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Urheberrechtsverletzung – sekundäre Darlegungslast des Internetanschlussinhabers

AG Frankenthal, Az.: 3a C 36/16, Urteil vom 10.03.2016

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Zahlung von Schadensersatz und Abmahnkosten mit ihrer am 23.9.2015 zugestellten Anspruchsbegründung aufgrund behaupteter Urheberrechtsverletzungen am 20.4.2012 um 22:08:36 Uhr.

Die Klägerin beantragte am 18.5.2015 den Erlass eines Mahnbescheides bei dem Amtsgericht Euskirchen über 400,00 € mit der Bezeichnung „1. Unerlaubte Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke aus dem Repertoire des Antragstellers gem. Verstoß vom 20.04.12 und 2. Rechtsanwalts- / Rechtsbeistandshonorar gemäß Schreiben vom 10.07.12“

Gegen den am 19.5.2015 erlassenen Mahnbescheid, der am 21.5.2015 zugestellt worden ist, legte der Beklagte am 28.5.2015 Widerspruch ein.

Nach Abgabe an das Amtsgericht Zweibrücken hat sich dieses mit Beschluss vom 29.1.2016 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) verwiesen.

Nach ihren Behauptungen sei die Klägerin alleinige Lizenznehmerin und Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte für das Filmwerk „7 Below – Haus der dunklen Seelen“, sie habe die ursprüngliche Fassung des Filmwerks vom 26.3.2012 ins Deutsche übersetzen lassen. Der Film wurde im April 2012 erstveröffentlicht, die Klägerin beauftragte die Firma IPP International UG (IPP) mit der Ermittlung von Urheberrechtsverletzungen, dabei wird die Ermittlungssoftware „International IPTrackor“ verwendet.

Aufgrund des Beschlusses des Landgerichts Köln vom 21.5.2012 – Az: 221 O 87/12 offenbarte die zur Auskunft verpflichtete Deutsche Telekom AG den Beklagten als Nutzer der ermittelten IP-Adresse mit Schreiben vom 4.7.2012.

Urheberrechtsverletzung - sekundäre Darlegungslast des Internetanschlussinhabers
Symbolfoto: ISerg/Bigstock

Die Klägerin trägt vor, die verwendete Ermittlungssoftware „IPTrackor“ arbeite zuverlässig.

Der Beklagte habe das Filmwerk „7 Below – Haus der dunklen Seelen“ am 20.4.2012 um 22:08:36 Uhr zum Download öffentlich angeboten.

Die Klägerin sei als Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte aktivlegitimiert, wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 10, 11 der Akten Bezug genommen.

Der Beklagte habe die Urheberrechtsverletzung begangen.

Der Klägerin stünde daher ein Schadensersatzanspruch gemäß § 97 Abs. 2, 97a Satz 1 UrhG zu, der sich auf mindestens 400,00 € belaufe, ausgehend von einer fiktiven Lizenzgebühr in dieser Höhe, wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 16 ff der Akten Bezug genommen.

Daneben sei der Beklagte zur Erstattung der Kosten für die am 10.7.2012 ausgesprochene Abmahnung in Höhe von 651,80 €, ausgehend von einem Gegenstandswert von 10.000,00 €, verpflichtet.

Zugunsten der Klägerin streite ein Anscheinsbeweis.

Die Klägerin beantragt :

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Schadensersatzbetrag in Höhe von 400,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 651,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen und trägt hierzu vor zu dem behaupteten Tatzeitpunkt sei er mit seiner Ehefrau nicht zu Hause gewesen.

Im behaupteten Tatzeitpunkt hätten neben ihm auch seine Ehefrau E… und die Töchter A… und M… Zugriff auf das Netzwerk, das ordnungsgemäß gesichert gewesen sei, gehabt. Sowohl er als auch seine Ehefrau und die Kinder seien außer Haus gewesen.

Das Laptop sei zudem ausgeschalten gewesen.

Die Zuverlässigkeit der Ermittlungen werde bestritten.

Sowohl der Schadensersatzanspruch, als auch die geltend gemachten Abmahnkosten seien dem Grunde und der Höhe nach nicht berechtigt.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Auch bei Abgabe einer (modifizierten) strafbewehrten Unterlassungserklärung stellt dies kein Anerkenntnis im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB dar, da mit der Abgabe einer solchen Erklärung der Abgemahnte regelmäßig keinen konkreten Inhalt mit konkreten Rechtsfolgen fixieren will (BGH Urteil vom 24.9.2013 -I ZR 219/12-).

Die Klägerin ist daneben auch als für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung beweisfällig geblieben. Der Inhaber eines Internetanschlusses haftet grundsätzlich nicht als Störer auf Unterlassung, wenn volljährige Familienangehörige den ihnen zur Nutzung überlassenen Anschluss für eine behauptete Rechtsverletzung missbrauchen. Erst wenn der Anschlussinhaber konkrete Anhaltspunkte für solch einen Missbrauch hat, muss er die zur Verhinderung von Rechtsverletzungen erforderlichen Maßnahmen ergreifen. Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, ist eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten. Der Anschlussinhaber trägt insoweit eine sekundäre Darlegungslast. Dieser entspricht er dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und ggf. welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Insoweit ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (BGHZ 185, 330; BGH NJW 2013, 1441; Urteil vom 8.1.2014 -I ZR 169/12 m.w.N.).

Diese sekundäre Darlegungslast führt indes weder zu einer Umkehr der Beweislast, noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast, § 138 Abs. 1, Abs. 2 ZPO, hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und ggf. welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Die Annahme einer derartigen tatsächlichen Vermutung begegnet in Haushalten, in denen mehrere Personen selbstständig und unabhängig Zugang zum Internet haben, jedoch bereits grundsätzlichen Bedenken. Die Aufstellung einer tatsächlichen Vermutung setzt voraus, dass es einen empirisch gesicherten Erfahrungssatz aufgrund allgemeiner Lebensumstände dahingehend gibt, dass ein Anschlussinhaber seinen Internetzugang in erster Linie nutzt und über Art und Weise der Nutzung bestimmt und diese mit Tatherrschaft bewusst kontrolliert. Ein derartiger Erfahrungssatz existiert indes nicht. Die alltägliche Erfahrung in einer Gesellschaft, in der das Internet einen immer größeren Anteil einnimmt und nicht mehr wegzudenken ist, belegt vielmehr das Gegenteil. Wenn sich der Internetanschluss in einem Mehrpersonenhaushalt befindet, entspricht es vielmehr üblicher Lebenserfahrung, dass jeder Mitbewohner das Internet selbstständig nutzen darf, ohne dass der Anschlussinhaber Art und Umfang der Nutzung bewusst kontrolliert. Der Anschlussinhaber genügt daher vorliegend seiner sekundären Darlegungslast, wenn er seine Täterschaft bestreitet und darlegt, dass ein Hausgenosse selbstständig auf den Internetanschluss zugreifen könne, weil sich daraus bereits die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufes als die seiner Alleintäterschaft ergibt. Weitergehende Angaben werden in einem Mehrpersonenhaushalt vom Anschlussinhaber nicht im Rahmen der sekundären Darlegungslast verlangt werden können, da der Anschlussinhaber ohnehin nur zu Tatsachen vortragen kann, die er üblicherweise aus eigener Anschauung vorzutragen vermag. Eigene Ermittlungen dahingehend, wer möglicherweise als Täter des behaupteten Urheberrechtsverstoßes in Betracht kommt, hat der Anschlussinhaber hingegen nicht durchzuführen. Auch eine Überwachung der Familie bei der Internetnutzung kann vom Anschlussinhaber nicht verlangt werden, da dies mit dem grundgesetzlichen Schutz der Familie nach Art. 6 GG nicht zu vereinbaren ist. Lediglich bei einem 1-Personen-Haushalt wird man regelmäßig detailliertere Erläuterungen verlangen können. Insoweit reicht es nach hiesiger Auffassung, unter Berücksichtigung der dem Beklagten obliegenden prozessualen Wahrheitspflicht aus, dass der Anschlussinhaber vorträgt, weder die streitgegenständliche Datei, noch eine entsprechende Filesharing Software befinde sich auf seinem Rechner, da für diesen Fall eine täterschaftliche Handlung ausgeschlossen ist.

Sowohl bei Mehrpersonen-, als auch bei einem 1-Personen-Haushalt ist mit der sekundären Darlegungslast des Anschlussinhabers gerade keine Beweislastumkehr verbunden. Die sekundäre Darlegungslast umfasst nicht die Pflicht des Behauptenden, diesen Sachverhalt ggf. auch zu beweisen. Ein der sekundären Darlegungslast genügender Vortrag hat vielmehr zur Folge, dass der grundsätzlich Beweisbelastete seine Behauptungen beweisen muss. Hierin ist auch keine unzumutbare Belastung des Anspruchstellers zu sehen. Es gehört vielmehr zu den rechtstaatlichen Grundsätzen des Zivilprozesses, dass die Klägerin die volle Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen trägt.

Abweichungen sind nur im Einzelfall veranlasst und dürfen nicht dazu führen, dass der Beklagte sich regelmäßig zu entlasten hat. Eine anderslautende Rechtsprechung führt faktisch zu einer Gefährdungshaftung, indem dem Anschlussinhaber eine den Grundlagen des Zivilprozesses widersprechende, praktisch nicht erfüllbare sekundäre Darlegungslast auferlegt wird.

Es gibt in zahlreichen Bereichen des täglichen Lebens Sachverhaltskonstellationen, in denen der Anspruchsteller sicher weiß, dass sich der Anspruch gegen eine von mehreren Personen richtet, der Anspruchinhaber aber nicht nachweisen kann, gegen welche konkrete Person der Anspruch zu richten ist. Auch in diesen Fällen wird im Ergebnis eine Erfolg versprechende Durchsetzung des Anspruchs nicht möglich sein.

Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen ist der Beklagte der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast daher in hinreichendem Maße nachgekommen (LG Stuttgart Urteil vom 28.06.2011 – 17 O 39/11).

Nach seinen Darlegungen habe sich das streitgegenständliche Filmwerk nicht auf dem Laptop befunden, noch habe er dieses zum Download angeboten, da er auch nicht über die erforderliche Filesharingsoftware verfügt habe. Daneben hätten im streitgegenständlichen Zeitpunkt seine Ehefrau E… neben den Kindern A… und M… im selben Haushalt selbständigen Zugriff auf den Internetanschluss gehabt, die streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung jedoch verneint und darüber hinaus zum Tatzeitpunkt auch nicht zu Hause gewesen.

Soweit die Klägerin für die Negativtatsache, dass weder die Ehefrau, noch die Kinder die Urheberrechtsverletzung begangen hätten, deren Zeugeneinvernahme anbietet, ist diese Behauptung ersichtlich ins Blaue hinein, sodass diesem Ausforschungsbeweis nicht nachzugehen ist.

Soweit daneben die Zuverlässigkeit der Ermittlungen bestritten wird, kam es nach dem Vorgenannten darauf nicht mehr an.

Nach dem Vorgenannten kann daneben auch offen bleiben, ob bereits die Ermittlung der IP-Adresse rechtswidrig erlangt ist (EuGH vom 24.11.2011, Az: C 7/10; Bundesverfassungsgerichtsentscheidung 121, 29; Bundesverfassungsgericht Urteil vom 2.3.2010 -1 BVR 256/08, 1 BVR 263/08, 1 BVR 586/08, OLG Düsseldorf, Beschluss vom 7.3.2013 -I 20 W 121/12 m.w.N. zur Vorratsdatenspeicherung).

Im Anschluss an die zutreffende Auffassung des Amtsgerichts Koblenz (a.a.O.) liegt daneben in der Weitergabe der Verkehrsdaten des Kunden durch die Deutsche Telekom AG, die nicht Vertragspartnerin des Beklagten ist, ein Verstoß gegen die Datenschutzregelungen der §§ 112 und 113 TKG, da vorliegend der Anschlussinhaber seinen Vertrag über den Zugang zum Internet mit einem Reseller geschlossen hat, der nicht identisch ist mit dem Internet-Access-Provider (Netzbetreiber), da vorliegend die Konzernholding Adressat des erwirkten Gestattungsbeschlusses nach § 101 Abs. 9 UrhG war (vgl. Amtsgericht Koblenz Urteil vom 9.1.2015 – 411 C 250/14 m.w.N.).

Wenn, wie vorliegend, kein Auskunftsbeschluss gegen den Reseller als Vertragspartner des Kunden erwirkt wird, darf dieser die Kundendaten nicht herausgeben. Geschieht dies dennoch -wie vorliegend- stellt ein solches Vorgehen sowohl eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Kunden, als auch einen Verstoß gegen die Datenschutzbestimmungen des TKG dar, mit der Folge, dass in den (Filesharing) Prozess des Rechteinhabers gegen den Kunden des Resellers dieser Umstand zu einem Beweisverwertungsverbot bezüglich der Feststellung der Identität des mutmaßlichen Filesharers führt (instruktiv insoweit auch Johannes Zimmermann, Kommunikation Recht 2015, Seite 73 ff).

Ob es sich bei der ermittelten Datei um eine lauffähige Version oder lediglich um bloße Datenschnipsel handelt, war danach nicht mehr entscheidungserheblich.

Nach dem Vorgenannten war die Klage daher insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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