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Urheberrechtsverletzung – sekundäre Darlegungslast Internetanschlussinhaber

AG Frankenthal – Az.: 3a C 286/15 – Urteil vom 10.03.2016

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Zahlung von Schadensersatz und Abmahnkosten mit ihrer am 28.12.2015 zugestellten Klage aufgrund behaupteter Urheberrechtsverletzungen am 19.2.2012 um 21:46:02 Uhr.

Die Klägerin ist nach ihrer Behauptung Inhaberin umfassender ausschließlicher Nutzungs- und Verwertungsrechte zur Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlichen Zugänglichmachung u.a. an dem Porno „Nach Dem Abi Geht es Richtig Los !!!“, an welchem sie u.a. als Herstellerin Leistungsschutzrechte und ausschließliche Nutzungs- und Verwertungsrechte besitze. Ihr komme die Vermutungswirkung des § 10 Abs. 1 UrhG, § 94 Abs. 4 UrhG zugute aufgrund des Copyrightvermerkes auf dem DVD Cover des streitgegenständlichen Filmwerkes.

Die Klägerin hat die Media Protector GmbH, die die Ermittlungssoftware „FileWatchBT“ einsetzt, mit der Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen im Internet beauftragt.

Aufgrund des Beschlusses des Landgerichts München I vom 20.2.2012 – Az: 21 O 3504/12 wurde die Kabel Deutschland Vertrieb und Service GmbH & Co. KG zur Auskunft verpflichtet, die daraufhin den Beklagten als Nutzer der ermittelten IP-Adresse offenbarte.

Die Klägerin trägt vor, die verwendete Ermittlungssoftware „FileWatchBT“ arbeite zuverlässig.

Der Beklagte habe das pornografische Filmwerk „Nach Dem Abi Geht es Richtig Los !!!“ am 19.2.2012 um 21:46:02 Uhr öffentlich zum Download angeboten. Die Klägerin sei als Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte aktivlegitimiert, wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 2 ff der Akten Bezug genommen.

Der Beklagte habe die Urheberrechtsverletzung begangen.

Der Klägerin stünde daher ein Schadensersatzanspruch in Höhe von mindestens 500,00 €, ausgehend von einer fiktiven Lizenzgebühr in dieser Höhe, zu, wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 11 ff der Akten Bezug genommen.

Daneben sei der Beklagte zur Erstattung der Kosten für die am 15.3.2012 ausgesprochene Abmahnung in Höhe von 651,80 €, ausgehend von einem Gegenstandswert von 10.000,00 €, verpflichtet.

Die Zuverlässigkeit der Ermittlungen werde durch das Gutachten vom 3. Mai 2010 (Blatt 16 ff der Akten) belegt.

Die Klägerin beantragt : Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.151,80 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen und führt hierzu aus, die Aktivlegitimation der Klägerin werde bestritten.

Ebenso sei die Zuverlässigkeit des Ermittlungsergebnisses zu bestreiten.

Auch habe die Klägerin nicht dargelegt, dass ein öffentliches Anbieten zum Upload gegenüber Dritten erfolgt sei, der bloße Download von Inhalten aus einem BitTorrent-Netzwerk sei nicht relevant. Auf dem Computer des Beklagten habe sich keinerlei Software befunden, die eine Teilnahme am Filesharing-Netzwerk ermögliche. Sowohl der behauptete Schadensersatzanspruch, als auch der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten sei weder dem Grunde, noch der Höhe nach berechtigt.

Neben dem Beklagten habe sein Enkel A. B. im behaupteten Tatzeitpunkt im gemeinsamen Haushalt gelebt, der allein den Computer nutzte und diesen auch wieder mitgenommen habe.

Der Anschluss selbst sei durch den Enkel eingerichtet worden; er, der Beklagte, habe lediglich den Internetanschluss beantragt.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Urheberrechtsverletzung - sekundäre Darlegungslast des Internetanschlussinhabers
(Symbolfoto: Deflet/Shutterstock.com)

Auch bei Abgabe einer (modifizierten) strafbewehrten Unterlassungserklärung stellt dies kein Anerkenntnis im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB dar, da mit der Abgabe einer solchen Erklärung der Abgemahnte regelmäßig keinen konkreten Inhalt mit konkreten Rechtsfolgen fixieren will (BGH Urteil vom 24.9.2013 -I ZR 219/12-).

Die Klägerin ist daneben auch für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung durch den Beklagten beweisfällig geblieben. Der Inhaber eines Internetanschlusses haftet grundsätzlich nicht als Störer auf Unterlassung, wenn volljährige Familienangehörige den ihnen zur Nutzung überlassenen Anschluss für eine behauptete Rechtsverletzung missbrauchen. Erst wenn der Anschlussinhaber konkrete Anhaltspunkte für solch einen Missbrauch hat, muss er die zur Verhinderung von Rechtsverletzungen erforderlichen Maßnahmen ergreifen. Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, ist eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten. Der Anschlussinhaber trägt insoweit eine sekundäre Darlegungslast. Dieser entspricht er dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und ggf. welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Insoweit ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (BGHZ 185, 330; BGH NJW 2013, 1441; Urteil vom 8.1.2014 -I ZR 169/12 m.w.N.).

Diese sekundäre Darlegungslast führt indes weder zu einer Umkehr der Beweislast, noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast, § 138 Abs. 1, Abs. 2 ZPO, hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und ggf. welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Die Annahme einer derartigen tatsächlichen Vermutung begegnet in Haushalten, in denen mehrere Personen selbstständig und unabhängig Zugang zum Internet haben, jedoch bereits grundsätzlichen Bedenken. Die Aufstellung einer tatsächlichen Vermutung setzt voraus, dass es einen empirisch gesicherten Erfahrungssatz aufgrund allgemeiner Lebensumstände dahingehend gibt, dass ein Anschlussinhaber seinen Internetzugang in erster Linie nutzt und über Art und Weise der Nutzung bestimmt und diese mit Tatherrschaft bewusst kontrolliert. Ein derartiger Erfahrungssatz existiert indes nicht. Die alltägliche Erfahrung in einer Gesellschaft, in der das Internet einen immer größeren Anteil einnimmt und nicht mehr wegzudenken ist, belegt vielmehr das Gegenteil. Wenn sich der Internetanschluss in einem Mehrpersonenhaushalt befindet, entspricht es vielmehr üblicher Lebenserfahrung, dass jeder Mitbewohner das Internet selbstständig nutzen darf, ohne dass der Anschlussinhaber Art und Umfang der Nutzung bewusst kontrolliert. Der Anschlussinhaber genügt daher vorliegend seiner sekundären Darlegungslast, wenn er seine Täterschaft bestreitet und darlegt, dass ein Hausgenosse selbstständig auf den Internetanschluss zugreifen könne, weil sich daraus bereits die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufes als die seiner Alleintäterschaft ergibt. Weitergehende Angaben werden in einem Mehrpersonenhaushalt vom Anschlussinhaber nicht im Rahmen der sekundären Darlegungslast verlangt werden können, da der Anschlussinhaber ohnehin nur zu Tatsachen vortragen kann, die er üblicherweise aus eigener Anschauung vorzutragen vermag. Eigene Ermittlungen dahingehend, wer möglicherweise als Täter des behaupteten Urheberrechtsverstoßes in Betracht kommt, hat der Anschlussinhaber hingegen nicht durchzuführen. Auch eine Überwachung der Familie bei der Internetnutzung kann vom Anschlussinhaber nicht verlangt werden, da dies mit dem grundgesetzlichen Schutz der Familie nach Art. 6 GG nicht zu vereinbaren ist. Lediglich bei einem 1-Personen-Haushalt wird man regelmäßig detailliertere Erläuterungen verlangen können. Insoweit reicht es nach hiesiger Auffassung, unter Berücksichtigung der dem Beklagten obliegenden prozessualen Wahrheitspflicht aus, dass der Anschlussinhaber vorträgt, weder die streitgegenständliche Datei, noch eine entsprechende Filesharing Software befinde sich auf seinem Rechner, da für diesen Fall eine täterschaftliche Handlung ausgeschlossen ist. Sowohl bei Mehrpersonen-, als auch bei einem 1-Personen-Haushalt ist mit der sekundären Darlegungslast des Anschlussinhabers gerade keine Beweislastumkehr verbunden. Die sekundäre Darlegungslast umfasst nicht die Pflicht des Behauptenden, diesen Sachverhalt ggf. auch zu beweisen. Ein der sekundären Darlegungslast genügender Vortrag hat vielmehr zur Folge, dass der grundsätzlich Beweisbelastete seine Behauptungen beweisen muss. Hierin ist auch keine unzumutbare Belastung des Anspruchstellers zu sehen. Es gehört vielmehr zu den rechtstaatlichen Grundsätzen des Zivilprozesses, dass die Klägerin die volle Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen trägt.

Abweichungen sind nur im Einzelfall veranlasst und dürfen nicht dazu führen, dass der Beklagte sich regelmäßig zu entlasten hat. Eine anderslautende Rechtsprechung führt faktisch zu einer Gefährdungshaftung, indem dem Anschlussinhaber eine den Grundlagen des Zivilprozesses widersprechende, praktisch nicht erfüllbare sekundäre Darlegungslast auferlegt wird.

Es gibt in zahlreichen Bereichen des täglichen Lebens Sachverhaltskonstellationen, in denen der Anspruchsteller sicher weiß, dass sich der Anspruch gegen eine von mehreren Personen richtet, der Anspruchinhaber aber nicht nachweisen kann, gegen welche konkrete Person der Anspruch zu richten ist. Auch in diesen Fällen wird im Ergebnis eine Erfolg versprechende Durchsetzung des Anspruchs nicht möglich sein.

Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen ist die Beklagte der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast daher in hinreichendem Maße nachgekommen (LG Stuttgart Urteil vom 28.06.2011 – 17 O 39/11).

Nach seinen Darlegungen habe sich das streitgegenständliche pornographische Werk nicht auf dem PC befunden, noch habe er dieses zum Download angeboten, er habe den Computer überhaupt nicht genutzt, die Nutzung sei vielmehr durch seinen Enkel A. B. erfolgt.

Daneben kann offen bleiben, ob die IP-Adresse zuverlässig ermittelt worden ist nach dem Vorgenannten und auch, ob pornographische Werke lediglich Laufbildschutz genießen (LG München I, Beschluss vom 29.05.2013 – 7 O 22293/12 m.w.N.)

Dies gilt auch im Hinblick auch den durch die Klägerin bezeichneten Hashwert, der regelmäßig lediglich einer sogenannten Torrent-Datei zugeordnet ist und den Internetstandort eines Zieldownloads angibt. Soweit die beweisbelastete Klägerin für ihre Behauptung, dass „die Beklagtenseite die Rechtsverletzung begangen hat“ die Parteivernehmung der Beklagten anbietet, ist dies nicht hinreichend substantiiert und ersichtlich auf Ausforschung ausgerichtet.

Nach dem Vorgenannten kann daneben offen bleiben, ob bereits die Ermittlung der IP-Adresse rechtswidrig erlangt ist (EuGH vom 24.11.2011, Az: C 7/10; Bundesverfassungsgerichtsentscheidung 121, 29; Bundesverfassungsgericht Urteil vom 2.3.2010 -1 BVR 256/08, 1 BVR 263/08, 1 BVR 586/08, OLG Düsseldorf, Beschluss vom 7.3.2013 -I 20 W 121/12 m.w.N. zur Vorratsdatenspeicherung) und auch, ob im Anschluss an die zutreffende Auffassung des Amtsgerichts Koblenz (Urteil vom 9.1.2015 – 411 C 250/14) die Weitergabe der Verkehrsdaten des Kunden durch die vorliegend zur Auskunft verpflichtete Kabel Deutschland Vertrieb und Service GmbH & Co. KG ein Verstoß gegen die Datenschutzregelungen der §§ 112 und 113 TKG darstellt.

Ob es sich bei der ermittelten Datei um eine lauffähige Version oder lediglich um bloße Datenschnipsel handelt, war danach ebenfalls nicht mehr entscheidungserheblich.

Nach dem Vorgenannten war die Klage daher insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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