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Urheberrechtsverletzung – Schadensschätzung nach Grundsätzen der Lizenzanalogie

LG Frankenthal – Az.: 6 S 22/15 – Urteil vom 15.01.2019

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 22.01.2015, Az. 3a C 256/14 abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 535,98 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.05.2013 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz sowie denjenigen des Revisionsverfahrens haben die Klägerin 52 % und der Beklagte 48 % zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts Frankenthal vom 22.01.2015, Az. 3a C 256/14 und des Urteils der Kammer vom 22.07.2016 wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Nach Aufhebung dieses Urteils der Kammer durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 06.12.2017, Az. I ZR 186/16, und gleichzeitiger Zurückverweisung an die Kammer zur neuen Verhandlung und Entscheidung der Sache, hat die Kammer den Kläger ergänzend angehört. Hierauf hat die Kammer beschlossen, über die Behauptung der beklagten Partei, der Download der Datei mit dem Hashwert xxx über den Client mit dem Hashwert xxx und über die IP-Adresse xxx vom 22.03.2011, 11:44 Uhr, bis zum 24.03.2011, 18:13 Uhr, die dem Beklagten zuzuordnen ist, sei Folge eines Hacker-Angriffes über den von dem Beklagten verwendeten Router AVM Fritzbox 7240 durch Verwendung eines Trojaners gewesen, durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens Beweis zu erheben.

Nach Erlass des Beweisbeschlusses der Kammer am 21.08.2018 ließ der Beklagte mitteilen, er habe doch seinen Router und nicht den PC mehrfach „plattgemacht“. Sein PC sei nicht mehr vorhanden.

Die Film-DVD hatte zum Verletzungszeitpunkt einen Kaufpreis von 14,99 €.

Von der Darstellung eines Tatbestandes im Übrigen wird abgesehen (§§ 540 Abs. 2, 313a ZPO).

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt, §§ 511, 517, 519 ZPO, und begründet worden, § 520 ZPO.

Die Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg, weshalb insoweit das amtsgerichtliche Urteil abzuändern war. Im Einzelnen:

II.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz aus § 97 Abs. 1 S. 2 UrhG zu, jedoch nur in Höhe von 29,98 €.

1.

Urheberrechtsverletzung - Schadensschätzung nach Grundsätzen der Lizenzanalogie
(Symbolfoto: Studio_G/Shutterstock.com)

Die Aktivlegitimation der Klägerin ist gegeben. Die Klägerin hat vorgetragen, sie sei Inhaberin der Urheberrechte an dem streitgegenständlichen Filmwerk. Sie hat hierzu auch die entsprechenden Copyrightvermerke vorgelegt. Nachdem der Beklagte dies moniert hat, hat die Klägerin nicht nur eine DVD „Konferenz der Tiere 2 D“ vorgelegt, sondern die entsprechende Blue ray Disc „Konferenz der Tiere 3 D“. Auf die Anlage K5 wird Bezug genommen. Aus der Anlage K5 ist ersichtlich, dass auf der Blu-ray-Disc sowie deren Verpackungshülle folgendes vermerkt ist: „© C. GmbH.“ Damit streitet die Vermutung des § 10 UrhG für sie, was zu einer Beweislastumkehr führt. Die mit Anlage K 5 vorgelegten Copyrightvermerke greift der Beklagte auch nicht mehr qualifiziert an.Die Aktivlegitimation ist somit ausreichend durch Indizien nachgewiesen (BGH, ZUM 2016, 173 ff – Tauschbörse I).

2.

Das Filmwerk ist auch urheberrechtsschutzfähig, § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG. Filmwerke entstehen meist auf der Grundlage fotografischer Aufnahmetechniken. Jedoch erfasst der Begriff des Filmwerkes auch auf andere Weise geschaffene Bildfolgen wie Zeichentrickfilme (Wandtke/Bullinger/Bullinger UrhG § 2 Rn. 120-121, beck-online).

3.

Eine Urheberrechtsverletzung ist nicht bereits abzulehnen, weil, wie die Kammer noch in ihrem Urteil vom 22.07.2016 annahm, dass sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht ergebe, dass über den Internetanschluss des Beklagten tatsächlich eine lauffähige Version des fraglichen Filmwerkes oder eines Teils davon zum Herunterladen angeboten worden sei und dies Voraussetzung für das Vorliegen des hier geltend gemachten Unterlassungsanspruchs sei und zwar unabhängig davon, ob Schutz eines Werkes im Sinne des Urhebergesetzes oder der Leistung eines Ton- oder Bildträgerherstellers nach § 85 bzw. § 94 UrhG geltend gemacht werde (Datenmüllrechtsprechung). Zur Begründung wird auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 06.12.2017, Az. I ZR 186/16, verwiesen.

4.

Die Kammer geht auch von einer durch den Beklagten begangenen Urheberrechtsverletzung aus. Die Ermittlung der IP-Adresse des Beklagten, als diejenige, über welche das Filmwerk „Konferenz der Tiere 3 D“ im Zeitraum vom 22. – 24. März 2011 zum Download angeboten worden ist, ist im Verlauf des Verfahrens unstreitig gestellt worden. Unstreitig ist zwischen den Parteien ebenfalls, dass keiner der Mitnutzer des Internetanschlusses des Beklagten die streitgegenständliche Rechtsverletzung begangen hat.

Zwar trägt die Klägerin nach den allgemeinen Grundsätzen als Anspruchstellerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf Schadensersatz erfüllt sind. Sie hat darzulegen und im Bestreitensfall nachzuweisen, dass der Beklagte für die von ihr behaupteten Urheberrechtsverletzungen als Täter verantwortlich ist (vgl. BGH, NJW 2013, 1441 Rn. 32 – Morpheus; BGH, NJW 2014, 2360 Rn. 14 – BearShare; BGH, NJW 2016, 953 Rn. 37 – Tauschbörse III; BGH, NJW 2017, 78 Rn. 32 – Everytime we touch).

Die Klägerin nimmt den Beklagten als Täter in Anspruch. Täter in diesem Sinne ist zunächst derjenige, der einen handlungsbezogen formulierten Verletzungstatbestand der §§ 16 ff. UrhG eigenhändig erfüllt (BGH MMR 2010, 565, 566). Dies ist vom Anspruchssteller darzulegen und zu beweisen. Da dieser Beweis kaum zu führen ist, spricht jedoch eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss nutzen konnten (BGH, NJW 2014, 2360 Rn. 15 – BearShare; BGH, NJW 2016, 953 Rn. 37 – Tauschbörse III). Diese tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers kommt auch dann in Betracht, wenn der Internetanschluss – wie bei einem Familienanschluss – regelmäßig von mehreren Personen genutzt wird (BGH, NJW 2016, 953 Rn. 39 – Tauschbörse III; BGH, NJW 2017, 78 Rn. 34 – Everytime we touch; BGH, NJW 2018, 68).

Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist hingegen anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde.

In solchen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses eine sekundäre Darlegungslast. Diese führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast gemäß § 138 I und II ZPO hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat (BGH, NJW 2018, 65). Einen derartigen Vortrag hält der Beklagte hier aber nicht. Es ist zwischen den Parteien vielmehr unstreitig, dass die Mitnutzer seines Internetanschlusses die Verletzungshandlung nicht begangen haben. Der Beklagte selbst trägt darüber hinaus vor, sein WLAN-Zugang sei mittels WPA2 verschlüsselt und mit wechselnden Passwörtern gesichert wurde – was klägerseits unstreitig gestellt wurde – (Bl. 149 d.A.).

Damit streitet eine tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Beklagten als Anschlussinhaber. Letztlich ausschlaggebend war zudem die Anhörung des Beklagten gemäß § 141 ZPO im Termin, wonach auch letzte Zweifel an der Täterschaft des Beklagten ausgeräumt worden wären.

Soweit der Beklagte behauptet, sein Internetanschluss sei „geknackt“, er sei Opfer eines Hackerangriffes geworden und dies unter Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens stellt, war diesem Beweisangebot nach Änderung des Beklagtenvortrages nicht mehr nachzugehen, denn das Vorbringen des Beklagten ist widersprüchlich und damit für das Gericht nicht glaubwürdig. Informatorisch angehört, gab er ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 26.06.2018 an: „Ich bin Diplom-Informatiker (FH) Fachrichtung Technische Informatik. Zu dem Verletzungszeitpunkt hatte ich einen PC. Dieser war über den Router mit dem Internet verbunden. Auf meinem PC habe ich auch beruflich gearbeitet. Homeoffice und auch Rufbereitschaft. Ich habe meinen Computer deshalb gesondert gesichert. Ich hatte eine Firewall, Antiviren-Software und Anti-TrojanerSoftware. Nachdem ich die Abmahnung erhalten habe, habe ich an einen Trojaner-Angriff gedacht und zwar ein bis dato unbekannter Trojaner. Ich habe dann meinen Computer durchgesehen. Ich habe versucht, Spuren des Werkes auf meinen Rechner zu finden und konnte sie nicht identifizieren. Ich habe dann den aus meiner Sicht einzig möglichen Schritt getan, nämlich alles platt gemacht. Damit meine ich den Rechner von Grund auf neu installiert, alle verfügbaren Security-Hotfixes installiert. Ich habe die Passwörter vom Router und vom PC geändert. Ich habe wieder Viren-Software und Anti-Trojaner-Software installiert. Ich bin noch in Besitz des Computers. Er ist inzwischen allerdings schon drei- bis viermal neu installiert worden. Den Router, den ich 2009 angeschafft hatte, habe ich nunmehr ausgetauscht. Er ist aber noch vorhanden. Grund des Austausches war, dass vor einigen Wochen ein Vorfall war, dass seitens der Firma V. mir eine exorbitante Rechnung gestellt wurde mit Telefonkosten, die nicht sein konnten.“ Mit Schriftsatz vom 18.10.2018 (Bl. 719 ff. d.A.) lässt er sodann vortragen, den damals genutzten Computer habe er bereits entsorgt und seinen damals genutzten Router mehrfach „platt gemacht“. Nun soll also nur noch der Router vorhanden sein. Im Übrigen geht der Beklagte selbst davon aus, ein Hackerangriff im Jahre 2011 aufgrund der Löschung und Neukonfigurierung sei „wohl eher nicht“ zu beweisen, wie er im Rahmen seiner Anhörung ausführte. Damit streiten, selbst wenn die Beweislast auf Seiten der Klägerin anzunehmen sein sollte, die Grundsätze der Beweisvereitelung gegen ihn. Den Beweis vereitelt, wer die Beweisführung durch den beweisbelasteten Gegner schuldhaft verhindert oder erschwert (Musielak/Voit, ZPO,15. Auflage 2018 Rn. 62). Indem der Beklagte Router oder PC in Kenntnis der Abmahnung neu konfigurierte, damit davon ausging, es werde sich ein Nachweis nicht mehr führen lassen können und den damals genutzten PC in Kenntnis seiner Inanspruchnahme – zumindest nach seinem neuesten Vorbringen – auch noch entsorgte, ist im vorliegenden Fall sogar von einer vorsätzlichen Beweisvereitelung auszugehen. Diese kann die Kammer frei würdigen (Musielak a.a.O.). In einer Gesamtschau mit dem beschriebenen wechselhaften Vorbringen des Beklagten gelangt die Kammer dabei auch zu der Überzeugung, dass ein – unterstellt durch die Klägerin zu führender – Beweis der Täterschaft des Beklagten ansonsten gelungen wäre.

Soweit der Beklagte mit Schriftsatz vom 27.11.2018 seinen Vortrag eines Hackerangriffes durch Beschreibung seiner damaligen technischen Ausstattung untermauern will, ist dieses Vorbringen bestritten und als verspätet zurückzuweisen. Der Schriftsatz ging am Dienstag, 27.11.2018, bei Gericht ein und wurde auch an diesem Tag dem Gegner zugestellt. Die Frist des § 132 ZPO ist damit für den am Dienstag, 04.12.2018 abgehaltenen Verhandlungstermin nicht gewahrt worden. Die Frist ist eingehalten erst mit Zugang beim Gegner. Für die Fristenberechnung gelten § 222 ZPO, §§ 187, 188 BGB, dh für Termin am Mittwoch muss Schriftsatz spätestens am Dienstag der Vorwoche zugehen (Zöller-Greger, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 132 Rn. 2.). Ein Eingang wäre hier also am Montag, den 26.11.2018 erforderlich gewesen. Die Kammer erachtet das Vorbringen als verspätet, §§ 296, 282, 132 ZPO. Eine Verzögerung des Rechtsstreits ist anzunehmen, weil über das bestrittene Vorbringen Beweis zu erheben wäre.

5.

Abzuweisen ist der lizenzanaloge Schadenersatz (§ 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG), sofern er über einen Betrag von 29,98 €, den doppelten Kaufpreis des Filmes, hinausgeht. Ein darüber hinausgehender weiterer Schadensersatzanspruch ist zur Überzeugung der Kammer (§ 287 ZPO) nicht dargetan.

a) Die vom Verletzer auf der Grundlage der Lizenzanalogie (§ 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG) für eine bereits erfolgte Nutzung als Schadensersatz zu entrichtende fiktive Lizenzgebühr dient dem Ausgleich der Einbußen, die der Rechtsinhaber durch den widerrechtlichen Eingriff in die ihm zustehenden Verwertungsrechte erlitten hat. Zweck dieser Berechnungsmethode ist es, den Schädiger nicht besser zu stellen als im Fall einer ordnungsgemäß erteilten Erlaubnis durch den Rechtsinhaber. Die Lizenzanalogie läuft also auf die Fiktion eines Lizenzvertrages hinaus (BGH GRUR 1990, 1008). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese Berechnungsmethode wegen deren Nähe zu einem Pauschalschadenersatz, insbesondere gegenüber einer unentgeltlich handelnden Person stets die Gefahr birgt, dass eine Überkompensation eintritt.

b) Auf das Filesharing übertragen stehen Erwägungen bezüglich einer allgemeinen Unzulässigkeit von Filesharing-Lizenzen dem Schadenersatz nach Lizenzanalogie nicht entgegen. Auch berührt eine fehlende Berechtigung des Rechteinhabers, seine ihm gemäß §19a UrhG zustehenden Internet-Verbreitungsrechte weiter zu lizenzieren, nicht die Möglichkeit der Lizenzanalogie. Demnach scheitert ein Schadensersatz in Form einer Lizenzanalogie nicht daran, dass ein „Verramschen“ eines Computerspiels oder wie hier eines Filmwerkes über ein Filesharingnetzwerk letztlich in keinem Lizenzvertrag der Welt jemals tatsächlich lizensiert werden dürfte. Denn der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, dass Voraussetzung für den Schadenersatz nach Lizenzanalogie lediglich die theoretische rechtliche Möglichkeit der Lizenzeinräumung ist (BGH GRUR 2016, 1280); die Klägerin ist ausschließliche Nutzungsrechteinhaberin und könnte theoretisch eine dahingehende Lizenz erteilen.

Gleichwohl lässt sich eine dahingehende Lizenzanalogie durch das Gericht nach § 287 ZPO nicht auf diesem Wege zuverlässig im Wege einer typisierenden Betrachtungsweise schätzen. Die unberechtigte Verbreitung eines Filmwerkes über ein Filesharing-Netzwerk ist im Ansatz nicht vergleichbar mit einer vergleichsweise anzudenkenden kostenlosen Verbreitung durch den Lizenzgeber. Eine derartige Vorgehensweise würde der Klägerin jegliche Möglichkeiten der Vermarktung ihrer ausschließlichen Nutzungsrechte nehmen, da ihr gesamter Kundenkreis in die Lage versetzt wäre, das Werk risikolos auf legalem Wege zu erlangen. Zugleich würde der Inhaber der Internetrechte mit einer solchen Vorgehensweise zum Ausdruck bringen, dass der Markt es nicht zulässt, mit dem Werk Einnahmen zu erzielen, er würde mithin also den wirtschaftlichen und künstlerischen Wert des Werks in Verruf bringen. Die Verbreitung über ein Filesharingnetzwerk hat solche Folgen aber nicht, insbesondere ist hiermit in keiner Weise zum Ausdruck gebracht – und schon gar nicht durch den Rechteinhaber selbst – dass das Werk wertlos ist, vielmehr ist innerhalb des Nutzerkreis solcher Netzwerke im Gegenteil bekannt, dass sich dort typischerweise hochwertige Spiele/Programme/Filme finden lassen. Hinzu kommt eine damit einhergehende weitere Werbewirkung für das Spiel/Programm innerhalb der Szene. Die kostenlose Verbreitung über Filesharing-Netzwerke kann nach alledem von den Auswirkungen her, für den Wert des ausschließlichen Nutzungsrechts der Klägerin, nicht mit einer Verbreitung durch den Rechteinhaber selbst verglichen werden. Wegen der nicht gegebenen Vergleichbarkeit einer Lizenzeinräumung mit der Situation, wie sie sich in Tauschbörsen darstellt, überzeugt die Kammer auch die von der Klägerin vorgenommene Vergleichsrechnung mit einer üblichen Lizenzgebühr bei legalen Downloadportalen nicht, wonach sie für 250 Abrufe eine Lizenzgebühr von 2.500,00 € errechnet.

c) Auch die durch die Klägerin vorgetragene Berechnungsmethode eines fiktiven Lizenzmodells für Tauschbörsenangebote, die einen Tauschbörsenlizenz bei mehreren tausend Euro ansetzt (Bl. 28 d.A.), überzeugt die Kammer nicht. Zwar ist das Vorgehen der Klägerin für die Kammer nachvollziehbar, der Gesamtbetrag damit nicht lediglich pauschal angesetzt. Jedoch hält es die Kammer schon nicht für sachgerecht, der Berechnung zugrunde zu legen, dass pro Stunde zwei oder vier Nutzer eine Werk-Kopie herunterladen (Bl. 26 d.A.). Denn für die Kammer ist kein konkreter Ansatzpunkt erkennbar, ob tatsächlich eine so große Nachfrage in Bezug auf das hier streitgegenständliche Spiel gegeben ist und wie innerhalb einer Stunde mit welchen Geräten ein Filmwerk mit einer Gesamtdatenmenge von ca. 400 MB heruntergeladen worden sein mag und dies noch dazu gerade zeitlich anschließend an die durch den Beklagten begangenen Rechtsverletzung.

Auch die durch die Rechtsprechung im Bereich der Musiktitel entwickelte Berechnungsmethode fußt auf der Überlegung, darauf abzustellen, wie häufig aufgrund der Beteiligung des Verletzers an der Tauschbörse von unbekannten Dritten auf die geschützten Titel theoretisch zugegriffen worden ist (vgl. OLG Köln, Urteil vom 23. März 2012 – 6 U 67/11, juris Rn. 41 f.; Beschluss vom 08. Mai 2013 – 6 W 256/12, juris Rn. 9; OLG Hamburg, Urteil vom 07. November 2013 – 5 U 222/10, juris Rn. 70 ff., jeweils für Musiktitel). Diese Rechtsprechung wird teilweise auf die Bestimmung des lizenzanalogen Schadens im Bereich des Filesharings auch von Computerspielen übertragen (LG Stuttgart Urt. v. 26.08.2015, Az. 24 O 179-15). Bereits der Grundgedanke einer Übertragung der Rechtsprechung von Musiktiteln auf Computerspiele oder hier eines Filmwerkes überzeugt nicht. Während die Downloadgeschwindigkeit eines Musiktitels auf Grund des relativ geringen Datenvolumens vergleichsweise schnell ist und bei Vorhandensein einer leistungsfähigen Hardware sowie eines schnellen Internetzuganges ein solcher Download in wenigen Augenblicken abgeschlossen sein kann, benötigt der Download eines modernen Filmwerkes – mit regelmäßig mehreren Megabyte an notwendigem Speichervolumen – auch bei leistungsstarker Hardware – einen vergleichsweise längeren Zeitraum. Eine Schätzung, wann ein solcher Download im Zuge des Filesharings – im Rahmen eines „Peer-to-Peer Netzwerkers“ – im Durchschnitt zeitlich abgeschlossen ist, ist nicht möglich. Je nach Größe der Datenübertragungsrate, die jeder Downloader bekommen kann, hängt die Geschwindigkeit von der Menge der fertigen und der Menge der unfertigen Downloads sowie der individuellen Uploadraten der Nutzer ab, es kann demnach zu einer deutlich abweichenden Rate von mehr oder weniger Kilobytes pro Sekunde kommen. Dies betrifft besonders große Dateien stärker als sehr kleine Dateien, die auch bei schwacher Auslastung, geringer Anzahl der Uploader und schwacher Hardware rasch verbreitet werden können. Der zu Musiktiteln entwickelte Gedanke einer pauschalen Multiplikation auf Grund der Möglichkeit der besonders raschen Verbreitung lässt sich zur Überzeugung der Kammer auf das hier streitgegenständliche Filmwerk ebenfalls gerade nicht übertragen.

Zudem entsteht bei dieser abstrahierenden Berechnungsweise, die die Klägerin nach ihrem Vortrag auf jeden Verletzer anwenden will, denklogisch eine deutliche Überkompensation. Im Übrigen erscheint es auch unbillig, einen nicht gewerblichen Verletzer mit hohen Forderungen von mehreren tausend Euro zu konfrontieren, ohne einen konkreten Schaden in dieser Höhe auch nur ansatzweise darlegen zu können. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die Klägerin einen solchen Anspruch nicht eingeklagt hat. Behauptet hat sie ihn aber. Ihre Berechnung zugrunde gelegt, könnte ein nicht gewerblicher Verletzer auch in dieser Höhe in Anspruch genommen werden.

d) Letztlich verbleibt dem Gericht mangels anderer Anhaltspunkte lediglich die Möglichkeit, gemäß § 287 ZPO einen Mindestschaden zu schätzen. Die Klägerin hat weder die tatsächliche Verbreitung dargelegt, noch vorgetragen, wie viele Tauschbörsennutzer sie hinsichtlich dieses Verletzungszeitpunktes bereits in Anspruch genommen hat.

Die Kammer schätzt den lizenzanalogen Schaden nach den Grundsätzen, mit welchen Rechtsgutsverletzungen an Lichtbildern beziffert werden.

Hierbei wird der Marktwert des Filmwerkes zum Verletzungszeitraum zu Grunde gelegt und mit einem 100%-igen Verletzerzuschlag versehen. Durch diese Berechnungsmethode wird der Verletzer sanktioniert und es wird zugleich dem Willen des Gesetzgebers entsprochen, der eine Überkompensation im Rahmen des „neuen“ § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG nicht vorgesehen hat.

§ 287 ZPO erfordert eine richterliche Ermessensausübung unter Würdigung aller Umstände.

Mangels anderer zuverlässiger Schätzgrundlagen aufgrund fehlender tatsächlicher Lizensierung und aufgrund der Unmöglichkeit, den tatsächlichen Verbreitungsgrad (des Filmwerkes oder Bruchteilen davon) zu ermitteln, sind nach § 287 ZPO weder für eine Pauschalierung, noch für eine Hochrechnung ausreichend zuverlässige Schätzgrundlagen zu ermitteln. Bei besonderen Schwierigkeiten das Schadensnachweises, wie im vorliegenden Fall, ist daher ein Mindestschaden zu schätzen, sofern hierfür konkrete Anhaltspunkte bestehen ( Zöller/ Greger, ZPO, 32. Aufl., § 287, Rnr. 2).

Ein konkreter Anhaltspunkt, der für die Kammer objektivierbar ist, ist der Kaufpreis der Film-DVD. Damit ist ein verlässlicher Anknüpfungstatbestand für eine Berechnung möglich. Die Kammer rekurriert deshalb gemäß § 287 ZPO auf die Methode wie bei Lichtbildern oder GEMA- Verletzungshandlungen. Als lizenzanaloger Schadensersatz ist der Wert des Filmes entsprechend dem regulären Kaufpreis zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung geschuldet nebst einem 100%-igen Verletzerzuschlag ( Büscher/Dittmer/Schiwy- Niebel, Gewerblicher Rechtsschutz, 3. Aufl., § 97, Rnr. 45 für GEMA).

Dies erscheint auch in einer Kontrollüberlegung unter Würdigung der Gesamtumstände nicht unbillig. Die Klägerin erhält neben den Kosten der Rechtsverfolgung (Abmahnung), der strafbewehrten Unterlassung zur Ahndung künftiger Verstöße und dem Kaufpreis des Filmes einen Verletzerzuschlag. Gleichzeitig scheidet aber eine deutliche Überkompensation, die bei der von der Klägerin angestellten Berechnungsmethode denklogisch möglich ist, aus.

Das Filmwerk hatte zum Verletzungszeitpunkt einen Wert von 14,99 €. Zuzüglich des 100%-igen Verletzerzuschlags ist daher gemäß § 287 ZPO ein lizenzanaloger Schadenersatz von 29,98 € zuzusprechen.

6.

Der Schadensersatzanspruch ist nicht verjährt. Die Verjährungsfrist beträgt zehn Jahre, § 852 Abs. 2 BGB (BGH, Beschluss vom 23. Januar 2017 – I ZR 265/15 –, juris).

7.

Der lizenzanaloge Schaden ist, wie beantragt, ab dem 24.05.2013, zu verzinsen gemäß §§ 280, 286 BGB, da der Beklagte durch Ablauf der mit Schreiben vom 29.04.2013 gesetzten Frist auf den 06.05.2013 in Verzug geriet.

III.

Der Klägerin steht auch der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten zu, § 97 a Abs. 2 UrhG a.F.

1.

Auf den mit der Klage geltend gemachten Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ist zunächst § 97a UrhG in der bis zum 8. Oktober 2013 geltenden Fassung anzuwenden. Die durch das Gesetz über unseriöse Geschäftspraktiken vom 1. Oktober 2013 (BGBl I, S. 3714) mit Wirkung ab dem 9. Oktober 2013 eingeführten Neuregelungen zur Wirksamkeit der Abmahnung und zur Begrenzung der erstattungsfähigen Kosten nach § 97a Abs. 2 und 3 Satz 2 und 3 UrhG n.F. gelten erst für Abmahnungen, die nach Inkrafttreten des Gesetzes über unseriöse Geschäftspraktiken ausgesprochen worden sind. Für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten kommt es auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung an. Diese wurde vorliegend bereits im Jahr 2012 ausgesprochen.

2.

Nach § 97a Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F. soll der Verletzte den Verletzer vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf Unterlassung abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen. Soweit die Abmahnung berechtigt ist, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden. Danach besteht ein Anspruch auf Abmahnkostenersatz, wenn die Abmahnung begründet gewesen ist, ihr also ein materieller Unterlassungsanspruch zugrunde gelegen hat. Darüber hinaus muss die Abmahnung wirksam und erforderlich sein, um dem Unterlassungsschuldner einen Weg zu weisen, den Unterlassungsgläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen (BGH, Urteil vom 21. Januar 2010 – I ZR 47/09). Im Streitfall stand der Klägerin vor Abgabe der Unterlassungserklärung durch den Beklagten ein Unterlassungsanspruch gegen diesen zu. Insofern wird auf die oben stehenden Ausführungen verwiesen.

3.

Der Klägerin steht der verfolgte Anspruch auch in der geltend gemachten Höhe von 506,00 € zu.

Da das Angebot eines urheberrechtlich geschützten Werkes zum Herunterladen über eine Internettauschbörse regelmäßig keine nur unerhebliche Rechtsverletzung darstellt (BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – I ZR 1/15 – Tannöd -, juris) und hier auch keine Anhaltspunkte für eine Ausnahme ersichtlich sind, ist § 97a Abs. 2 UrhG a.F. nicht einschlägig. Der klägerseits für die Berechnung der Anwaltsgebühren in Ansatz gebrachte Gegenstandswert von 10.000,00 € begegnet nach Auffassung der Kammer keinen Bedenken.

4.

Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten ist ebenfalls nicht verjährt. Der Ablauf der Verjährungsfrist ist durch Zustellung des Mahnbescheides gehemmt worden, § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB i.V.m. § 167 ZPO. Der zugestellte Mahnbescheid ist hinreichend bestimmt. Dem Beklagten muss wegen der Bezugnahme auf das „Schreiben vom 06.04.2011“ und die Nennung der Klägerin und der Bezeichnung „UrhR-Verletzung“ klar gewesen sein, worum es ging, da zwischen den Parteien nur die hier streitgegenständliche Rechtsverletzung in Streit stand und steht.

5.

Der Zinsanspruch auf die Abmahnkosten folgt ebenfalls aus §§ 280, 286 BGB.

Nebenentscheidungen: Der Streitwert ergibt sich aus § 3 ZPO i.V.m. § 48 GKG.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs.1 Satz 1, 97 ZPO. Dabei hatte die Kammer nach der tenorierten Zurückverweisung auch über die Kosten der Revision zu entscheiden. Dies führte zur Auferlegung der Kosten auf die Klägerin, soweit diese in der Hauptsache unterlegen ist.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht vorliegen. Zu erwägen wäre dies allenfalls in Hinblick auf die ausgeurteilte Schadenshöhe. Zur Fortbildung des Rechts ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Hierzu besteht nur dann Anlass, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (MüKoZPO/Krüger, 5. Aufl. 2016, ZPO § 543 Rn. 11). Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung soll eine Korrektur der angegriffenen Entscheidung nur in den Fällen ermöglichen, in denen sonst schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen könnten, die dieses Vertrauen erschüttern (Musielak a.a.O. Rn. 12). Beides sieht die Kammer hier nicht als gegeben an. Zur Frage der Schadensschätzung (§ 287 ZPO) bei Filmwerke betreffenden Rechtsverstößen in Filesharingnetzwerken existiert – im Gegensatz zu Computerspielen betreffenden Verstößen – weder eine Vielzahl voneinander abweichender Entscheidungen anderer Gerichte, noch lagen der Kammer selbst bereits regelmäßig solche Fallkonstellationen zur Entscheidung vor, sodass die Verallgemeinerungsfähigkeit nicht gegeben ist.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.106,00 € festgesetzt.

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