Skip to content

Verjährung der Ansprüche beim Filesharing

Haftung bei Filesharing: Eine Schlüsselfrage der digitalen Welt

In einem bemerkenswerten Fall, der vor dem Amtsgericht Frankfurt verhandelt wurde, ging es um die Verjährung von Ansprüchen im Bereich des Filesharings. Der Kern des Problems lag in der Frage der Haftung bei Verletzung von Urheberrechten durch das Teilen einer digitalen Kopie eines Computerspiels. Die Klägerin vertrat die Ansicht, dass die beklagte Partei zu 1) die Aufsichtspflicht gegenüber der beklagten Partei zu 2) verletzt habe und daher gemeinsam mit der beklagten Partei zu 2) haftbar sei.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 32 C 2874/19 (88) >>>

Berechnung des Schadenersatzes und Abmahnkosten

Die Klägerin argumentierte mit dem wirtschaftlichen Erfolg des Computerspiels und der fiktiven Lizenzgebühr, um ihren Schadenersatzanspruch zu berechnen. Die Lizenzanalogie, die zur Berechnung des Schadenersatzes herangezogen wurde, wurde als gültige Methode für die richterliche Schadensschätzung betrachtet. Insbesondere wurde hervorgehoben, dass bei der Nutzung von Internet-Tauschbörsen nicht nur eine Einzelkopie vom Nutzer erlangt wird, sondern auch eine Vielzahl von Nutzern Zugang zum Werk erhält.

Bedeutung der Aufsichtspflicht und gemeinsame Haftung

Die Klägerin war der Ansicht, dass die beklagte Partei zu 1) die Aufsichtspflicht gegenüber der beklagten Partei zu 2) verletzt habe und daher gemeinsam mit der beklagten Partei zu 2) haftbar sei. Dieser Standpunkt wurde von dem Gericht aufgegriffen, was zu einer Verurteilung führte.

Erstattung von Abmahnkosten

Zusätzlich zur Frage der Haftung wurde auch die Erstattung der Abmahnkosten diskutiert. Die Klägerin konnte die Erstattung von Abmahnkosten verlangen, allerdings nicht in der geltend gemachten Höhe. Die Abmahnung stellte sich als notwendiges Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts dar und die damit verbundenen Kosten waren auf die Rechtsverletzung des Beklagten zu 2) zurückzuführen.

Dieser Fall unterstreicht die Komplexität der Rechtsfragen, die sich aus dem Filesharing ergeben, und betont die Notwendigkeit, sich bei Bedarf an einen Experten für Internetrecht zu wenden. […]


Das vorliegende Urteil

AG Frankfurt – Az.: 32 C 2874/19 (88) – Urteil vom 17.11.2020

Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin 1.124,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.07.2020 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 2) verpflichtet ist, die Klägerin von den ihr bis zur mündlichen Verhandlung vom 13.10.2020 entstandenen Kosten des gegen die Beklagte zu 1) geführten Rechtsstreits, soweit die Klägerin diese zu tragen hat, freizustellen, jedoch soweit es sich dabei um wertabhängige Kosten handelt, nur aus einem die Gebührenstufe bis 1.500,00 € nicht übersteigenden Wert.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin hat der Beklagte zu 2) zu 36 % zu tragen. Die Klägerin hat 64 % der Gerichtskosten, 100 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 38 % der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) zu tragen. Im Übrigen haben die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin und der Beklagte zu 2) dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:

Antrag zu 1.: 984,60 €,

Antrag zu 2.: 1.000,00 €,

Antrag zu 3.: 800,00 €.

Tatbestand

Filesharing - Verjährung der Ansprüche beim Filesharing
Ein Fall von Filesharing führt zu komplexen Rechtsfragen rund um Urheberrecht, Haftung, Aufsichtspflicht und Schadenersatz. (Symbolfoto: rvlsoft /Shutterstock.com)

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz und Kostenerstattung wegen einer Urheberrechtsverletzung in Anspruch.

Die Klägerin ist Produzentin des Computerspiels … . Am 03.05.2015 bot der am … geborene Beklagte zu 2) dieses Computerspiel über den Internetanschluss der Beklagten zu 1) über eine Internet-Tauschbörse unberechtigt zum Download an. Die Klägerin mahnte durch ihre Prozessbevollmächtigten vorgerichtlich zunächst die Beklagte zu 1) ab, wobei sie einen Gegenstandswert von 20.000 € zu Grunde legte. Erst im Verlauf des Rechtsstreits offenbarte sich der Beklagte zu 2) als Täter.

Die Klägerin nahm zunächst die Beklagte zu 1) prozessual in Anspruch. Mit Schriftsatz vom 06.07.2020, dem Beklagten zu 2) zugestellt am 11.07.2020, erweiterte sie die Klage auf jenen zunächst in subjektiver Hinsicht und mit weiterem Schriftsatz vom 12.10.2020, zugestellt in der mündlichen Verhandlung vom 13.10.2020, auch in objektiver Hinsicht.

Die Klägerin behauptet, dass das streitgegenständliche Computerspiel erstmals am … in Deutschland im Einzelhandel veröffentlicht worden und in der Folge wirtschaftlich erfolgreich gewesen sei. Sie behauptet, dass die Beklagte zu 1) Aufsichtspflichten gegenüber dem Beklagten zu 2) verletzt habe. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte zu 1) deshalb gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 2) hafte. Weiter ist die Klägerin der Auffassung, dass der Beklagte zu 2) sowohl für die Kosten der Abmahnung der Beklagten zu 1), als auch für die Kosten der gerichtlichen Inanspruchnahme jener einzustehen habe.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von 984,60 € nebst jährlicher Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.08.2015 zu zahlen;

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin einen weiteren Betrag über 1.000,00 € nebst jährlicher Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 18.08.2015 zu zahlen;

3. festzustellen, dass der Beklagte zu 2) verpflichtet ist, die Klägerin von allen ihr bis zur mündlichen Verhandlung vom 13.10.2020 entstandenen Kosten des gegen die Beklagte zu 1) geführten Rechtsstreits freizustellen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 2) erhebt die Einrede der Verjährung und ist der Auffassung, dass das Schadensersatzbegehren der Klägerin überhöht sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, insbesondere auch ihre Erweiterung in subjektiver und objektiver Hinsicht gemäß §§ 263, 264 ZPO, jedenfalls aufgrund Sachdienlichkeit. Hinsichtlich des Antrags zu 3. besteht auch das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, da die Kosten der Höhe nach noch ihrer Festsetzung bedürfen.

In der Sache hat die Klage nur teilweise Erfolg.

Die Klägerin kann den begehrten Teil-Schadensersatz aus § 97 Abs. 2 S. 1 i.V.m. §§ 69a, 69c UrhG von dem Beklagten zu 2) verlangen.

Die Verantwortlichkeit des Beklagten zu 2) für die Urheberrechtsverletzung ist unstreitig. Auch die Höhe des klägerseitig geltend gemachten Teil-Schadensersatzes ist zutreffend bemessen.

Die von der Klägerin zur Berechnung ihres Schadenersatzanspruches herangezogene Lizenzanalogie stellt eine zulässige Berechnungsmethode für die richterliche Schadensschätzung dar. Bei – wie hinsichtlich der streitgegenständlichen Handlungen – fehlender branchenüblicher Vergütungssätze ist die fiktive Lizenzgebühr gemäß § 287 ZPO frei zu bemessen, bei nur geringen Anforderungen an Art und Umfang der vom Geschädigten beizubringenden Schätzungsgrundlagen (vgl. BGH, Urteil vom 11.06.2015, Az.: I ZR 19/14 „Tauschbörse I“ = GRUR 2016, 176). In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass sich der Schutzrechtseingriff bei der Nutzung von Internet-Tauschbörsen nicht auf die Erlangung einer Einzelkopie durch den in Anspruch genommenen Nutzer beschränkt, sondern zugleich eine Vielzahl von Nutzern Zugriff auf das Werk erhält. Diesem Umstand ist bei der Bemessung des Wertersatzes im Wege der fiktiven Lizenz Rechnung zu tragen (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.2016, Az.: I ZR 48/15 „Everytime we touch“ = GRUR 2016, 1280). Substantiiert unter Vortrag konkreter Daten und Referenzprodukte und damit im Rahmen des § 287 ZPO im Ergebnis das pauschale Bestreiten seitens des Beklagten zu 2) zur Überzeugung des Gerichts überwindend dargelegt hat die Klägerin auch den wirtschaftlichen Erfolg des streitgegenständlichen Computerspiels. Vor dem Hintergrund auch der zeitlichen Nähe zwischen dem Zeitpunkt der Veröffentlichung und der streitgegenständlichen Rechtsverletzungen erscheint der klägerseitig angesetzte fiktive Lizenzbetrag von 1.000,00 € im Rahmen des § 287 ZPO nach alledem als angemessen.

Die Klägerin kann auch die begehrte Erstattung von Abmahnkosten aus § 97 a Abs. 3 S. 1 UrhG von dem Beklagten zu 2) verlangen, allerdings nicht in der geltend gemachten Höhe.

Die Abmahnung der Beklagten zu 1) als Anschlussinhaberin stellte sich als für die Rechtsverfolgung der Klägerin erforderliches und zweckmäßiges Mittel der Sachverhaltsaufklärung dar, deren Kosten adäquat-kausal auf der Rechtsverletzung des Beklagten zu 2) beruhen und dem Schutzzweck der schadensersatzrechtlichen Normen unterfallen (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 22.03.2018, Az.: I ZR 265/16 „Riptide“ = GRUR 2018, 914). Der Gegenstandswert des Unterlassungsanspruchs ist jedoch gemäß § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG auf 1.000,00 € gedeckelt, da die Abmahnung erst nach Inkrafttreten jener Vorschrift ausgesprochen wurde. Der Zeitpunkt des Ausspruchs der Abmahnung ist für die Bestimmung des darauf anzuwendenden Rechts maßgeblich (vgl. BGH, a.a.O.). Danach sind Abmahnkosten in Höhe von lediglich 124,00 € (104,00 € Geschäftsgebühr zzgl. 20,00 € Auslagenpauschale) ersatzfähig.

Entsprechendes gilt hinsichtlich der prozessualen Inanspruchnahme der Beklagten zu 1), nachdem sich der Beklagte zu 2) erst im Verlauf des Rechtsstreits als Täter offenbart hat. Daher hat auch das Feststellungsbegehren der Klägerin dem Grunde nach Erfolg. Der Höhe nach war die festzustellende Ersatzverpflichtung hinsichtlich wertbezogener Kosten auf die Gebührenstufe bis 1.500,00 € zu begrenzen, da ein weitergehender Anspruch aufgrund der vorgenannten Deckelung des Gegenstandswerts des Unterlassungsanspruchs von vornherein unbegründet war. Lediglich klarstellend war außerdem auszusprechen, dass sich die Ersatzverpflichtung auf die von der Klägerin letztlich zu tragenden Kosten beschränkt. Die übrigen Kostenschuldner ergeben sich aus der Kostenentscheidung.

Die von dem Beklagten zu 2) erhobene Verjährungseinrede greift nicht durch. Soweit die Klägerin Schadensersatz begehrt, verjährt der zu Grunde liegende Anspruch gemäß § 102 S. 2 UrhG i.V.m. § 852 BGB erst in 10 Jahren ab seiner Entstehung (vgl. BGH, Beschluss vom 23.01.2017, Az.: I ZR 265/15 = ZUM 2017, 596), was in Ansehung der auf Mai 2015 datierenden Rechtsverletzung offensichtlich noch nicht eingetreten ist. Soweit die Klägerin Kostenerstattung begehrt, gilt die regelmäßige Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB, welche in Ansehung dessen, dass sich der Beklagte zu 2) erst im Verlauf des Rechtsstreits als Täter offenbart hat, ebenfalls noch nicht abgelaufen ist.

Eine Haftung der Beklagten zu 1) für Schadensersatz und Abmahnkosten besteht nicht. Der Beklagte zu 2) war zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Rechtsverletzung unstreitig bereits volljährig. Aufsichts-, insbesondere Belehrungspflichten der Beklagten zu 1) hätten daher allenfalls bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Tauschbörsennutzung bestanden (vgl. BGH, Urteil vom 08.01.2014, Az.: I ZR 169/12 „Bear Share“ = GRUR 2014, 657). Solche hat die Klägerin nicht vorgetragen.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Von dem Beklagten zu 2) kann die Klägerin lediglich Prozesszinsen verlangen, da dieser durch die vorgerichtliche Abmahnung der Beklagten zu 1) nicht in Verzug geriet.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß §§ 91, 92, 100 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 und 2 i.V.m. § 709 S. 2 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt gemäß §§ 63 Abs. 2, 48 Abs. 1, 43 GKG i.V.m. §§ 3-5 ZPO.

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Internetrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Internetrecht und Medienrecht. Wir beraten und vertreten Unternehmen, Selbständige und Privatpersonen bundesweit in allen rechtlichen Angelegenheiten rund um das Internet.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Urteile und Rechtstipps aus dem Internetrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!