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Urheberrechtsverletzung bei Lichtbild – Werksqualität und hinreichende Individualität

AG Nürnberg, Az.: 32 C 4607/15, Urteil vom 22.02.2016

1. Das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 28.10.2015, Az: 32 C 4607/15, bleibt aufrecht erhalten.

2. Die Klägerin trägt die weiteren Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird auf unter 500,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einer Urheberrechtsverletzung.

Die Klägerin betreibt als Eigenbetrieb …. In den Musseen stellt sie unter anderem das Gemälde „Richard Wagner“ vom Künstler Cäsar Willich aus. Der Künstler ist 1886 verstorben. Das Gemälde ist gemeinfrei.

Urheberrechtsverletzung bei Lichtbild - Werksqualität und hinreichende Individualität
Symbolfoto: iiievgeniy/ Bigstock

Im März 1992 fertigte der damals bei der Klägerin beschäftigte Fotograf J. C. von dem genannten Gemälde eine Fotografie, die in dem Buch Sammelleidenschaft, Mäzenatentum und Kunstförderung. Kostbarkeiten aus dem Museum für Kunst-, Stadt- und Theatergeschichte im Reiss-Museum der Stadt Mannheim, ISBN- 3-89466-039-2, veröffentlicht wurde. Der als Hausfotograf zwischen den 04.11.1991 und 30.04.2013 bei der Klägerin beschäftigte Herr J. C. hatte der Klägerin sämtliche ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte räumlich, zeitlich sowie inhaltlich unbeschränkt zur umfassenden Nutzung und urheberrechtlichen Auswertung übertragen, insbesondere für die Nutzungsrechte der Vervielfältigung, Verbreitung, Veröffentlichung in Publikationen und der öffentlichen Zugänglichmachung im Internet.

In dem streitgegenständlichen Museum gilt eine Besucher- und Nutzungsordnung der Klägerin. Danach ist das Fotografieren und Filmen verboten, sofern keine Genehmigung durch die Direktion des Museums erteilt wurde. Soweit Nutzeranfragen bei der Klägerin hinsichtlich der eigenständigen Vervielfältigung eingehen, fertigt sie entweder selbst Objektfotografien an und stellt sie dann den Nutzern zur Verfügung. Alternativ gestattet sie den Nutzern auch eine eigenständige Erstellung bzw. Anfertigung von Fotografien insbesondere zu wissenschaftlichen Arbeiten. In begründeten Einzelfällen, insbesondere wenn die Fotografie zu wissenschaftlichen Zwecken angefertigt wird, sieht die Klägerin dann gegebenenfalls von der Erhebung von Kostenbeiträgen oder eine Lizenzierung des Bildmaterials ab. Typischerweise ist dies bei Studenten und Praktikanten der Fall.

Jedenfalls Ende März 2015 verwendete der Beklagte die genannte Fotografie auf seiner Homepage (http://www.k….de/2.html), in dem er eine Bilddatei, die die Fotografie wiedergibt, für jeden zugänglich auf der Homepage einstellte. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen. Der Beklagte hatte das Bild mit Genehmigung von „Wikimedia Commons, Wikimedia Foundation“ von der Homepage http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Richard_Wagern_by_Caesar_Willich_ca_1862.jpg?uselang=de (Blatt 18 d.A.) erlangt. Hinsichtlich der Einzelheiten, insbesondere eines Hinweises auf die Urheberschaft der Klägerin, der auf der Wikimedia Homepage ausgewiesen wird, wird auf die Anlage K 9 Bezug genommen. Zwischen den Parteien ist insoweit streitig, welcher Hinweis dort ursprünglich vorhanden war.

Mit Schreiben vom 02.04.2015 mahnte die Klägerin den Beklagten durch Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ab und forderte ihn mit Fristsetzung zum 12.04.2015 zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ab. Am 10.04.2015 übersandte der Beklagte eine entsprechende Unterlassungserklärung.

Die Klägerin verwendet für die Lizenzierung von fotografischen Material eigene „Geschäftsbelegungen für die Entleihung von fotografischem Material“. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage K 4 Bezug genommen. Für eine einjährige Nutzung einer Fotografie bei Widergabe im Internet verlangt die Klägerin dabei üblicherweise 100,00 € als Lizenzgebühr. Zusätzlich verlangt die Klägerin einen 100 %igen Aufschlag, da der Rechteinhaber bei der Verwendung des streitgegenständlichen Bildes nicht angegeben wurde. Weiterhin verlangt die Klägerin 95,00 € pauschal als Ermittlungskosten sowie die Erstattung der anwaltlichen Kosten für die Abmahnung.

Die Klägerin beantragte ursprünglich:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen angemessenen Schadensersatz wegen Verletzung aus Urheberrecht, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch nicht weniger als 200,00 € betragen soll, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 95,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 201,71 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Klage wurde dem Beklagten am 03.06.2015 zugestellt.

Der Beklagte beantragte ursprünglich, die Klage abzuweisen.

Durch Urteil im vereinfachten Verfahren vom 28.10.2015 wies das Gericht die Klage ab. Das Urteil wurde der Klägerin am 11.11.2015 zugestellt. Durch Schreiben vom 25.11.2015, per Fax eingegangen bei Gericht am selben Tag, beantragte die Klägerin unter Berufung auf eine Gehörsrüge die Fortsetzung des Prozesses sowie unter Aufhebung des Urteils vom 28.10.2015 die ursprünglichen Klageanträge.

Der Beklagte beantragt, die Gehörsrüge zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, die Klägerin sei nicht Rechteinhaberin bzw. aktivlegitimiert. Deswegen sei die Klage bereits unzulässig. Darüber hinaus sei es unzulässig einen unbestimmten Antrag zu stellen. Er habe darüber hinaus nicht widerrechtlich gehandelt, da er mit einer Genehmigung von WikiCommons das Bild verwendet habe. Das zugrundeliegende Gemälde sei gemeinfrei. Diese Wertung schlage sich auch auf das Foto durch. Darüber hinaus sei der angesetzte Schaden zu hoch, da ein Vergleich zur MFM Tabelle gezogen werde und diese keine taugliche Schätzgrundlage für einen Schaden nach der Lizenzanalogie darstelle. Insbesondere sei die MFM Tabelle nur im Verhältnis zwischen professionellen Marktteilnehmern (insbesondere Fotografen und Gewerbetreibenden) anzuwenden. Der von der Klägerin weiterhin vorgenommene Zuschlag wegen der Urheberrechtspersönlichkeitsverletzung sei ein höchst persönliches Recht des Fotografen und könne von der Klägerin nicht wahrgenommen werden. Die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten seien nicht erforderlich gewesen. Die Ermittlungskosten seien zu hoch. Außerdem sei die Klägerin vorsteuerabzugsberechtigt.

Im Übrigen wird zur Vervollständigung des Tatbestandes auf die wechselseitigen Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Gehörsrüge war zulässig und begründet, weswegen das Verfahren fortzusetzen war. Im Übrigen ist die Klage zwar zulässig aber unbegründet.

I. Die Gehörsrüge war zulässig und begründet.

1. Die Gehörsrüge war statthaft. Gemäß § 321 Abs. 1 Nr. 1 ZPO war gegen das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 28.10.2015 ein Rechtsmittel gemäß §§ 495 a, 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht zulässig. Die Rüge wurde darüber hinaus gemäß § 321 a Abs. 2 ZPO innerhalb von zwei Wochen schriftlich bei Gericht eingereicht.

2. Die Gehörsrüge war auch gemäß § 321 a Abs. 1 Nr. 2 ZPO begründet, da das Gericht den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hatte. Insoweit hatte das Gericht aus den Anlagen der Klägerin, namentlich der Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 19.05.2015, Az: 16 O 175/15, einen Sachvortrag entnommen hinsichtlich der Zulassung von eigenständig erstellten Fotografien innerhalb der Räumlichkeiten der Klägerin, der bis zu diesem Zeitpunkt zwischen den Parteien nicht näher erörtert worden war. Zwar handelt es sich auch bei den Anlagen der Klägerin oder einer Partei um qualifizierten Parteivortrag. Für die Klägerin war aber nicht ohne weiteres ersichtlich, dass die aus dieser Anlage entnommene Sachverhaltsdarstellung der vorgelegten Entscheidung für die Beurteilung einer teleologischen Reduktion des Lichtbildschutzes relevant wäre. Keine Verletzung des rechtlichen Gehörs lag allerdings darin, dass das Gericht die Klägerin nicht auf die rechtliche Folge zuvor hingewiesen hatte. Insoweit hatte bereits der Beklagtenvertreter in seiner Klageerwiderung dazu ausgeführt, dass die Wertungen der Gemeinfreiheit einem urheberrechtlichen Schutz des hier streitgegenständlichen Fotos entgegenstehen würden. Darauf ist auch die Klägerin in ihrer Replik eingegangen. Dies kann aber letztlich dahingestellt bleiben. Gemäß § 321 Abs. 5 S. 1 ZPO war daher das Verfahren fortzuführen. Gemäß §§ 321 Abs. 5 S. 3, 343 ZPO war daher zu prüfen, ob das ursprüngliche Urteil zutreffend war.

II. Die ursprüngliche Klage war zulässig. Insoweit kann zunächst auf das Urteil des AG Nürnberg vom 28.10.2015 Bezug genommen werden. Insbesondere war es zulässig, einen unbestimmten Klageantrag hinsichtlich der Schadensersatzforderung zu stellen. Wenn der Schaden zulässigerweise durch das Gericht gemäß § 287 ZPO geschätzt werden kann und darf, ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein unbestimmter Klageantrag unter Angabe eines Mindestbetrages zulässig ist (BGH, Urteil vom 13.12.1951, Az: III ZR 144/50, zitiert nach Beck-Online). Im Übrigen war auch die nunmehrige Klägerin parteifähig. Der ursprünglich als Klagepartei aufgetretene Eigenbetrieb wäre dies jedenfalls nicht gewesen.

Soweit der Beklagte rügt, die Klage sei unzulässig, weil ein falscher Kläger auftrete, spielt es auf der Ebene der Zulässigkeit keine Rolle. Damit rügt der Beklagte letztlich die Frage der Aktivlegitimation. Dies ist allerdings im Rahmen der Begründetheit zu prüfen.

III. Die Klage ist unbegründet. Ein Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz bzw. Erstattung der Ermittlungskosten und der Abmahnkosten ergäbe sich allenfalls aus §§ 97 Abs. 1, Abs. 2, 97 a Abs. 3 UrhG bzw. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB. Dabei liegen grundsätzlich die Tatbestandsvoraussetzungen des § 97 Abs. 1, Abs. 2 UrhG vor. Allerdings ist im vorliegenden Fall eine teleologische Reduktion des Lichtbildschutzes vorzunehmen.

Gemäß § 97 Abs. 1, Abs. 2 UrhG haftet derjenige auf Schadensersatz, der widerrechtlich und schuldhaft das Urheberrecht oder ein sonstiges Leistungsschutzrecht des Rechtsinhabers verletzt.

1. Unstreitig hat der Beklagte auf seiner Homepage das Foto des Fotografen J. C. verwendet. Insoweit war die Klägerin auch aktivlegitimiert. Der Beklagte bestreitet lediglich pauschal, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert. Dies greift im Ergebnis aber nicht durch. Insbesondere kann der Beklagte nicht damit durchdringen, dass die Klägerin ihre Aktivlegitimation nicht hinreichend dargelegt habe.

a) Soweit der Beklagte behauptet, aus dem Impressum der Homepage der Klägerin ergebe sich eine andere Gesellschaft (rem gemeinnützige GmbH), ist daraus nun für das Gericht nicht ersichtlich, inwieweit dadurch die Aktivlegitimation der Klägerin eingeschränkt sein soll. Vielmehr kann aus dem Impressum einer Homepage nur geschlussfolgert werden, wer Betreiber der jeweiligen Homepage ist. Auf der Homepage der Klägerin ist aber die streitgegenständliche Fotografie gar nicht verwendet worden. Ein Rückschluss aus dem Impressum der Homepage auf die Rechteinhaberschaft an den in den Museen der Klägerin ausgestellten Werken bzw. dem hier streitgegenständlichen Foto ist für das Gericht nachvollziehbar.

b) Im Gegensatz dazu hat die Klägerin ausführlich dargelegt, dass die hier streitgegenständliche Fotografie von einem damaligen Hausfotografen der Klägerin gefertigt wurde. Dieser hat – vom Beklagten nicht bestritten – der Klägerin die alleinigen Nutzungs- und Verwertungsrechte übertragen. Diese Rechtekette gemäß §§ 7, 34 Abs. 1, 72 Abs. 1, Abs. 2 2, 43 UrhG hat die Klägerin umfassend dargelegt. Den insoweit schlüssigen Vortrag der Klägerin hat der Beklagte nicht bestritten, weswegen der Vortrag als zugestanden gilt, § 138 Abs. 3 ZPO.

2. Der Beklagte hat auch widerrechtlich und schuldhaft die Fotografie auf seiner Homepage verwendet.

a) Widerrechtlich hat er schon deswegen gehandelt, weil er vom tatsächlichen Rechteinhaber keine Genehmigung oder Erlaubnis erhalten hatte. Soweit der Beklagte sich auf die Einräumung von Rechten durch WikiCommons beruft, kann dies letztlich nicht durchgreifen. Unstreitig verfügte auch WikiCommons nicht über Lizenzierungsrecht an der streitgegenständlichen Fotografie. Rechteinhaberin war, wie soeben gezeigt, alleinig die Klägerin.

b) Der Beklagte handelte auch schuldhaft. Soweit er sich darauf beruft, er habe im Vertrauen auf die Angaben der Homepage von WikiCommons gehandelt, entbindet ihn das grundsätzlich nicht vom Verschulden. Zunächst bleibt festzuhalten, dass der Verwender urheberrechtlich geschütztere Werke grundsätzlich verpflichtet ist, sich über die Lizenzkette ausreichend Informationen zu beschaffen und diese ggf. zu prüfen. Dafür genügt bereits Fahrlässigkeit, also die Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, § 276 BGB. Insoweit ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass jeder, der ein fremdes Werk oder ein sonstiges geschütztes Leistungsschutzrecht nutzen will, sich über die Rechtmäßigkeit seiner Handlung Gewissheit verschaffen muss (BGH GRUR 2009 S. 864; Nordemann in Fromm/Nordemann, 11. Auflage, § 97, Rn. 64 mwN). Auch Rechtsirrtümer entschuldigen grundsätzlich nicht (Nordemann a.a.o., Rn. 65).

Im vorliegenden Fall hatte der Beklagte zwar ausgeführt, auf der Homepage von WikiCommons sei damals kein Hinweis auf die tatsächliche Urheberschaft der Klägerin vorhanden gewesen. Diesem Vortrag ist die Klägerin allerdings entgegengetreten unter Vorlage eines aktualisierten und umfangreicheren Ausdrucks der genannten Seite von WikiCommons. Auf dieser war die Urheberschaft der Klägerin verdeutlicht worden. Soweit der Beklagte sich darauf beruft, auf der von ihm verwendeten ursprünglichen Homepage sei dies nicht der Fall gewesen, ist er insoweit jedenfalls beweisfällig geblieben. Die bloße Vorlage eines Homepageausdrucks kann dafür grundsätzlich nicht genügen.

3. Der Anspruch gemäß § 97 Abs. 1, Abs. 2 UrhG setzt darüber hinaus aber ein geschütztes Werk oder ein diesem gleichgestelltes Schutzgut voraus. Die hier streitgegenständliche Fotografie ist zur Überzeugung des Gerichts nicht als Lichtbildwerk im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG zu bewerten. Soweit sie als Lichtbild im Sinne von § 72 Abs. 1 UrhG zu bewerten ist, ist im konkreten Fall aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles aufgrund einer teleologischen Reduktion ein Schutzgut zu verneinen.

a) Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG kann ein Lichtbildwerk Urheberrechtschutz genießen. Dabei fallen Fotografien grundsätzlich unter den Lichtbildwerkschutz, da es sich um Lichtbilder handelt (Nordemann in Fromm/Nordemann, a.a.o., § 2 Rn.. 193). Notwendig ist allerdings zur Erlangung der sogenannten Werksqualität eine hinreichende Individualität, um dem Kriterium der persönlichen geistigen Schöpfung gerecht zu werden. Eine solche Individualität wird dann angenommen, wenn die Fotografie eine Aussage enthält, die auf Gestaltung beruht (Nordemann a.a.o., Rn.. 195). Eine solche schöpferische Leistung kann unter verschiedenen Gesichtspunkten angenommen werden, insbesondere der allgemeinen Bildorganisation, dem Bildwinkel, der Linien und Linienführung, der Flächen und Formen, dem Licht und der Beleuchtung, bei den Farben und den Kontrasten, dem Aufnahmezeitpunkt, bei der Wahl des Formats oder sonstiger Gestaltungen. Dabei ist die Abgrenzung zu den bloßen Lichtbildern gemäß § 72 Abs. 1 UrhG letztlich nach der Schöpfungshöhe vorzunehmen. Einfache Lichtbilder nach § 72 Abs. 1 UrhG haben regelmäßig keine persönliche geistige Schöpfung als Grundlage (Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Auflage 2014, § 2 Rn.. 112; Nordemann a.a.o., § 2 Rn. 198). Dabei sind Fotokopien bzw. andere fotomechanische Reproduktionen insbesondere keine Lichtbildwerke (Wandtke/Bullinger a.a.o., Rn.. 115). Regelmäßig keinen Schutz als Lichtbildwerk genießen allerdings Reproduktionsfotografien von zweidimensionalen Vorlagen wie etwa Bildern und Gemälden, da in diesem Bereich der Gestaltungsspielraum des jeweiligen Fotografen verhältnismäßig gering ist (Wandtke/Bullinger, a.a.o., Rn. 119).

Im vorliegenden Fall zeichnet sich die streitgegenständliche Fotografie zwar durchaus als handwerklich professionelle Leistung des Fotografen aus. So ist es ihm insbesondere gelungen, das Originalgemälde farbecht, ohne Schattenbildung, mit gleichmäßiger Belichtung und damit letztlich naturecht widerzugeben. Zur Überzeugung des Gerichts handelt es sich dabei aber letztlich um eine eher handwerkliche Leistung des Fotografen. Das Gericht verkennt dabei insbesondere auch nicht, dass die Fertigung einer solch professionellen Fotografie ein erhebliches Geschick bzw. einen großen Aufwand erfordert. Letztlich handelt es sich dabei aber um erlernte handwerkliche Tätigkeiten und gerade keine schöpferisch-gestalterische Tätigkeit. Ein Tischler, der einen Esstisch oder eine Tür fertigt, genießt letztlich auch keinen Urheberrechtsschutz, soweit es sich um ein Produkt handelt, dass von jedem anderen Tischler genauso gut gefertigt werden könnte. Erst wenn der Tischler bei der Fertigung seines Produktes eine individuelle Note einfließen lässt und dabei schöpferische Leistungen einbringt, kann dem fertigen Werk ein Urheberrechtsschutz zugestanden werden. Nichts anderes kann letztlich bei dem Handwerk der Fotografie gelten. Hätte also insbesondere ein anderer (ggf. professioneller) Fotograf die hier streitgegenständliche Fotografie genauso gut gefertigt, so spricht dies für das Vorhandensein eines „bloßen“ Lichtbildes und keines Lichtbildwerkes. Davon ist aber zur Überzeugung des Gerichts nach Inaugenscheinnahme des vorgelegten Fotos auszugehen.

b) Auch wenn insoweit aufgrund der Reproduktionsfotografie von einem Lichtbild im Sinne von § 72 Abs. 1 UrhG auszugehen ist (Fromm/Nordemann, § 72 Rn. 10), ist im konkreten Fall aufgrund einer teleologischen Reduktion ein Schutz nach den Vorschriften des Urheberrechts abzulehnen.

Dabei ist zunächst festzuhalten, dass das abfotografierte Gemälde bereits den Regeln der Gemeinfreiheit unterliegt, da der Maler bereits vor über 70 Jahren verstorben war, § 64 UrhG.

Weiterhin ist festzuhalten, dass nicht jede, rein technisch vorgenommene Reproduktion zu einem Lichtbildschutz nach § 72 UrhG führen kann. Dies ist auch in der Rechtsprechung des BGH anerkannt worden (BGH GRUR 2001, S. 755 – Telefonkarte; BGH GRUR 1990, S. 669 – Bibelreproduktion). Auch das bloße Abfotografieren von Fotografien (beispielsweise bei der Erstellung von Abzügen oder Negativen) führt nach herrschender Meinung nicht zu einem Lichtbildschutz nach § 72 UrhG (Wandtke/Bullinger a.a.o., § 72 Rn. 11 mwN).

Bei sogenannten Reproduktionsfotografien gemeinfreier Werke, insbesondere von Gemälden in sonst öffentlich zugänglichen Museen, ist umstritten, ob insoweit die Regeln der Gemeinfreiheit durch die Anfertigung eines Lichtbildes und die dadurch neu in Gang gesetzte Schutzfrist gemäß § 72 Abs. 3 UrhG umgangen werden. So hat auch bereits der BGH erkannt, dass bei der rein fotomechanischen bzw. technischen Anfertigung von Kopien von Lichtbildwerken oder anderen urheberrechtlich geschützten Werken als Vorlagen letztlich ein Schutzbedürfnis abzulehnen sei, da ansonsten die Regeln der Gemeinfreiheit umgangen würden (BGH, GRUR 1990, 669 ff., S. 674 – Bibelreproduktion). Hintergrund war dabei die bloße Reproduktionsfotografie einer bereits existierenden zweidimensionalen Vorlage in Form eines Lichtbildes. Der BGH ging dabei davon aus, dass die nochmalige Anfertigung einer Kopie auch durch das Mittel des Abfotografierens keinen neuen Lichtbildschutz begründen könne. In einer späteren Entscheidung (BGH GRUR 2001, S. 755 ff. – Telefonkarte), verdeutlichte der BGH, dass dies auch für andere Vorlagen, insbesondere eine Grafik, gelte. Eine darüber hinausgehende (obergerichtliche) Klärung in der Rechtsprechung ist bisher jedenfalls nicht ersichtlich. In der Entscheidung des OLG Düsseldorf (GRUR 1997, S. 49 – Bezys-Fotografien) spielte diese Frage keine entscheidungserhebliche Rolle.

Die wohl herrschende Meinung in der Literatur führt die Rechtsprechung des BGH dahingehend fort, dass das Merkmal der persönlichen geistigen Leistung näher zu konkretisieren und zu definieren sei. Abzustellen sei aber dabei auf die gestalterische Einflussmöglichkeit des Lichtbildners auf den Aufnahmeprozess (Stang, Das urheberrechtliche Werk nach Ablauf der Schutzfrist, S. 175 mwN in Fn. 260). Danach sollen nicht nur Fotografien dreidimensionaler Kunstwerke sondern auch solche zweidimensionaler Vorlagen einen Lichtbildschutz genießen können. Eine Mindermeinung vertritt daher entgegen die Auffassung, dass die Anfertigung von Reproduktionsfotografien zweidimensionaler Vorlagen grundsätzlich keinen Lichtbildschutz genießen würden (Stang, a.a.o., S. 176 mwN in Fn. 265).

Beide Ansätze überzeugen aber letztlich nicht, um das Problem der mittelbaren Schutzrechtsverlängerung zu lösen (Stand, aaO, S. 183ff). Zur Überzeugung des Gerichts ist die generelle Ablehnung eines Lichtbildschutzes bei zweidimensionalen Vorlagen ein zu weit gehender Schritt. Insoweit werden die Leistungen des Lichtbildners auch bei Anfertigung von Fotografien aufgrund zweidimensionaler Vorlagen nicht ausreichend berücksichtigt, zumal der Gesetzgeber durch Schaffung von § 72 UrhG gerade auch die technische Leistung schützen wollte (Stang, aaO, S. 181 mwN in Fn. 282). Auch insoweit obliegt dem Lichtbildner eine gewisse handwerkliche Leistung, die sich insbesondere in der Wahl der Perspektive, der Belichtung, der Wahl des Ausschnitts, der Wahl der zur verwendenden Geräte und der Gewährleistung der Farbechtheit und der Kontraste zeigt. Zur Überzeugung des Gerichts ist allerdings dann eine Einschränkung des Lichtbildschutzes vorzunehmen, wenn dadurch die Wertungen der Gemeinfreiheit umgangen werden.

Im vorliegenden Fall verwendet die Klägerin eine Hausordnung, nach der das Fotografieren in ihren Räumlichkeiten grundsätzlich verboten ist. Ausnahmen werden nur auf besonderen Antrag und nach Prüfung des jeweiligen Einzelfalls genehmigt, wobei die Klägerin selbst ausführt, dass dies insbesondere bei wissenschaftlichen Arbeiten, beispielsweise durch Studenten oder Praktikanten der Fall sei. Den Ausführungen ist weiterhin zu entnehmen, dass grundsätzlich bei entsprechenden Anfragen von Dritten eine Übersendung der bereits gefertigten Reproduktionsfotografien unter Hinweis und Anwendung der hauseigenen Lizenzierungstabelle erfolge. Lediglich in Ausnahmefällen bzw. begründeten Einzelfällen werde von der Erhebung entsprechender Lizenzgebühren abgesehen. Vereinfacht gesagt erlaubt die Klägerin zwar nach Erwerb einer Eintrittskarte das Betreten ihrer Museen und Anschauen der dort ausgestellten Gemälde. Ein eigenständiges Abfotografieren mit eigens mitgebrachten Fotoapparaten oder sonstigen technischen Mitteln ist aber grundsätzlich untersagt. Will ein entsprechender Kunstliebhaber – auch im privaten Umfeld – entsprechende Ablichtungen von Kunstwerken auch nur zu privaten Zwecken verwenden, ist er darauf angewiesen, sich von der Klägerin gegen Zahlung der entsprechenden Lizenzgebühr Ablichtungen der Reproduktionsfotografien zukommen zu lassen. Dass in solchen Fällen von der Erhebung der entsprechenden Lizenzgebühren abgesehen werde, ist auch nach dem Vortrag der Klägerin nicht erkennbar. Die Gemeinfreiheit (§ 64 UrhG) soll aber gewährleisten, dass nach Ablauf der Schutzfrist nun unter Einschränkung der in Artikel 14 Abs. 1 GG geschützten Rechte des Urhebers im Interesse der Allgemeinheit die entsprechenden Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst allen grundsätzlich in jeder Form zugänglich sind (Wandtke/Bullinger, a.a.o., § 64 Rn. 1). Insbesondere führt die Gemeinfreiheit dazu, dass auch abgeleitete Werke, insbesondere das Verlagsrecht und die abgeleiteten Nutzungsrechte, die der Urheber Dritten eingeräumt hatte, erlöschen (Wandtke/Bullinger, § 64, Rn. 13). Dabei kann es zur Überzeugung des Gerichts letztlich keinen Unterschied machen, ob ein Gemälde eben nur innerhalb einer Galerie oder einem Museum betrachtet werden kann oder ob dies nicht auch im Rahmen des privaten Umfelds bzw. innerhalb einer privaten Nutzung durch die Allgemeinheit möglich sein muss. Dazu gehört zur Überzeugung des Gerichts im Zeitalter der neuen und modernen Medien auch eine Entfaltung und Nutzung eines gemeinfreien Werkes im Internet. Die Verlagerung der privaten Kommunikation auf neue Medien bzw. das Ausleben der Privatsphäre auch im Internet umfasst zur Überzeugung des Gerichts auch im Rahmen der Gemeinfreiheit die freie Nutzung gemeinfreier Werke im Rahmen der privaten Gestaltung auch auf einer eigenen Homepage. Wenn aber – wie im vorliegenden Fall – eine gemeinfreie Nutzung des Werkes nur innerhalb bestimmter vorgegebener Räumlichkeiten faktisch möglich ist, werden insoweit die Wertungen der Gemeinfreiheit umgangen. Der Umstand, dass die Klägerin Reproduktionsfotografien des hier relevanten Gemäldes nur unter Anwendung ihrer eigenen, der MFM Tabelle zumindest angenäherten Lizenzvergütungsbedingungen gewährt, führt jedenfalls im privaten Umfeld zu einer Einschränkung des Lichtbildschutzes.

4. Soweit die Klägerin als Schadensersatz auch eine Verdoppelung ihrer Lizenzgebühr unter dem Gesichtspunkt der Nichtangabe des tatsächlichen Urhebers verlangt, steht ihr ein solcher Anspruch nicht zu. Gemäß § 97 Abs. 2 S. 4 UrhG können bestimmte Personen auch wegen des Schadens, der nicht Vermögenschaden ist, eine Entschädigung in Geld verlangen, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht. Die Verdoppelung der Lizenzgebühr bei fehlender Angabe des Urhebers bei Lichtbildern ist zur Überzeugung des Gerichts diesem § 97 Abs. 2 S. 4 UrhG zuzuordnen, auch wenn dies in der Rechtsprechung zum Teil nicht als immaterieller sondern als materieller Schadensersatz gewertet wird (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR – RR, 2006, S. 393 ff.). Insoweit steht der Anspruch im vorliegenden Fall grundsätzlich nur dem Lichtbildner im Sinne von § 72 UrhG zu. Eine Abtretbarkeit des höchstpersönlichen Rechts ist zur Überzeugung des Gerichts abzulehnen. Jedenfalls wäre eine solche Abtretung nur hinreichend konkret möglich. Sie ist jedenfalls von der allgemeinen Übertragung der Nutzungsrechte – wie sie vorliegend vorgetragen wurde – nicht mitumfasst.

5. Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus der Eingriffskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB. Denn auch insoweit wäre ein Eingriff in den Zuweisungsgehalt eines Rechtes der Klägerin erforderlich gewesen. Nachdem aber ein Lichtbildschutz nach den Wertungen der Gemeinfreiheit gemäß § 72 Abs. 1 UrhG abgelehnt wurde, besteht auch im Rahmen der Eingriffskondiktion ein solches Schutzgut nicht.

IV. Die Kostenentscheidung folgte aus §§ 91 Abs. 1, 343 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 711, 713 ZPO. Gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 1 ZPO war die Berufung zuzulassen. Die angesprochene Rechtsfrage bezüglich der Wertungen der Gemeinfreiheit ist – soweit ersichtlich – bisher obergerichtlich noch nicht entschieden worden. Die bisher vom BGH aufgestellten Grundsätze führen im vorliegenden Fall nicht zu einer abschließenden Lösung der Problematik. Die in der Literatur diskutierten Meinungen sind bisher einer Entscheidung in der Rechtsprechung noch nicht zugänglich gemacht worden. Insoweit liegt eine Rechtssache mit grundsätzlicher Bedeutung vor. Die Fortbildung des Rechts erfordert daher (zumindest) eine Entscheidung des Berufungsgerichts.

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