LG Magdeburg 2. Zivilkammer – Entscheidungsdatum: 20.01.2021 – Aktenzeichen: 2 O 706/20
Orientierungssatz
Wird bei der Einstellung eines Artikels zum Verkauf über eine Internetauktionsplattform aufgrund einer fehlerhaften Bedienung der Anwendung ein nicht beabsichtigter Startpreis eingegeben, so stellt die Preisangabe einen Erklärungsirrtum dar. Die fehlerhafte Erklärung berechtigt den Verkäufer zu einer Anfechtung der Willenserklärung.(Rn.13)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Streitwert: 15.412,00 €.
Tatbestand
Die Beklagte bot über die Verkaufsplattform eBay Elektrogeräte zum Verkauf an. Der Kläger kaufte 38 Artikel zum Gesamtpreis von 987,45 €, und zwar
- 3 EGO Power Kettensägen CS 1401 E zum Einzelpreis von jeweils 82,04 €,
- 3 EGO Power Akku-Kettensägen CS 1600E zum Einzelpreis von 13,11 €,
- 5 EGO Power Kettensägen CS 1401E zum Einzelpreis von 82,04,
- 6 EGO Power Rasentrimmer-Aufsatz STA1500 zum Einzelpreis von 11,01 €,
- 8 EGO Power Akku-Rasenmäher LM2120E-SP zum Einzelpreis von 10,85 €,
- 6 EGO Power Akku-Heckenscheren-Kit HT2401E zum Einzelpreis von 10,37 €,
- 7 EGO Power Akku-Rasenmäher LM2020E-SP mit Mulchfunktion zum Einzelpreis von 10,96 €,
Auf diesen Kauf vom 5. Februar 2020 erhielt der Kläger eine Mail vom selben Tage, in der die Beklagte den Kauf stornierte und darauf hinwies, dass die Preise durch einen technischen Fehler falsch angegeben worden seien. Aus diesem Grunde fechte sie den Kaufvertrag vom selbigen Tage an. Den Kaufpreis werde sie zurückerstatten, was sie auch tat. Der Kläger forderte am 2. März 2020 die Beklagte auf, den Kaufvertrag zu erfüllen, was die Beklagte verweigerte und setzte ihr mit anwaltlichem Schreiben vom 17.03.2020 eine weitere Frist zur Erfüllung.
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Verträge wirksam zustande gekommen seien, die Anfechtungserklärung der Beklagten greife nicht durch. Es sei völlig schleierhaft, was ein technischer Fehler sei. Im Übrigen liege kein Erklärungsirrtum vor, sondern allenfalls ein Irrtum bei der Vorbereitung des Preiscodes, der nicht relevant sei.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den ihn EUR 15.412,00 nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. März 2020 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von der Forderung seiner Prozessbevollmächtigten wegen der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von EUR 1.029,35 gemäß Kostennote vom 31. März 2020 freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist darauf, dass ihre regulären Verkaufspreise zwischen dem 10- und 60-Fachen des jeweils vom Kläger angenommenen Verkaufspreises lägen. Das zeige schon, dass hier ein Irrtum vorliegen müsse. Es habe sich nicht um eine Auktion gehandelt. Die Preiscodes seien versehentlich unzutreffend eingespielt und dann auf die eBay-Plattform eingelesen worden. Es habe sich um eine unbewusste falsche Eingabe gehandelt. Dies sei dem Kläger auch bewusst gewesen, der als Einzelperson in einer so großen Anzahl Geräte erworben habe, die man als Einzelperson in der Form nicht brauche.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einvernahme des Zeugen Schäfer.
Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird Bezug auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 2. Dezember 2020 genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage auf Erfüllung des Kaufvertrages nach § 433 BGB bzw. auf Zahlung von Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach §§ 280, 281 BGB ist nicht erfolgreich. Die Beklagte hat zu Recht ihre Kaufvertragserklärung nach § 119 BGB als Erklärungsirrtum angefochten. Diese Anfechtung ist auch unverzüglich erfolgt, nämlich am selben Tage der Bestellung des Klägers. Bei elektronischen Erklärungen liegt in der fehlerhaften Bedienung oder Eingabe eines falschen Buchcodes in der Regel ein Irrtum in der Erklärungshandlung vor, die Verwendung von falschem Datenmaterial, aus dem dann die Eingabe heraus durchgeführt wird, stellt lediglich ein Irrtum bei der Erklärungsvorbereitung dar und begründet kein Anfechtungsrecht (Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl., § 119, Rz. 10).
Danach ist nach den Angaben des Zeugen …, der verantwortlichen Person bei der Beklagten, von einem Erklärungsirrtum auszugehen. Dieser hat erläutert, dass nicht von einem vorliegenden Material heraus jeweils der individuelle Preis in die Angebote auf der eBay-Plattform eingestellt werden und hier etwa diese Listen oder Preisangaben falsch gewesen wäre, sondern dass nach festgelegten Parametern automatisch die Preise bestimmten Artikeln zugeordnet werden, wobei die Zuordnung anhand von Kriterien, wie eine Artikel-Identnummer, bestimmten Herstellerangaben, wie auch des Versandstatus, geschieht. Danach habe das System die Preise nicht zutreffend den jeweiligen Artikeln zugeordnet, sondern aufgrund bestimmter Umstände völlig fernliegende Preise einer Reihe von Artikeln beigegeben. Es habe sich nicht etwa um Rabatt- oder sonstige Eingabeprobleme gehandelt. Angaben, warum es zu diesen Veränderungen gekommen sei, könne man im Einzelnen heute nicht mehr machen, da die Beklagte sofort nach Auffallen der falschen Preisangaben diese komplett gelöscht habe und ihr gesamtes Angebot von der Plattform bei eBay genommen habe. Es seien dann auch sofort die Mails an die Kunden gesandt worden mit der Anfechtungserklärung. Man habe die Fehlerhaftigkeit auch sofort bemerkt, da die Verkäufe angezogen hätten aber keinen Deckungsbeitrag angesichts des geringen Kaufpreises im Vergleich zu dem realistischen ausgewiesen hätten, so dass sofort aufgefallen sei, dass etwas falsch sein müsse in der einzelnen Angabe.
Die Angaben des Zeugen sind überzeugend und plausibel. Er hat auch die technischen Abläufe nachvollziehbar dargestellt, so dass zu erkennen ist, dass nicht das Material, was als Grundlage zur Eingabe dient, den Fehler aufgewiesen hat, sondern das die Eingabe selbst fehlerhaft war, so dass hier ein Anfechtungsgrund vorliegt.
Damit hat der Kläger aus den abgeschlossenen Kaufverträgen keine Erfüllungsansprüche und auch keine Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung. Soweit Schadensersatzansprüche nach § 122 BGB in Betracht kommen, hat der Kläger entsprechende Schäden nicht substantiiert. Das gilt auch für die Anwaltskosten, die sich auf einen Schadensersatzanspruch in vollem Umfang erstreckt. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass der Kläger einen Schaden von 15.412,00 € bei einer Gesamtkaufsumme von 987,45 € geltend macht.
Nach alledem ist die Klage zur Hauptforderung als auch zur Nebenforderung abzuweisen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 709, 91 ZPO.