LG Hamburg – Az.: 308 S 15/13 – Urteil vom 06.12.2013
Auf die Berufung der Klägerin und Berufungsklägerin wird der Beklagte und Berufungsbeklagte unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Hamburg vom 07.06.2013, Az. 36a C 116/13 verurteilt, an die Klägerin weitere € 386,10 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.04.2013 zu zahlen.
II. Der Beklagte und Berufungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin und Berufungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) wendet sich mit ihrer Berufung gegen ein erstinstanzliches Urteil, durch das ihr unter teilweiser Zurückweisung ihrer Klage lediglich ein Teil der von ihr geltend gemachten Abmahnkosten zugesprochen wurde.
Die Klägerin ist eine beim Amtsgericht Charlottenburg eingetragene (Rechtsanwalts-) Partnergesellschaft. Sie macht gegen den Beklagten und Berufungsbeklagten (im Folgenden: Beklagter) einen Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten aus abgetretenem Recht geltend. Die Zedentin … (1987) Ltd., eine am 25.02.1987 gegründete Gesellschaft b. Rechts, ist Inhaberin der Künstlerleistungsschutzrechte an allen musikalischen Darbietungen und Aufnahmen der Musikgruppe „…“ als ausübende Künstler seit 1987, die ihr von den Mitgliedern der Musikgruppe „…“ übertragen wurden.
Am 05.12.2011 bot der Beklagte und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) unter dem Verkäufernamen „e.“ bei eBay unter der Artikelnummer … eine Doppel-CD mit insgesamt 20 Aufnahmen der Musikgruppe „…“ und einer Laufzeit von 150 Minuten zum Kauf an. Das eBay-Nutzerkonto des Beklagten wies zu diesem Zeitpunkt bereits 1497 Bewertungen auf. Die CD stammte aus einer Sammlungsauflösung eines Freundes. In der Artikelbeschreibung wird die CD als „neuwertig“ und „in top-Zustand“ beschrieben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Anlage K 2 verwiesen. Bei den auf sich auf der angebotenen CD befindlichen Aufnahmen handelte es sich um sog. „Bootlegs“, das heißt niemals offiziell veröffentlichte Konzertmitschnitte der Zedentin.
Mit Schreiben vom 06.12.2011 mahnte die Klägerin den Beklagten im Auftrag der Zedentin wegen des Angebots bei eBay ab und verlangte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung sowie Ausgleich der entstandenen Abmahnkosten in Höhe von € 651,80, berechnet auf der Grundlage eines Streitwerts von € 10.000,00 nach einer 1,3 Geschäftsgebühr (Anlage K 3). Mit Schreiben vom 08.12.2011 (Anlage K 4) gab der Beklagte zwar eine strafbewährte Unterlassungsverpflichtungserklärung ab, ein Ausgleich der geforderten Gebühren erfolgte indes nicht.
Auf die daraufhin erhobene Klage der Klägerin hat das Amtsgericht den Beklagten durch Teil-Versäumnis- und Endurteil vom 07.06.2013 verurteilt, an die Klägerin € 265,70 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.04.2013 zu bezahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, der Anspruch der Klägerin bestehe zwar dem Grunde nach, indes lediglich in Höhe einer 1,3-Geschäftsgebühr berechnet nach einem Gegenstandswert von € 3.000,- statt € 10.000,-. Dieser Gegenstandswert entspreche dem Unterlassungsinteresse der Klägerin, denn sowohl Angriffsfaktor als auch Schadensintensität seien gering. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es sich um einen gebrauchten Tonträger aus einer Sammlungsauflösung handele, der im Rahmen eines Privatverkaufs lediglich einmalig angeboten worden sei. Die geringe Schadensintensität ergebe sich zudem daraus, dass keine Raubkopie eines Tonträgers, sondern lediglich ein nicht genehmigter Konzertmitschnitt angeboten worden sei. Ein höherer Streitwert liefe zudem – in Anlehnung an die Rechtsprechung des OLG Braunschweig, 14.10.2011, 2 W 92/11 – den Interessen des Rechteinhabers zuwider, da dieser wegen Kostendeckelung auf einen Teil der Kosten sitzen bleiben könne. Darüber hinaus werde in der Rechtsprechung weitgehend angenommen, dass die bisher zugrunde gelegten Unterlassungsgegenstandswerte insbesondere bei Urheberrechtsverletzungen durch Private oftmals zu hoch gewesen sein könnten, weshalb sich die Rechtsprechung insbesondere in Bezug auf die unberechtigte Nutzung von Fotos im Internet durch Private geändert habe und nunmehr von deutlich geringeren Werten ausgegangen werde, so u.a. im Beschluss des Hans. OLG (Beschluss v. 22.1.2013, Az. 5 W 5/13) wegen einer privaten Fotonutzung bei eBay.
Das Urteil des Amtsgerichts ist der Klägerin am 20.06.2013 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 12.07.2013, eingegangen am selben Tag, hat die Klägerin Berufung eingelegt und diese zugleich begründet. Mit Schreiben vom 03.09.2013 hat der Beklagte Anschlussberufung eingelegt. Die Anschlussberufung hat der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung mit Zustimmung der Klägerin wieder zurückgenommen.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten in vollem Umfang weiter.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Hamburg vom 07.06.2013 zu verurteilen, an die Klägerin weitere € 386,10 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf das erstinstanzliche Urteil sowie die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.11.2013 verwiesen.
Entscheidungsgründe
A.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgemäß eingelegt worden. Sie ist auch begründet
I.
Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung weiterer € 386,10 gemäß § 97a Abs. 1 UrhG. Der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ist nicht nur dem Grunde, sondern auch der Höhe nach vollumfänglich berechtigt.
1. Unstreitig handelte es sich bei der von der Klägerin im Namen der Zedentin ausgesprochenen Abmahnung vom 06.12.2011 um eine dem Grunde nach berechtigte Abmahnung im Sinne des § 97a UrhG, da sich auf dem angebotenen Tonträger nichtlizensierte Aufnahmen der Musikgruppe … befanden, aufgrund derer die Zedentin gegenüber dem Beklagten einen Unterlassungsanspruch nach § 97 Abs. 1 UrhG geltend machen konnte. Das Angebot verstößt gegen das – auf die Zedentin übertragene – ausschließliche Recht der ausübenden Künstler der Gruppe … ihre Darbietungen auf Bild- oder Tonträger aufzunehmen und derartige Bild- oder Tonträger zu vervielfältigen und zu verbreiten (§ 77 UrhG).
2. Die berechtigte Abmahnung löst gemäß § 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG einen Anspruch auf Erstattung der erforderlichen Aufwendungen für die Abmahnung aus. Die im Streit stehenden Aufwendungen waren erforderlich. Das Ansetzen einer 1,3-Geschäftsgebühr ist ebenso wie der – hier allein streitige – angesetzte Streitwert in Höhe von € 10.000,00 für das Anbieten eines urheberrechtsverletzenden Doppel-CD-Tonträgers im Internet über das Internetauktionshaus eBay angemessen.
a) Der Wert des Unterlassungsbegehrens ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls gemäß §§ 3 ZPO, 48 Abs. 1 GKG zu ermitteln und bemisst sich grundsätzlich nach dem Interesse des Verletzten an der Unterbindung weiterer Rechtsverletzungen. Hierfür ist auf die Bedeutung des verletzten Rechts sowie die Intensität des Angriffes abzustellen (Hans. OLG, Beschluss vom 29.112011, Az. 5 W 130/11; ders., Beschluss vom 20.4.2012, Az. 5 W 71/12; BGH GRUR 1990, 1052, 1053 – Streitwertbemessung). Beides kann die verletzte Partei regelmäßig am Besten bewerten (OLG Frankfurt am Main GRUR- RR 2004, 344 – Boykottaufruf). Bei der Wertbemessung haben sich die Gerichte zudem an ihrer eigenen (bzw. der obergerichtlichen) bisherigen Rechtsprechung zu orientieren (Hans. OLG, Beschluss vom 26.08.2013, 5 W 98/12). Der von der Klägerin in ihrer Abmahnung zu Grunde gelegte Wert von € 10.000,00 erscheint nach diesen Maßstäben nicht übersetzt und entspricht zudem dem bisherigen Streitwertgefüge der Kammer und auch des Hanseatischen Oberlandesgerichts.
Vorliegend handelt es sich um das Angebot eines ohne die erforderliche Zustimmung der Werkschöpfer und Künstler hergestellten, vervielfältigten und in den Verkehr gebrachten Tonträgers im Internet. Dies begründet einen erheblichen Eingriff in die Rechte der ausübenden Künstler. Bereits die Angriffsintensität ist erheblich, da ein hohes Interesse der Rechteinhaber an der Unterbindung der Tonträgerpiraterie besteht. Durch sog. Bootlegs – zu denen die Aufnahmen auf der hier streitgegenständliche CD gehören – werden den Künstlern nicht nur ihnen zustehende Einnahmen entzogen, sondern auch die künstlerische Entscheidung, ob Aufnahmen überhaupt veröffentlicht und in welchem Umfang sie verbreitet werden. Schon das Vorhandensein nur eines einzelnen nicht (¡zensierten Titels auf einem Kopplungstonträger schließt deshalb die Annahme eines Bagatellverstoßes aus (Hans OLG, Beschluss vorn 14.12.2009, Az. 5 W 114/09 + 5 W 120/09). Vorliegend handelt es sich um einen aus 20 rechtsverletzenden Aufnahmen bestehenden Doppel-CD-Tonträger, der zudem – anders als eine LP – von nahezu jedem Computer-Nutzer beliebig häufig kopierbar und damit weiterverbreitbar ist. Auch die Bedeutung des verletzten Rechts ist erheblich. Es handelt sich bei der Musikgruppe … um eine der erfolgreichsten und bekanntesten Gruppen. Die auf der Doppel-CD enthaltenen Aufnahmen sind darüber hinaus von besonderem Wert, denn sie stellen einzigartige Live-Mitschnitte dar, deren ungenehmigte Verbreitung die Interessen der Künstler, darüber zu entscheiden, welche Aufnahmen sie in welcher Zusammenstellung in den Handel bringen, erheblich beeinträchtigt. Dass es sich um Aufnahmen aus dem Jahre 1989 handelte, begründet kein geringeres Interesse der Künstler daran, derartige nicht genehmigte Veröffentlichungen ihrer Darbietungen zu unterbinden. Dass es sich nicht um eine Raubkopie eines berechtigterweise in den Handel gelangten Tonträgers handelt, stellt sich insoweit gerade streitwerterhöhend dar.
b) Selbst wenn man zugunsten des Beklagten davon ausgeht, dass er das urheberrechtsverletzende Verkaufsangebot in dem Glauben in das Internet gestellt hat, dass es sich um eine reguläre Veröffentlichung der Musikgruppe handelte, ist ein Streitwert in Höhe von € 10.000,00 für ein solches Angebot nicht überhöht Denn ob der Beklagte die Rechtsverletzung erkennen konnte oder gutgläubig handelte, ist gerade im Bereich der Bekämpfung der Tonträgerpiraterie im Rahmen des verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruchs nicht von entscheidender Bedeutung (Hans. OLG, Beschluss vom 18.09.2012, Az. 5 W 96/12), insbesondere dann nicht, wenn von einem Handeltreiben des Rechtsverletzers in nicht unerheblichen Umfang bundesweit über das Internet auszugehen ist (Hans OLG, Beschluss vom 14.12.2009, 5 W114/09 + 5W 120/09). So liegt es auch hier. Der Beklagte hatte bereits im Zeitpunkt des hier streitgegenständlichen Angebots im Jahr 2011 insgesamt 1497 Bewertungen, was über eine nur gelegentliche Verkaufstätigkeit hinausgeht. Bei einem solchen Umfang stellt sich das Angebot als erheblich dar, weshalb allein die Gutgläubigkeit dem erheblich rechtsgefährdenden Potential – welches sich auch daraus ergibt, dass der Beklagte angegeben hat, die Doppel-CD stamme aus einer Sammlungsauflösung – nicht entgegengehalten werden kann (vgl. Hans. OLG a.a.O.).
c) Der danach als angemessen bewertete Streitwert von € 10.000,- für das streitgegenständliche Angebot bewegt sich zudem im Streitwertgefüge des Hanseatischen Oberlandesgerichts. Das Hanseatische Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 14.12.2009 (Az. 5 W 114/09 + 5 W 120/09) in einem Fall, in dem es um das private Angebot eines zuvor in einem Kaufhaus erworbenen Kopplungstonträgers bei eBay ging, schon wegen eines einzigen nicht lizensierten Titels auf diesem Album den Streitwert auf € 6.000,00 festgesetzt. Mit Beschluss vom 18.09.2012 (Az. 5 W 97/12) hat das Hanseatische Oberlandesgericht ferner für das private Angebot eines ausschließlich aus Bootlegs bestehenden DVD-Bildtonträgers einer bekannten Musikgruppe bei eBay einen Streitwert in Höhe von € 10.000,00 festgesetzt. Dieser Sachverhalt ist mit dem vorliegenden Angebot eines ausschließlich aus Bootlegs bestehenden Doppel-CD-Tonträgers mit 20 Aufnahmen und 150 Minuten Spielzeit vergleichbar.
d) Eine Änderung der Rechtsprechung des Hanseatischen Oberlandesgerichts erkennt die Kammer entgegen den Ausführungen des Amtsgerichts nicht und sieht auch keine Gründe, von der bisherigen Streitwertpraxis abzuweichen. Dem vom Amtsgericht in Bezug genommenen Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 22.01.2013 (Az.: 5 W 5/13) lag ein abweichender Sachverhalt zu Grunde. Im dortigen Fall ging es um die urheberrechtswidrige Nutzung eines Lichtbildes im Rahmen eines eBay-Angebots durch eine Privatperson, welches der Illustration eines einzelnen, zeitlich begrenzten Verkaufsangebots diente. Vorliegend diente der angebotene CD-Tonträger nicht lediglich der Illustration eines Verkaufsangebotes, sondern stellte selbst das urheberrechtsverletzende Produkt dar, welches bei Ablauf der Auktion dauerhaft verbreitet werden soll. Sowohl die Eingriffsintensität als auch der Angriffsfaktor sind bei dieser Konstellation wesentlich höher als bei der Nutzung eines urheberrechtlich geschützten Lichtbildes zur kurzfristigen Illustration eines ansonsten rechtmäßigen Verkaufsvorgangs.
e) Die Kammer schließt sich auch nicht den vom Amtsgericht zitierten Ausführungen des OLG Braunschweig (Beschluss vom 14.10.2011, Az. 2 W 92/11) an, wonach ein erhöhter Streitwert für den Unterlassungsanspruch nicht im Interesse des Urhebers liege, sondern diesen beschwere, weil er die Gefahr erhöhe, dass der Verletzte – sofern der Verletzer nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfüge – selbst die Kosten zu tragen habe. Denn nach Auffassung der Kammer handelt es sich vorliegend schon nicht um einen „nach den Maßstäben generalpräventiver Erwägungen“ heraufgesetzten Streitwert, sondern um den das Unterlassungsinteresse der Klägerin angemessen wiedergebenden Wert. Generalpräventive Gesichtspunkte sind bei der Festsetzung nicht berücksichtigt worden.
II.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288Abs. 1 Satz 2, 291 BGB.
B.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.