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Urheberrechtsverletzung – Anschlussinhabertäterschaft bei Leben mit Familienangehörigen

Urheberrechtsverletzung: Anschlussinhaber entlastet, da Sohn als Mitnutzer in Frage kommt

Das Gericht wies die Klage wegen Urheberrechtsverletzung durch Filesharing ab, da nicht eindeutig bewiesen werden konnte, dass der Beklagte selbst der Täter war. Es bestand eine tatsächliche Vermutung der Alleinnutzung des Internetanschlusses durch den Beklagten, die jedoch durch die Möglichkeit der Mitnutzung durch den volljährigen Sohn widerlegt wurde. Der Beklagte erfüllte seine sekundäre Darlegungslast, indem er plausible Gründe für eine mögliche Nutzung des Anschlusses durch seinen Sohn vorbrachte, woraufhin die Beweislast zurück auf die Klägerin fiel.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 57 C 422/14 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Abweisung der Klage: Das Gericht wies die Klage aufgrund mangelnder Beweise für die Täterschaft des Beklagten ab.
  2. Tatsächliche Vermutung der Alleinnutzung widerlegt: Die anfängliche Vermutung, dass der Beklagte als Anschlussinhaber der alleinige Nutzer war, wurde durch die mögliche Mitnutzung des Anschlusses durch den volljährigen Sohn entkräftet.
  3. Sekundäre Darlegungslast: Der Beklagte kam seiner sekundären Darlegungslast nach, indem er plausible Gründe für eine Mitnutzung durch seinen Sohn vorlegte.
  4. Keine Beweislastumkehr: Trotz Erfüllung der sekundären Darlegungslast durch den Beklagten kam es zu keiner Beweislastumkehr zuungunsten des Klägers.
  5. Unzumutbare Aufklärungspflichten: Das Gericht erkannte keine unzumutbaren Aufklärungspflichten für den Anschlussinhaber im familiären Umfeld an.
  6. Zeugnisverweigerungsrecht: Die Nutzung des Zeugnisverweigerungsrechts durch den Sohn des Beklagten durfte nicht zu dessen Nachteil ausgelegt werden.
  7. Keine Störerhaftung: Eine Störerhaftung des Beklagten wurde aufgrund fehlender Aufsichtspflichten verneint.
  8. Beweislast: Letztendlich fiel die volle Beweislast für die Täterschaft wieder auf die Klägerin zurück, die den Beweis nicht führen konnte.

Haftung des Anschlussinhabers bei Urheberrechtsverletzungen durch Familienmitglieder

Filesharing Haftung
(Symbolfoto: Casimiro PT /Shutterstock.com)

Die Haftung des Anschlussinhabers für Urheberrechtsverletzungen durch Familienmitglieder ist ein komplexes Thema in Deutschland. Grundsätzlich haftet der Anschlussinhaber nicht für Verstöße, die von volljährigen Familienmitgliedern begangen werden. Allerdings kann er als Störer haften, wenn er Kenntnis von der Urheberrechtsverletzung hatte oder hätte haben müssen und keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen hat, um diese zu verhindern.

In Bezug auf minderjährige Familienmitglieder haftet der Anschlussinhaber jedoch für Urheberrechtsverletzungen, die von ihnen begangen werden, da sie nicht als voll geschäftsfähig gelten. In solchen Fällen muss der Anschlussinhaber die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um die Urheberrechtsverletzungen zu verhindern.

Das Thema ist von großer Bedeutung, da immer mehr Menschen in Deutschland mit Familienangehörigen zusammenleben und gleichzeitig das Internet für Urheberrechtsverletzungen genutzt wird. Ein konkretes Urteil zu diesem Thema kann dabei helfen, die rechtlichen Herausforderungen besser zu verstehen und Lösungen für betroffene Anschlussinhaber zu finden.

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Im Zentrum eines Rechtsstreits am Amtsgericht Düsseldorf stand eine Klage wegen Urheberrechtsverletzung durch das Filesharing eines Computerspiels. Der Beklagte, der zusammen mit seinem volljährigen Sohn lebte, wurde von der Klägerin beschuldigt, das Spiel über ein Filesharing-Netzwerk verbreitet zu haben. Die Klägerin forderte Schadenersatz sowie die Erstattung der Kosten für die Abmahnung und Ermittlung, basierend auf der Annahme, dass die zur Verbreitung genutzten IP-Adressen dem Anschluss des Beklagten zuzuordnen waren.

Der Weg zur Rechtsverletzungsklage

Die rechtliche Auseinandersetzung nahm ihren Anfang, als die Klägerin den Beklagten abmahnte und Schadenersatz für die Verbreitung des Spiels „XXX“ forderte. Der Beklagte wies die Vorwürfe zurück und verwies auf die Möglichkeit, dass sein volljähriger Sohn, der ebenfalls Zugang zum Internetanschluss hatte, die Tat begangen haben könnte. Dieser Aspekt des Falles wirft ein Schlaglicht auf das komplexe Thema der Anschlussinhabertäterschaft bei Urheberrechtsverletzungen im Internet, insbesondere in einem Haushalt mit mehreren potenziellen Nutzern.

Rechtliche Herausforderungen und sekundäre Darlegungslast

Die Kernherausforderung in diesem Fall lag in der Beweisführung der tatsächlichen Nutzung des Anschlusses zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung. Nach deutschem Urheberrecht besteht eine tatsächliche Vermutung, dass der Anschlussinhaber für über seinen Anschluss begangene Urheberrechtsverletzungen haftbar ist. Diese Vermutung kann jedoch entkräftet werden, wenn dargelegt wird, dass auch andere Personen Zugriff auf den Anschluss hatten. Der Beklagte konnte diese sekundäre Darlegungslast erfüllen, indem er nachwies, dass sein Sohn zum relevanten Zeitraum Zugang zum Anschluss hatte und für seine Studienzwecke nutzte.

Entscheidung des Gerichts: Keine Haftung ohne eindeutige Beweise

Das Amtsgericht Düsseldorf entschied, dass eine Haftung des Beklagten als Täter der Urheberrechtsverletzung nicht feststeht. Das Gericht betonte, dass die bloße Möglichkeit der Nutzung des Anschlusses durch den Sohn ausreicht, um die Vermutung der Alleinnutzung zu widerlegen. Da der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast nachkam und plausible Gründe für eine Mitnutzung des Anschlusses durch seinen Sohn vorlegte, verblieb die volle Beweislast für die Täterschaft bei der Klägerin.

Zeugnisverweigerungsrecht und Störerhaftung

Ein weiterer entscheidender Aspekt des Urteils war die Berücksichtigung des Zeugnisverweigerungsrechts. Der Sohn des Beklagten machte von diesem Recht Gebrauch, was laut Gericht nicht zu Ungunsten des Beklagten ausgelegt werden darf. Zudem sah das Gericht keine Grundlage für eine Störerhaftung des Beklagten, da keine zivilrechtlichen Aufsichts- und Überwachungspflichten gegenüber dem volljährigen Sohn bestanden und somit keine Verpflichtung zur Verhinderung der Urheberrechtsverletzung abgeleitet werden konnte.

Fazit: Das Gericht wies die Klage ab und legte die Kosten des Rechtsstreits der klagenden Partei auf. Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der sekundären Darlegungslast und des Zeugnisverweigerungsrechts in Fällen von Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing, insbesondere in Haushalten mit mehreren Internetnutzern.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Wie wird die Anschlussinhabertäterschaft bei gemeinsamer Nutzung des Internets definiert?

Die Anschlussinhabertäterschaft bezieht sich auf die rechtliche Verantwortung des Inhabers eines Internetanschlusses für Aktivitäten, die über diesen Anschluss durchgeführt werden. Bei gemeinsamer Nutzung des Internets, wie in einer Wohngemeinschaft oder in einer Familie, können verschiedene rechtliche Fragen aufkommen.

Grundsätzlich haftet derjenige für Rechtsverstöße im Internet, der den Verstoß begangen hat. In einer Wohngemeinschaft oder Familie ist es jedoch oft schwierig, den Verantwortlichen ausfindig zu machen. Hier kommt die Störerhaftung ins Spiel. Der Störer ist eine Person, die eine rechtswidrige Handlung ermöglicht oder unterstützt, ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein.

In Filesharing-Fällen spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers. Wenn mehrere Personen den Internetanschluss gemeinsam halten, gilt die Vermutung zulasten aller Anschlussmitinhaber. Der Anschlussinhaber hat jedoch die Möglichkeit, diese Vermutung zu entkräften. Dazu muss er nachvollziehbar darlegen, welche anderen Personen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter in Betracht kommen.

Es ist wichtig zu beachten, dass der Anschlussinhaber nicht dazu verpflichtet ist, seine Mitbenutzer zu überwachen oder den konkreten Täter zu ermitteln. Er ist jedoch im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen verpflichtet und muss mitteilen, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat.

In einigen Fällen kann der Anschlussinhaber auch für die Handlungen seiner Kinder haften, insbesondere wenn er ihnen den Zugang zum Internetanschluss ermöglicht hat und sie eine Urheberrechtsverletzung begangen haben. Es ist jedoch zu beachten, dass Eltern nicht per se für die Handlungen ihrer volljährigen Kinder haften.

Die rechtliche Situation kann komplex sein und es wird empfohlen, im Zweifelsfall rechtlichen Rat einzuholen.

Welche Rolle spielt die sekundäre Darlegungslast im Urheberrecht?

Die sekundäre Darlegungslast im Urheberrecht bezieht sich auf die rechtliche Verpflichtung des Inhabers eines Internetanschlusses, im Falle einer behaupteten Urheberrechtsverletzung, die über seinen Anschluss begangen wurde, Tatsachen darzulegen, die die Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs nahelegen. Dies könnte beispielsweise die Alleintäterschaft eines anderen Nutzers des Internetanschlusses sein.

Die sekundäre Darlegungslast spielt eine wichtige Rolle in Zivilprozessen, insbesondere in Fällen von Filesharing. Wenn der Anschlussinhaber seine Verantwortlichkeit substantiiert bestreitet und Tatsachen darlegt, die die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs nahelegen, kann er seiner sekundären Darlegungslast nachkommen.

Die Erfüllung der sekundären Darlegungslast führt zur vollen Beweislast des Klägers. Das bedeutet, dass der Kläger dann beweisen muss, dass der Anschlussinhaber tatsächlich für die behauptete Urheberrechtsverletzung verantwortlich ist.

Es ist jedoch zu beachten, dass die sekundäre Darlegungslast nur innerhalb des gerichtlichen Verfahrens entsteht. Sie entsteht gemeinsam mit der Behauptung, die die sekundäre Darlegungslast auslöst, und ist maßgeblich für den Zugang eines Schriftsatzes.

In einigen Fällen kann es schwierig sein, die sekundäre Darlegungslast zu erfüllen. Beispielsweise kann es problematisch sein, wenn mehrere Personen Zugang zum Internetanschluss haben und der Anschlussinhaber nicht genau weiß, wer die behauptete Urheberrechtsverletzung begangen hat.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass die sekundäre Darlegungslast ein rein prozessuales Institut ist und keine außergerichtlichen Pflichten oder Obliegenheiten für den Anschlussinhaber begründet.

Insgesamt ist die sekundäre Darlegungslast ein wichtiges Instrument im Urheberrecht, das dazu dient, die Rechte der Urheber zu schützen und gleichzeitig die Rechte der Anschlussinhaber zu wahren.

Was bedeutet Störerhaftung und unter welchen Voraussetzungen kommt sie zur Anwendung?

Die Störerhaftung ist eine Rechtsfigur im deutschen Recht, die die Verantwortlichkeit einer Person für die Verletzung eines absoluten Rechts begründet. Ein Störer ist dabei jemand, der auf beliebige Weise mit der Verbreitung rechtlich zu beanstandender Inhalte zu tun hat, ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein.

Die Störerhaftung kommt unter bestimmten Voraussetzungen zur Anwendung. Diese sind:

  1. Der Störer hat in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines Rechtsguts beigetragen.
  2. Der Störer hat zumutbare Prüfungs- (und eventuell Aufklärungs-)pflichten verletzt.
  3. Der Störer hat die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit, die mittelbare Rechtsverletzung zu verhindern.

Die Störerhaftung ist in verschiedenen Rechtsgebieten relevant, darunter das Internetrecht, das Sachenrecht und das Verwaltungsrecht. Sie ermöglicht es beispielsweise dem Rechtsinhaber eines Urheber-, Marken- oder Persönlichkeitsrechts, sein Recht in erweiterter Weise zu verteidigen.

Es ist zu beachten, dass die Störerhaftung nicht unverhältnismäßig weit gefasst werden darf. Daher greift sie nur, wenn der Störer ihm zumutbare Prüf- oder Überwachungspflichten verletzt hat. Der Umfang und die konkrete Ausgestaltung dieser Pflichten ist immer eine Frage des Einzelfalls.

In Bezug auf das Internetrecht ist die Störerhaftung besonders relevant. Sie ermöglicht es beispielsweise, den Betreiber eines Internetforums zur Verantwortung zu ziehen, wenn Nutzer in diesem Forum rechtswidrige Inhalte verbreiten. Allerdings hat der Gesetzgeber in Deutschland die Störerhaftung für WLAN-Betreiber überwiegend abgeschafft, um diese vor kostenpflichtigen Abmahnungen zu schützen.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Störerhaftung nur auf Beseitigung und Unterlassung gerichtet ist, nicht aber auf Schadensersatz.


Das vorliegende Urteil

AG Düsseldorf – Az.: 57 C 422/14 – Urteil vom 09.12.2014

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der klagenden Partei auferlegt.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin gestattet das Gericht, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung wird für die Klägerin zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin mahnte den Beklagten, der mit seinem volljährigen Sohn M zu dieser Zeit in häuslicher Gemeinschaft lebte, mit Schreiben vom 06.12.2010 ab und bezog sich in diesem Schreiben auf im Zeitraum vom 15.10.2010 bis zum 31.10.2010 begangene Verbreitungen des Computerspiels „XXX“ über ein Filesharing-Netzwerk, wobei die Klägerin in dem Schreiben davon ausgeht, dass die jeweils verwendeten IP-Adressen zum Anschluss des Beklagten zugehörig waren.

Die Klägerin behauptet, dass ihr an dem Computerspiel „XXX“ die ausschließlichen Rechte zur Verbreitung auf physikalischem Datenträger zustehen sowie dass die Verbreitung durch den Beklagten unter Verwendung der im Schreiben vom 06.12.2010 angegebenen IP-Adressen erfolgt ist und diese in den dort angegebenen Zeitpunkten dem Anschluss des Beklagten zugeordnet waren.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen an sie 368 Euro Kosten der Abmahnung sowie 33,23 Euro Ermittlungskosten und 100 Euro Schadenersatz gemäß Lizenzanalogie zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er verweist unter anderem auf die Mitnutzungsmöglichkeit des Anschlusses durch seinen volljährigen Sohn, der den Anschluss zur Fertigung einer Bachelorarbeit und der Vorbereitung mündlicher Prüfungen im Rahmen seines Studiums genutzt habe.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

Eine Haftung als Täter aus § 97 Abs. 2 UrhG ergibt sich nicht, da nicht feststeht, dass der Beklagte Täter der behaupteten Rechtsverletzung war. Gemäß der Bearshare-Entscheidung des Bundesgerichtshofs besteht zunächst eine durch den Anschlussinhaber zu widerlegende tatsächliche Vermutung seiner Alleinnutzung, die bereits dann widerlegt ist, wenn weitere Personen freien Zugriff auf den Anschluss hatten. Zusätzlich trifft den Anschlussinhaber sodann eine sekundäre Darlegungslast dahingehend vorzutragen, dass weitere Mitnutzer ernsthaft als mögliche Täter in Betracht kommen, in diesem Umfang trifft den Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch eine Recherchepflicht, eine Veränderung der Beweislast ist mit dieser sekundären Darlegungslast nicht verbunden, vielmehr ergibt diese sich ausschließlich daraus, dass der Vortrag von Tatsachen geboten ist, die für die Beklagtenseite leicht vortragbar sind, während sie sich der Sphäre der beweisbelasteten Klägerseite entziehen (BGH NJW 2014, 2360).

Die tatsächliche Vermutung der Alleinnutzung des Anschlusses durch den Beklagten ist bereits dadurch widerlegt, dass – wie durch die Meldebescheinigung untermauert – der volljährige Sohn M des Beklagten mit diesem in einem gemeinsamen Haushalt gewohnt hat, was gemäß Inhalt des klägerischen Schreibens vom 11.11.2014 auch nicht bestritten wird. Weitergehender Feststellungen, insbesondere zum Umfang der zeitlichen Nutzung des Anschlusses, bedarf es zur Widerlegung der tatsächlichen Vermutung nicht. Die Begründung einer tatsächlichen Vermutung ist nämlich nur dann zulässig, wenn ein gesicherter Erfahrungssatz vorliegt, der mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die vermutete Tatsache schließen lässt (Musielak JA 2010, 561 (565)). Lebt ein Familienangehöriger, wie hier der volljährige Sohn, mit dem Anschlussinhaber in häuslicher Gemeinschaft, so spricht die Lebenserfahrung nicht mehr dafür, dass lediglich der Anschlussinhaber als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommt, denn unabhängig von der tatsächlichen Nutzung zu einem bestimmten Zeitpunkt ist die Grundlage des vom BGH angenommenen Erfahrungssatzes, dass der Anschlussinhaber als typischer Alleinnutzer anzusehen sei, schon allein durch den gemeinsamen Haushalt entfallen, denn es entspricht im Gegenteil üblicher Lebenserfahrung, dass im selben Haushalt mit dem Anschlussinhaber wohnende Familienangehörige regelmäßige Mitnutzer des Anschlusses sind und zu diesem freien unbeaufsichtigten Zugang haben (siehe auch bereits zu einer ähnlichen Fragstellung AG Düsseldorf 57 C 13895 / 12 vom 14.10.2014).

Der Beklagte ist auch der ihm als Anschlussinhaber obliegenden sekundären Darlegungslast, Umstände vorzutragen, die die ernsthafte Möglichkeit der Täterschaft eines weiteren Mitnutzers eröffnen, nachgekommen. Hierzu genügen die Angaben, dass der volljährige Sohn im Zeitpunkt der Rechtsverletzung den gemeinsamen PC zur Anfertigung einer Bachelor-Arbeit für sein Studium und zur Vorbereitung auf mündliche Prüfungen nutzte. Wird einer Partei eine sekundäre Darlegungslast auferlegt, so ist Grundlage hierfür der Umstand, dass bestimmte Tatsachen in der Sphäre des Gegners liegen und daher nur diesem, nicht aber der beweisbelasteten Partei, zugänglich sind (ständige Rechtsprechung, BGH NJW 1999, 1404 (1406); BGH NJW 2008, 982 (984); Beck-OK-ZPO-Bacher § 284 Rn. 84). Der Umfang der sekundären Darlegungslast hat sich daher auf diejenigen Informationen zu beschränken, die in der Sphäre des Anschlussinhabers zugänglich sind und zumutbar vorgetragen werden können; keinesfalls dürfen überspannte Anforderungen an dieser Stelle im Ergebnis zu einer Beweislastverschiebung führen, denn anders als eine tatsächliche Vermutung soll die Auferlegung einer sekundären Darlegungslast dies gerade nicht bewirken. Aus den Angaben zur Nutzung des Anschlusses durch den volljährigen Sohn ergibt sich, dass dieser im Rahmen der mit der Anfertigung einer Bachelorarbeit und der Vorbereitung auf mündliche Prüfungen üblichen Nutzungsdauer zeitlich in der Lage war, einen Filesharingclient zu installieren und zu bedienen, ferner legt die regelmäßige Nutzung zu Zwecken akademischer Bildung es auch nahe, dass der Sohn von seinen Internetkenntnissen her zu einer solchen Installation in der Lage war, da es sich bei einem Filesharingclient um ein typisches Windowsprogramm handelt, dessen Installation keine besonderen Fachkenntnisse erfordert. Weitergehender Vortrag, insbesondere dazu, ob der Sohn zu den Zeitpunkten der behaupteten Rechtsverletzungen den Anschluss tatsächlich genutzt hat, ist hingegen im Rahmen der sekundären Darlegungslast nicht geboten. Im Hinblick auf die Alltäglichkeit der Computernutzung und die üblicherweise fehlende Buchführung hierzu handelt es sich hierbei nicht um Umstände, die üblicherweise in der Sphäre des Anschlussinhabers zur Verfügung stehen, weswegen Darlegungen hierzu nicht gefordert werden können. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Beklagte mit Zusendung der Abmahnung vom 06.12.2010 auf die behauptete Rechtsverletzung aufmerksam gemacht worden ist, denn bereits nach Ablauf von mehr als einem Monat seit der behaupteten Rechtsverletzung ist nicht mehr aufklärbar, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt den familiären Internetanschluss genutzt hat. Weitergehende Aufklärungspflichten, insbesondere bezüglich einer nachträglichen Feststellung der Person des Täters, treffen den Anschlussinhaber jedenfalls im familiären Umfeld nicht. Soweit der Bundesgerichtshof in seiner zitierten Bearshare-Entscheidung hier auf das Transportrecht verweist, soll dies lediglich deutlich machen, dass generell Aufklärungspflichten bestehen können wie sie das entscheidende Gericht auch hinsichtlich Art und zeitlichem Umfang der Nutzung des Anschlusses durch weitere Mitnutzer annimmt. Keinesfalls aber treffen den Inhaber eines familiären Internetanschlusses die Aufklärungspflichten eines Transporteurs bei Verlust oder Beschädigung von Transportgut. Der Sachverhalt ist schon deswegen nicht vergleichbar, weil die Familie unter dem besonderen Schutz des Art. 6 GG steht und dieser Schutz seine einfach gesetzliche Ausprägung im Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 383 ZPO findet. Es würde das Zeugnisverweigerungsrecht und auch den besonderen Schutz des Instituts der Familie ad absurdum führen, wenn den Anschlussinhaber als Vater eine umfangreiche Recherchepflicht innerhalb seiner Familie treffen würde, wer als Täter einer Rechtsverletzung in Betracht kommt. Im Hinblick auf den Rechtsgedanken des § 384 Nr. 1 ZPO erscheint es schon zweifelhaft, ob den Anschlussinhaber die Verpflichtung trifft, das positive Ergebnis einer Befragung, wonach ein naher Familienangehöriger die Täterschaft zugegeben hat, mitzuteilen; keinesfalls treffen den Anschlussinhaber jedoch weitergehende Recherchepflichten, wenn – wie hier – die Befragung das Ergebnis erbracht hat, dass der mitnutzende Sohn die Rechtsverletzung abstreitet. Es ist schon unklar, welche weitergehenden Recherchemöglichkeiten – erst recht gegenüber volljährigen Mitnutzern – bestehen sollen, im Übrigen ist eine weitergehende Druckausübung auf Familienmitglieder, um der Klägerin einen möglichen neuen Anspruchsgegner zu verschaffen, auch unzumutbar, weswegen die sekundäre Darlegungslast entsprechende Maßnahmen auch nicht fordern kann.

Nachdem der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen ist, trifft die Klägerin nun die volle Beweislast für die Täterschaft des Beklagten. Allein das mangelnde Einräumen der Rechtsverletzung durch den allein mitnutzenden Sohn lässt nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Rückschluss auf eine Täterschaft des Beklagten als Anschlussinhaber zu; vielmehr ist es ebenso möglich, dass er die eigene Rechtsverletzung im Hinblick auf eine drohende Inanspruchnahme verleugnet. Soweit die Klägerin – im Prinzip zulässig – den Beweis dadurch führen will, dass sie den Sohn als Zeugen dafür benennt, dass dieser trotz gemeinsamen Haushalt mit dem Anschlussinhaber den Internetanschluss nicht genutzt und die Rechtsverletzung nicht begangen hat und somit nur noch der Beklagte als möglicher Täter verbleibt, ist ihr die Führung dieses Beweises nicht gelungen, denn dieser Zeuge hat von seinem Zeugnisverweigerungsrecht aus § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO Gebrauch gemacht. Aus dem Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen gemäß § 383 Abs. 1 ZPO dürfen keine negativen Schlüsse zum Nachteil des Beklagten gezogen werden, denn es handelt sich bei diesem Zeugnisverweigerungsrecht um ein eigenes Recht des Zeugen, das es ihm gerade auf Grund seiner familiären Nähe ersparen soll, gegen seinen Willen in die rechtliche Auseinandersetzung hineingezogen zu werden (Musielak-Huber ZPO § 383 Rn. 10).

Auch eine Störerhaftung des Beklagten aus §§ 97 Abs. 1, 97a UrhG auf Erstattung der Abmahnkosten besteht nicht. Eine solche setzt das Vorhandensein von Überwachungspflichten voraus (BGH NJW 2010, 2061), diese ergeben sich jedoch nicht bereits aus der Anschlussinhaberschaft als solches, sondern bestehen nur in dem Umfang, wie sie sich aus anderen Vorschriften, insbesondere der zivilrechtlichen Aufsichtspflicht, ergeben (BGH NJW 2013, 1441 (1444)). Nachdem zivilrechtliche Aufsichts- und Überwachungspflichten und damit auch die Pflicht zur Belehrung hinsichtlich des Verbots von Urheberechtsverletzungen gegenüber volljährigen Kindern nicht bestehen, besteht kein Raum für eine Störerhaftung (so im Ergebnis auch BGH NJW 2014, 2360 Rn. 28)

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung war gemäß § 511 Abs. 4 ZPO für die Klägerin zuzulassen, weil die Fragen der Reichweite der tatsächlichen Vermutung der Alleinnutzung des Anschlussinhabers und des Umfangs seiner sekundären Darlegungslast sowie die sich aus der Beantwortung dieser Fragestellungen ergebenden prozessualen Folgen einer Zeugnisverweigerung eines Mitnutzers von grundsätzlicher Bedeutung sind. Zudem besteht innerhalb des Amtsgerichts Düsseldorf keine einheitliche Handhabung des Umfangs der sekundären Darlegungslast des Anschlussinhabers.

Der Streitwert wird auf 467,00 EUR festgesetzt. Bei den Ermittlungskosten handelt es sich auch, wenn – wie hier – lediglich Schadenersatz und nicht Unterlassung geltend gemacht wird, um eine Nebenforderung, weil die Ermittlung des Anschlussinhabers Voraussetzung auch für die Geltendmachung des Schadenersatzanspruches ist.

 

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