, welche dem geschützten Tonträger zugeordnet werden können.

Daran fehlt es hier. Die Antragstellerin hat – auch auf entsprechende Aufforderung der Kammer – nicht dargelegt, in welchem konkreten Umfang die fragliche Datei über den Anschluss der Antragsgegnerin zur Verfügung gestellt wurde und welchen konkreten Inhalt die nach ihrem eigenen Vortrag von der S. UG heruntergeladenen Dateiteile aufwiesen.

Der Antrag war daher mit der sich aus § 91 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

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