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Sittenwidriger Eintrag in Online-Branchenverzeichnis

Urteil des Landgerichts Wuppertal

Das Landgericht Wuppertal hat mit Urteil vom 05.06.2014 (Az.: 9 S 40/14) entschieden, dass ein Vertrag über einen Eintrag in einem Online-Branchenverzeichnis sittenwidrig ist, wenn das Branchenverzeichnis praktisch wertlos ist, aber hohe Kosten verursacht.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 9 S 40/14  >>>

Das Wichtigste in Kürze


  • Sittenwidriger Eintrag in Online-Branchenverzeichnis durch das Landgericht Wuppertal behandelt.
  • Vertrag durch Rücksendung des „Brancheneintragungsantrages“ kam zustande.
  • Objektiv auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung identifiziert.
  • Internet-Branchenverzeichnis war in gängigen Suchmaschinen nicht auffindbar, daher quasi wertlos.
  • Klägerin zeigte kein Interesse an Nutzungszahlen ihres Verzeichnisses.
  • Verwendung des „Brancheneintragungsantrages“ zielte darauf ab, den Empfänger über den wahren Vertragsinhalt im Unklaren zu lassen.
  • Berufung durch die Kammer als offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg betrachtet.

Vertragsdetails und Kosten

Internetverzeichnis sittenwidrige Kosten
(Symbolfoto: Panchenko Vladimir /Shutterstock.com)

Im konkreten Fall hatte die beklagte Firma einen „Brancheneintragungsantrag“ der klagenden Firma zurückgeschickt. Damit war ein Vertrag zustande gekommen, der die Beklagte verpflichtete, für einen Eintrag in das Online-Branchenverzeichnis „www.super-branchenbuch.de“ der Klägerin 910 Euro pro Jahr zu zahlen.

Bewertung des Gerichts

Das Gericht sah dieses Geschäft als sittenwidrig an, weil hier ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht (§ 138 Abs. 1 BGB). Der Eintrag in dem Online-Verzeichnis war praktisch wertlos, da es über die gängigen Suchmaschinen wie Google nicht auffindbar war. Es hatte auch sonst quasi keine Nutzer. Gleichzeitig verlangte die Klägerin 910 Euro pro Jahr für diesen Nutzlosen Eintrag.

Verwerfliche Gesinnung der Klägerin

Zudem sah das Gericht eine verwerfliche Gesinnung der Klägerin als gegeben an. Der „Brancheneintragungsantrag“ war nämlich so gestaltet, dass für den Empfänger nicht erkennbar war, dass mit der Rücksendung ein kostenpflichtiger Vertrag zustande kam. Die Klägerin hat also bewusst verschleiert, worum es eigentlich ging.

Urteilsbegründung und Rückzahlung

Das Gericht sah daher einen Verstoß gegen die guten Sitten und erklärte den Vertrag gemäß § 138 BGB für nichtig. Es verurteilte die Klägerin auch dazu, die bereits gezahlten 910 Euro zurückzuzahlen.

Analyse der Entscheidung

Die Entscheidung des Gerichts ist schlüssig und gut nachvollziehbar. In der Tat war hier die Gegenleistung für die Beklagte wertlos, da das Online-Branchenverzeichnis aufgrund der nicht vorhandenen Auffindbarkeit keine potentiellen Kunden oder Nutzer hatte. Gleichzeitig war die verlangte Vertragssumme von 910 Euro pro Jahr sehr hoch.

Irreführung und Täuschung

Auch der Einsatz des irreführend gestalteten „Brancheneintragungsantrags“ spricht für eine bewusste Täuschung der Beklagten. Die Klägerin hat ihre marktbeherrschende Stellung und Informationsüberlegenheit ausgenutzt, um die Beklagte zu einem für sie nachteiligen Vertrag zu bewegen.

Betonung des Gerichts

Das Gericht betont in seiner Entscheidung, dass die Vollkaufmanneigenschaft der Beklagten grundsätzlich dagegen spricht, dass eine verwerfliche Gesinnung beim Begünstigten vorliegt. Allerdings war die Gestaltung des Antrags so eindeutig irreführend, dass dies hier nicht zum Tragen kam.

Schlussfolgerung zum Urteil

Insgesamt ist das Urteil daher überzeugend. Es verhindert, dass wirtschaftlich unterlegene Marktteilnehmer durch solche halbgaunerischen Methoden übervorteilt werden können. Gleichzeitig enthält es keine extrem strengen Vorgaben, da auch die Interessen der Klägerin berücksichtigt wurden.

Rechtliche Grenzen im Online-Marketing

Fälle wie dieser zeigen, dass auch im Online-Marketing klare rechtliche Grenzen bestehen. Unternehmen können ihre Marktmacht nicht grenzenlos ausnutzen, um anderen Marktteilnehmern einseitig nachteilige Verträge aufzuzwingen. Gerade kleine Unternehmen und Selbständige sind hier auf den Schutz durch das Recht angewiesen.

Achtung der Gerichte auf gute Sitten

Die Gerichte achten daher genau darauf, ob möglicherweise gegen die guten Sitten verstoßen wird. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn eine eklatante Schieflage zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. Auch wenn bewusst eine Täuschung über den Vertragsinhalt betrieben wird, ist höchste Vorsicht geboten.

Empfehlung für Unternehmen

Unternehmen sollten ihre Vertragspartner also stets fair behandeln und transparent informieren. Nur so kann verhindert werden, dass es im Nachhinein zu bösen Überraschungen in Form von Gerichtsverfahren und Vertragsnichtigkeit kommt. Auch wer die verlockende Möglichkeit hat, seine Marktmacht auszunutzen, sollte tunlichst die Finger davon lassen.

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Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) – kurz erklärt


Gemäß § 138 Abs. 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Sittenwidrigkeit bezeichnet dabei ein Verhalten oder ein Geschäft, das gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Diese Definition ist jedoch recht allgemein gehalten und kann in der Praxis zu Interpretationsschwierigkeiten führen. Ein sittenwidriges Rechtsgeschäft ist somit eines, das in einem besonders starken Maße gegen das Gerechtigkeitsempfinden der Gesellschaft verstößt. Es ist wichtig zu beachten, dass nicht jedes moralisch verwerfliche Handeln auch sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB ist. Es muss eine erhebliche Abweichung von den in der Gesellschaft anerkannten Normen und Werten vorliegen.

Wucherähnliches Rechtsgeschäft

Ein wucherähnliches Rechtsgeschäft bezieht sich auf ein Geschäft, das zwar nicht direkt als Wucher gemäß § 138 Abs. 2 BGB eingestuft wird, aber dennoch nach § 138 Abs. 1 BGB als nichtig betrachtet wird. Für die Nichtigkeit eines solchen Geschäfts müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Erstens muss objektiv ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegen. Zweitens muss subjektiv eine verwerfliche Gesinnung desjenigen, der das Geschäft zu seinen Gunsten abschließt, gegeben sein. Das bedeutet, dass nicht nur ein erhebliches Ungleichgewicht in den Leistungen der Vertragsparteien vorliegen muss, sondern auch die Absicht, diese Situation auszunutzen. Es ist wichtig zu betonen, dass die Feststellung eines wucherähnlichen Rechtsgeschäfts immer im Kontext des Einzelfalls erfolgen muss.


§ Relevante Rechtsbereiche für dieses Urteil sind u.a.:

  • Zivilprozessordnung (ZPO): In diesem Fall wird auf die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO eingegangen. Dieser Paragraph regelt die Zurückweisung der Berufung durch Beschluss, wenn die Kammer überzeugt ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat.
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – Sittenwidrigkeit: Es wird auf eine Sittenwidrigkeit im Sinne des § 138 BGB hingewiesen. Dieser Paragraph behandelt nichtige Rechtsgeschäfte, die gegen die guten Sitten verstoßen, wie in diesem Fall, wo ein wucherähnliches Rechtsgeschäft vorliegt.
  • Höchstrichterliche Rechtsprechung: Es wird auf ständige höchstrichterliche Rechtsprechung und Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) Bezug genommen, insbesondere in Bezug auf das Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung und die verwerfliche Gesinnung des Begünstigten.


Das vorliegende Urteil

Landgericht Wuppertal – Az.: 9 S 40/14 – Urteil vom 05.06.2014

Die Kammer weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO einstimmig durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, weil sie davon überzeugt ist, dass die Berufung nach dem Vorbringen in der Berufungsbegründung aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat, eine Entscheidung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich ist und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

Gründe:

Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Zu Recht hat das Amtsgericht auf eine Sittenwidrigkeit im Sinne des § 138 BGB abgestellt. Der durch Rücksendung des „Brancheneintragungsantrages“ vom 11.05.2009 (Bl. 14 d.A.) zustande gekommene Vertrag erfüllt die Voraussetzungen an ein wucherähnliches Rechtsgeschäft i.S. des § 138 Abs. 1 BGB. Ein solches erfordert nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung sowohl ein objektiv auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung als auch das Zutagetreten einer verwerflichen Gesinnung des Begünstigten (BGH, NJW 2003, 2230, m.w.N.). Ein objektiv auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung liegt vor. Der Leistung der Beklagten in Form einer jährlichen Zahlung von 910,00 € netto steht als Gegenleistung ihr Eintrag in das Internet-Branchenverzeichnis „www………..“ gegenüber. Letztere Gegenleistung ist jedoch quasi wertlos. Eine Internet-Recherche der Kammer vom heutigen Tage hat ergeben, dass das Verzeichnis „www……….“ nach Eingabe der Begriffe „Branchenbuch“, „Branchenverzeichnis“ oder „Gelbe Seiten“ in die (marktführenden) Suchmaschinen Google, Bing und Ask auf den jeweils ersten fünf Suchtrefferseiten nicht erscheint. Mithin stößt ein Internet-Nutzer, der ein Branchenverzeichnis sucht („googelt“) zwar z.B. auf die Internet-Portale „www.gelbeseiten.de“, „www.cylex.de“ oder „www.goyellow.de“, keineswegs aber auf das Angebot der Klägerin. Dabei wäre es für sie ein Leichtes, etwa durch Schaltung von Anzeigen in den genannten Suchmaschinen, eine entsprechende Nutzerzahl zu generieren. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin auf andere Weise Nutzer des Verzeichnisses generieren würde. Der Eintrag in einem Branchenverzeichnis, welches niemand nutzt, ist aber quasi wertlos. Dass die Klägerin selbst überhaupt kein Interesse an einer Nutzung ihres Branchenverzeichnisses hat, ergibt sich auch aus dem Schriftsatz vom 15.01.2014, wonach „in die Suchmaschine kein Zähler integriert wurde“ weswegen sie keine Angaben zu Nutzungszahlen machen könne. Es ist daher von derart geringen Nutzerzahlen auszugehen, dass der Eintrag bei „www………“ quasi wertlos und die Vergütung von 910,00 € netto hierfür in jedem Fall unangemessen hoch ist.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem mit der Berufungsbegründung vorgelegten „Eintragungskostenvergleich“. Denn es steht nicht fest, dass es einen Markt für wertlose Eintragungen in Branchenverzeichnisse geben würde. Sofern die Leistungen der im „Eintragungskostenvergleich“ genannten Anbieter denen der Klägerin ähneln, so dürften auch Verträge mit diesen Anbietern unter einem auffälligen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung leiden.

Auch die subjektiven Voraussetzungen eines wucherähnlichen Geschäfts sind gegeben. Zwar begründet die Vollkaufmann-Eigenschaft des Benachteiligten in aller Regel die widerlegliche Vermutung, dass der Begünstigte nicht in verwerflicher Weise eine persönliche oder geschäftliche Unterlegenheit des Benachteiligten ausgenutzt hat (BGH, aaO). Die verwerfliche Gesinnung der Klägerin folgt hier jedoch eindeutig aus der Verwendung des „Brancheneintragungsantrages“ vom 11.05.2009 als ihr Angebot. Dieses ist ersichtlich darauf angelegt, den Empfänger über den wahren Gegenstand dieses Schreibens und die mit der Rücksendung verbundenen Rechtsfolgen im Unklaren zu lassen. Auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgericht wird verwiesen. Während sich ein „normales“ unaufgefordert zugesandtes Angebot dadurch auszeichnet, den Empfänger von den Vorzügen eines Vertragsschlusses zu überzeugen, wird ihm vorliegend gerade die Kenntnisnahme des Vertragsinhalts schwergemacht. Im Zusammenspiel mit dem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung kann das Verhalten nach Überzeugung der Kammer daher nur den Zweck gehabt haben, die Beklagte zu überrumpeln.

Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).

Der Berufungsklägerin wird Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses, zu den vorstehenden Hinweisen Stellung zu nehmen. Die Kammer stellt zur Vermeidung unnötiger Kosten eine Rücknahme des Rechtsmittels innerhalb der vorgenannten Frist anheim.

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