Widerrufsrechte beim Online-Fahrzeugkauf: Gericht entscheidet gegen Verbraucher
Online-Käufe erfreuen sich großer Beliebtheit, so auch beim Erwerb von Fahrzeugen. Das Gesetz räumt Verbrauchern in solchen Fällen ein Widerrufsrecht ein, um eine sorgfältige Prüfung des erworbenen Produkts zu ermöglichen. Dieses Widerrufsrecht unterliegt jedoch bestimmten Fristen und Voraussetzungen, die für den Verbraucher nicht immer ganz klar sein mögen. Entscheidend ist, dass der Widerruf fristgerecht und formgerecht erfolgt, damit der Käufer den Kaufvertrag rückgängig machen kann. Welche rechtlichen Fallstricke es dabei zu beachten gilt, erläutert der nachfolgende Beitrag anhand eines konkreten Gerichtsurteils.
Übersicht
- 1 Widerrufsrechte beim Online-Fahrzeugkauf: Gericht entscheidet gegen Verbraucher
- 2 ✔ Das Wichtigste in Kürze
- 3 ➜ Der Fall im Detail
- 4 ✔ Häufige Fragen – FAQ
- 4.1 Unter welchen Voraussetzungen kann der Verbraucher einen Online-Kaufvertrag widerrufen?
- 4.2 Was muss eine wirksame Widerrufsbelehrung enthalten?
- 4.3 Welche Rechtsfolgen hat ein wirksamer Widerruf für Verbraucher und Unternehmen?
- 4.4 Welche Besonderheiten gelten beim Widerruf von Fahrzeugkaufverträgen?
- 4.5 Welche Rolle spielt der Verkaufsort bei Online-Bestellungen für das Widerrufsrecht?
- 5 § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- 6 Das vorliegende Urteil
[Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 O 240/23 >>>]
✔ Das Wichtigste in Kürze
- Der Widerruf des Online-Kaufvertrags über ein Elektroauto durch den Kläger war verfristet. Die 14-tägige Widerrufsfrist begann mit Übergabe des Fahrzeugs am 16.12.2022 und endete am 30.12.2022.
- Das Fehlen einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung führt nicht zur verlängerten 12-Monats-Widerrufsfrist, da die Beklagte eine individuelle Belehrung erteilt hatte und nicht das Musterformular verwendete.
- Die Rückgabe des Fahrzeugs durch den Kläger an die Beklagte wurde nicht ausreichend versucht. Das Fahrzeug wurde weder an die Beklagte zurückgesandt noch bei einem Auslieferungszentrum abgegeben.
- Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises, da der Widerruf unwirksam war. Die Beklagte kann hilfsweise Wertersatz für vom Kläger verursachte Wertminderung des Fahrzeugs verlangen.
- Es besteht kein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, da die Rechtsverfolgung nicht zweckmäßig war. Die Beklagte verhielt sich nicht rechtswidrig.
- Die Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises und der Rechtsanwaltskosten wurde abgewiesen.
➜ Der Fall im Detail
Widerruf eines Online-Fahrzeugkaufvertrags: Fall vor dem LG Paderborn
Um den Widerruf eines online abgeschlossenen Kaufvertrags über ein Elektrofahrzeug dreht sich ein Rechtsstreit vor dem Landgericht Paderborn (Az.: 3 O 240/23). Geklagt hatte ein Verbraucher, der im Dezember 2021 über den Onlineshop der Beklagten, einer Tochtergesellschaft des US-amerikanischen Elektroautoherstellers Tesla, ein Model Y zum Preis von rund 44.000 Euro erworben hatte.
Im Juni 2023 widerrief der Kläger den Kaufvertrag und forderte die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises auf. Streitpunkt ist, ob die Widerrufsbelehrung der Beklagten den gesetzlichen Anforderungen genügt und somit der Widerruf wirksam ist.
Die Beklagte vertreibt ihre Fahrzeuge sowohl über sogenannte „Tesla Stores“ als auch über ihren Onlineshop. Unklar ist, ob in den Stores auch Probefahrten und Vertragsabschlüsse möglich sind. In den Vertragsunterlagen informierte die Beklagte den Kläger über sein Widerrufsrecht und wies darauf hin, dass die Widerrufsfrist 14 Tage ab dem Tag beträgt, an dem er oder ein von ihm benannter Dritter die Ware in Besitz genommen hat. Zur Ausübung des Widerrufs müsse der Kläger die Beklagte „mittels einer eindeutigen Erklärung (z. B. ein mit der Post versandter Brief, Telefax oder E-Mail)“ über seinen Entschluss informieren. Die Beklagte gab in dieser Belehrung jedoch keine Telefonnummer an.
Der Kläger argumentiert, dass die Widerrufsbelehrung der Beklagten fehlerhaft sei, da sie entgegen den Vorgaben des Gesetzgebers keine Telefonnummer enthalte. Seine Widerrufserklärung, die er per E-Mail und Einschreiben an die Beklagte übermittelt habe, sei daher wirksam. Das Fahrzeug habe er zudem, wie in der Widerrufsbelehrung gefordert, an ein Auslieferungszentrum der Beklagten zurückgesandt.
Entscheidung des Gerichts: Klage abgewiesen
Das Landgericht Paderborn wies die Klage ab. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die fehlende Angabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung nicht zur Unwirksamkeit des Widerrufs führe. Der Kläger sei ausreichend über sein Widerrufsrecht belehrt worden. Die Beklagte habe ihm in der Belehrung mehrere Möglichkeiten zur Erklärung des Widerrufs aufgezeigt, darunter auch die E-Mail, die der Kläger genutzt habe. Zudem sei die Angabe der Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung nicht gesetzlich vorgeschrieben.
Das Gericht betonte, dass der Verbraucher durch die fehlende Telefonnummer nicht in seiner Möglichkeit beeinträchtigt worden sei, den Widerruf zu erklären. Vielmehr habe er den Widerruf form- und fristgerecht ausgeübt. Die Angabe der Telefonnummer diene lediglich der Erleichterung der Kontaktaufnahme, sei aber keine zwingende Voraussetzung für die Wirksamkeit des Widerrufs.
Das Gericht ließ offen, ob der Kläger das Fahrzeug wirksam an die Beklagte zurückgesandt hat. Es begründete seine Entscheidung allein mit der Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung. Für den Kläger bedeutet die Entscheidung, dass er den Kaufvertrag nicht widerrufen konnte und somit zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet bleibt.
✔ Häufige Fragen – FAQ
Unter welchen Voraussetzungen kann der Verbraucher einen Online-Kaufvertrag widerrufen?
Verbraucher haben beim Online-Einkauf ein 14-tägiges Widerrufsrecht, innerhalb dessen sie den Kaufvertrag ohne Angabe von Gründen widerrufen können. Die Widerrufsfrist beginnt bei Warenlieferungen mit Erhalt der Ware, bei Dienstleistungen und digitalen Produkten ohne Datenträger bereits mit Vertragsschluss.
Voraussetzung für den Fristbeginn ist, dass der Online-Händler den Verbraucher ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht informiert hat, ansonsten verlängert sich die Frist. Der Widerruf muss dem Händler gegenüber erklärt werden, was formlos per E-Mail, Fax oder Brief möglich ist. Viele Händler stellen auch ein Muster-Widerrufsformular zur Verfügung.
Es gibt jedoch auch Ausnahmen vom Widerrufsrecht, z.B. bei schnell verderblichen Waren, versiegelten Produkten, deren Versiegelung entfernt wurde, maßgefertigten Waren oder termingebundenen Dienstleistungen. Nach erklärtem Widerruf ist die Ware an den Händler zurückzusenden, der dann den Kaufpreis erstatten muss. Die Rücksendekosten trägt meist der Verbraucher, es sei denn der Händler übernimmt sie freiwillig.
Was muss eine wirksame Widerrufsbelehrung enthalten?
Eine wirksame Widerrufsbelehrung bei Online-Kaufverträgen muss folgende Mindestangaben enthalten:
Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts. Die Belehrung muss klar und verständlich formuliert sein.
- Ein Muster-Widerrufsformular, das der Verbraucher für seinen Widerruf nutzen kann.
- Einen Hinweis, dass der Widerruf in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) erfolgen kann und es ausreicht, wenn die Widerrufserklärung innerhalb der Frist abgesendet wird.
- Die Anschrift des Unternehmers, an den der Widerruf zu richten ist.
- Informationen zu den Folgen des Widerrufs, insbesondere zur Rücksendung bereits erhaltener Waren und eventueller Kosten.
Fehlt auch nur eine dieser Pflichtangaben oder ist die Belehrung unklar formuliert, ist die Widerrufsbelehrung fehlerhaft. Die Folge: Die Widerrufsfrist von 14 Tagen beginnt nicht zu laufen und der Verbraucher kann den Vertrag auch noch später widerrufen.
Bei einem wirksamen Widerruf muss der Unternehmer bereits erhaltene Zahlungen erstatten und der Verbraucher die Ware zurücksenden. Die Kosten der Rücksendung trägt bei Waren bis 40 Euro der Verbraucher, darüber der Unternehmer, sofern er den Verbraucher nicht vorab darüber informiert hat, dass dieser die Kosten zu tragen hat.
Welche Rechtsfolgen hat ein wirksamer Widerruf für Verbraucher und Unternehmen?
Ein wirksamer Widerruf eines Online-Kaufvertrags hat für Verbraucher und Unternehmer folgende Rechtsfolgen nach deutschem Recht:
Der Kaufvertrag wird rückabgewickelt, als hätte er nie bestanden. Der Unternehmer muss dem Verbraucher den gezahlten Kaufpreis unverzüglich, spätestens binnen 14 Tagen ab Zugang des Widerrufs erstatten. Auch bereits gezahlte Versandkosten sind zu erstatten, außer der Verbraucher hatte eine teurere Versandart als die günstigste Standardlieferung gewählt.
Im Gegenzug muss der Verbraucher die erhaltene Ware unverzüglich, spätestens binnen 14 Tagen ab Erklärung des Widerrufs an den Unternehmer zurücksenden oder übergeben. Die Kosten der Rücksendung trägt bei Waren bis 40 Euro der Verbraucher, darüber der Unternehmer, sofern er den Verbraucher nicht vorab darüber informiert hat, dass dieser die Kosten zu tragen hat.
Hat der Verbraucher die Ware bereits genutzt, schuldet er dem Unternehmer Wertersatz für die gezogenen Nutzungen und eine Verschlechterung der Ware. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Verschlechterung ausschließlich auf die Prüfung der Ware zurückzuführen ist, wie sie dem Verbraucher etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre. Bei Kraftfahrzeugen kann der Wertersatz für die Nutzung auch die gefahrenen Kilometer umfassen.
Wurde der Kaufvertrag über ein Fahrzeug durch Darlehen finanziert, so erstreckt sich der Widerruf in der Regel auch auf den Darlehensvertrag (sog. Widerrufsdurchgriff), sofern zwischen Kauf- und Darlehensvertrag eine wirtschaftliche Einheit besteht. Die Bank muss dann die erhaltenen Darlehenszahlungen und Zinsen erstatten.
Mit dem wirksamen Widerruf entfallen auch die Mängelrechte des Verbrauchers bezüglich der Kaufsache, da der Vertrag rückabgewickelt wird. Dies kann gerade bei bereits überwiegend erbrachter Leistung des Unternehmers ein Risiko für den Verbraucher darstellen.
Welche Besonderheiten gelten beim Widerruf von Fahrzeugkaufverträgen?
Beim Widerruf von Fahrzeugkaufverträgen gelten einige Besonderheiten:
- Widerrufsrecht nur bei Fernabsatzverträgen: Ein generelles 14-tägiges Widerrufsrecht besteht nur, wenn der Fahrzeugkaufvertrag ausschließlich im Fernabsatz (online, telefonisch etc.) zwischen Verbraucher und Unternehmer geschlossen wurde. Bei Vertragsabschluss im Autohaus oder nach vorheriger Besichtigung vor Ort gibt es kein Widerrufsrecht.
- Ausnahme bei Sonderanfertigungen: Wurde das Fahrzeug nach individuellen Vorgaben des Verbrauchers konfiguriert, besteht ebenfalls kein Widerrufsrecht, da eine Rückgabe für den Händler unzumutbar wäre.
- Wertersatz bei Inbetriebnahme: Macht der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Gebrauch, nachdem er das Fahrzeug bereits zugelassen und genutzt hat, schuldet er Wertersatz für die Nutzung. Dies kann die gefahrenen Kilometer und eine mögliche Wertminderung umfassen.
- Sonderkündigungsrecht bei Gebrauchtwagen: Beim Kauf eines gebrauchten und bereits zugelassenen Fahrzeugs hat der Käufer ein einmonatiges Sonderkündigungsrecht der Kfz-Versicherung des Vorbesitzers. Er kann diese mit sofortiger Wirkung oder zum Ablauf des Versicherungsjahres kündigen.
- Rücktritt wegen Sachmangel: Neben dem Widerrufsrecht kann der Käufer auch vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn das Fahrzeug einen Sachmangel aufweist, der bereits bei Übergabe vorlag. Dies setzt aber voraus, dass der Mangel erheblich ist und der Händler keine Nachbesserung vornimmt.
Insgesamt zeigt sich, dass der Widerruf von Fahrzeugkaufverträgen eine Reihe von Sonderregelungen aufweist, die von den allgemeinen Bestimmungen für Fernabsatzverträge abweichen können. Käufer sollten die genauen Bedingungen im Einzelfall prüfen.
Welche Rolle spielt der Verkaufsort bei Online-Bestellungen für das Widerrufsrecht?
Der Verkaufsort spielt eine entscheidende Rolle für das Widerrufsrecht bei Online-Bestellungen:
Bei reinen Online-Käufen ohne Ladengeschäft gilt das 14-tägige Widerrufsrecht für Verbraucher. Der Kunde kann die Ware innerhalb dieser Frist ohne Angabe von Gründen zurücksenden und erhält den Kaufpreis erstattet. Dies gilt unabhängig davon, ob die online bestellte Ware direkt geliefert oder in einer Filiale abgeholt wird.
Anders ist die Rechtslage bei Multichannel-Händlern mit stationärem Ladengeschäft: Hier kommt es darauf an, wo der Kaufvertrag letztlich geschlossen wurde. Erfolgte die Bezahlung bereits online zusammen mit der Bestellung, gilt das Widerrufsrecht, auch wenn die Ware im Laden abgeholt wird.
Wird die online reservierte Ware hingegen erst bei Abholung im Laden bezahlt, liegt rechtlich ein Ladenverkauf vor, für den kein Widerrufsrecht besteht. Hier kommt allenfalls ein Umtausch aus Kulanz in Betracht.
Für den Kunden ist es also entscheidend, den Kaufvertrag vollständig online abzuwickeln, um sein Widerrufsrecht nicht zu verlieren. Multichannel-Händler müssen die unterschiedlichen rechtlichen Folgen je nach Verkaufskanal beachten und ihre Kunden klar darüber informieren.
Insgesamt zeigt sich, dass der Verkaufsort und die Bezahlmodalitäten direkten Einfluss darauf haben, ob dem Kunden bei einer Online-Bestellung ein Widerrufsrecht zusteht oder nicht. Nur bei reinen Fernabsatzverträgen profitiert der Verbraucher von diesem zusätzlichen Schutz.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 312g BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Regelt die Voraussetzungen und den Umfang des Widerrufsrechts bei Fernabsatzverträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurden, wie beispielsweise beim Online-Kauf eines Fahrzeugs.
- § 355 BGB: Behandelt die Rechtsfolgen des Widerrufs, insbesondere die Rückabwicklung des Vertrags, bei der sowohl der Kaufpreis erstattet als auch die Ware zurückgegeben werden muss.
- § 357 Abs. 7 BGB: Beschäftigt sich mit Sonderregelungen für die Rücksendung von Waren, die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht normal mit der Post zurückgesandt werden können, was bei einem Fahrzeugkauf relevant ist.
- Artikel 246a EGBGB (Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche): Enthält Regelungen zum Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen, insbesondere im Anhang die Muster-Widerrufsbelehrung, die Unternehmer verwenden können.
- § 312d BGB: Definiert den Begriff „Verbraucher“, der für die Anwendbarkeit des Widerrufsrechts entscheidend ist.
- Fernabsatzrecht: Dieser Rechtsbereich befasst sich mit Verträgen, die über Fernkommunikationsmittel abgeschlossen werden, und regelt insbesondere das Widerrufsrecht des Verbrauchers in solchen Fällen.
Das vorliegende Urteil
LG Paderborn – Az.: 3 O 240/23 – Urteil vom 03.01.2024
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Rückabwicklung eines Kaufvertrages über einen Pkw.
Die Beklagte ist eine Tochtergesellschaft des P Elektroautoherstellers U, Inc., dessen Produkte sie als Direktvermarkterin vertreibt. Die Beklagte verkauft und vertreibt ihre Fahrzeuge in Deutschland über 36 physische sog. „U Stores“ sowie diverse Auslieferungszentren. In diesen „U Stores“ können (potenzielle) Kunden die Fahrzeuge der Beklagten ansehen und sich bei Mitarbeitern der Beklagten über die Fahrzeuge informieren. Zwischen den Parteien ist streitig, ob darüber hinaus auch Probefahrten und Kaufvertragsabschlüsse in diesen „U Stores“ möglich sind.
Der Kläger erwarb unter dem 27.12.2021 unter Nutzung des Onlineshops der Beklagten unter der „…“ ein Elektroauto des Modells „U Y“ zum Preis von 43.970,00 EUR brutto von der Beklagten zu privaten Zwecken.
Die Beklagte informierte den Kläger über das ihm zustehende fernabsatzrechtliche Widerrufsrecht. Dazu führte sie in den Vertragsunterlagen, Seite 5 von 6 (Anlage K1, Bl. 16 d. A.), unter der Überschrift „Regionalspezifische Vorgaben“ wie folgt aus:
Widerrufsbelehrung
Widerrufsrecht
Wenn Sie ein Verbraucher sind und diesen Vertrag ausschließlich unter der Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (wie z.B. über das Internet, per Telefon, E-Mail o.ä.) geschlossen haben, haben Sie das Recht, binnen vierzehn Tagen ohne Angabe von Gründen diesen Vertrag nach den nachstehenden Regelungen zu widerrufen.
Die Widerrufsfrist beträgt vierzehn Tage ab dem Tag, an dem Sie oder ein von Ihnen benannter Dritter, der nicht der Beförderer ist, die Waren in Besitz genommen haben bzw. hat.
Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns (U GmbH, C, ….) mittels einer eindeutigen Erklärung (z.B. ein mit der Post versandter Brief, Telefax oder E-Mail) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren. Sie können dafür das beigefügte Muster-Widerrufsformular verwenden, das jedoch nicht vorgeschrieben ist.
Zur Wahrung der Widerrufsfrist reicht es aus, dass Sie die Mitteilung über die Ausübung des Widerrufsrechts vor Ablauf der Widerrufsfrist absenden.
Folgen des Widerrufs
Wenn Sie diesen Vertrag widerrufen, haben wir Ihnen alle Zahlungen, die wir von Ihnen erhalten haben, einschließlich der Lieferkosten (mit Ausnahme der zusätzlichen Kosten, die sich daraus ergeben, dass Sie eine andere Art der Lieferung als die von uns angebotene, günstigste Standardlieferung gewählt haben), unverzüglich und spätestens binnen vierzehn Tagen ab dem Tag zurückzuzahlen, an dem die Mitteilung über Ihren Widerruf dieses Vertrags bei uns eingegangen ist. Für diese Rückzahlung verwenden wir dasselbe Zahlungsmittel, das Sie bei der ursprünglichen Transaktion eingesetzt haben, es sei denn, mit Ihnen wurde ausdrücklich etwas anderes vereinbart; in keinem Fall werden Ihnen wegen dieser Rückzahlung Entgelte berechnet. Wir können die Rückzahlung verweigern, bis wir die Waren wieder zurückerhalten haben oder bis Sie den Nachweis erbracht haben, dass Sie die Waren zurückgesandt haben, je nachdem, welches der frühere Zeitpunkt ist.
Sie haben die Waren unverzüglich und in jedem Fall spätestens binnen vierzehn Tagen ab dem Tag, an dem Sie uns über den Widerruf dieses Vertrags unterrichten, an U GmbH, C oder an Ihr örtliches U Delivery Center zurückzusenden oder zu übergeben. Die Frist ist gewahrt, wenn Sie die Waren vor Ablauf der Frist von vierzehn Tagen absenden.
Sie tragen die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren.
Sie müssen für einen etwaigen Wertverlust der Waren nur aufkommen, wenn dieser Wertverlust auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Waren nicht notwendigen Umgang mit ihnen zurückzuführen ist.
Die Beklagte unterließ es bei der vorstehenden Belehrung, eine Telefonnummer anzugeben.
Dem Kläger wurde das Fahrzeug am 16.12.2022 übergeben. Er entschied sich am 16.06.2023 zum Widerruf seiner Vertragserklärung und ließ diese am gleichen Tag von einem Dienstleister als Bote per E-Mail und per Einschreiben an die Beklagte übermitteln.
In der Folgezeit forderte der Kläger die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 06.07.2023 zur Rückzahlung des Kaufpreises auf.
Der Kläger meint, der streitgegenständliche Kaufvertrag sei wirksam widerrufen und daher rückabzuwickeln.
Der Kläger behauptet dazu insbesondere, die Beklagte habe zur Widerrufsinformation das Muster aus Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB verwendet und die Angabe der Telefonnummer entgegen der Ausfüllhinweise unterlassen. Die Beklagte verwende jedoch in ständiger Praxis eine auf ihrer Internetseite prominent an zahlreichen Stellen hervorgehobene Telefonnummer zur Kommunikation mit ihren Kunden.
Der Kläger behauptet weiter, das Fahrzeug nach dem Widerruf unter Einschaltung eines Boten an die Beklagte versandt zu haben. Er habe den Boten damit beauftragt, das Fahrzeug an ein Auslieferungszentrum der Beklagten zu überbringen, wie von der Beklagten in ihrer Widerrufsbelehrung gefordert. Dort sei es jedoch nicht angenommen, sondern die Rücknahme verweigert worden.
Der Kläger meint, die Beklagte befinde sich mit ihrer Pflicht zur Rückzahlung des vollständigen Kaufpreises spätestens 14 Tage seit Zugang der Widerrufserklärung in Verzug.
Aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB i. V. m. dem Rückgewährschuldverhältnis folge ferner der Erstattungsanspruch wegen der Kosten zur zweckmäßigen vorgerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.877,11 EUR. Diese seien erforderlich gewesen, weil der Kläger damit habe rechnen dürfen, dass die Beklagte sich nach Erläuterung der Rechtslage rechtskonform verhalten würde.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag von 43.970,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 43.970,00 EUR seit dem 01.07.23 zu zahlen,
2. an ihn einen Betrag von 1.877,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, ein Widerrufsrecht stehe dem Kläger schon deshalb nicht zu, da er ein individualisiertes Produkt erworben habe.
Der Widerruf des Klägers sei jedenfalls verfristet. Der Kläger habe den Widerruf nicht innerhalb der vierzehntägigen Widerrufsfrist erklärt, sondern erst sieben Monate nach Übergabe des Fahrzeugs. Gründe, die einen späteren Widerruf ermöglichen würden, lägen hier nicht vor, weil die Beklagte den Kläger bei Vertragsschluss eine individuelle Widerrufsbelehrung übermittelt habe, in der sie den Kläger korrekt und umfassend über die Bedingungen des Widerrufsrechts, die Fristen und das Verfahren gemäß § 356 Abs. 3 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB informiert habe. Die Muster-Widerrufsbelehrung habe sie gerade nicht verwendet. Sie habe lediglich über die Verwendung des Muster-Widerrufsformulars informiert. Insoweit gälten auch die Ausfüllhinweise nicht. Die Nichtangabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung sei daher unschädlich und führe nicht zu einer Verlängerung der Widerrufsfrist, zumal die Beklagte eine Vielzahl von Kommunikationsmöglichkeiten anbiete, eine hohe Präsenz bei ihren Kunden zeige und tatsächlich der größte Teil der Korrespondenz auf elektronischem Wege stattfinde, so auch beim Kläger.
Die Beklagte behauptet, der Kläger habe die Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs nie ernsthaft versucht und wolle es weiter nutzen. Zugleich wolle er staatliche Fördermittel einbehalten, hinsichtlich derer die Einhaltung einer sechsmonatigen Bindungsfrist erforderlich gewesen sei. Ein behaupteter Bote habe jedenfalls einen Rückgabeversuch nicht durchgeführt.
Die Beklagte erklärt hilfsweise die Aufrechnung mit einem Betrag von 13.270,00 EUR. Hierzu meint sie, der Kläger sei nach § 357a Abs. 1 BGB verpflichtet, Wertersatz für alle Handlungen zu leisten, die auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurückzuführen sind, die zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise des Fahrzeugs nicht notwendig war. Der maßgebliche Händlereinkaufspreis, auf dessen Grundlage der Wertverlust zu berechnen sei, betrage EUR 30.700,00, der Verlustfaktor 20%.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 Abs. 2 S. 2 ZPO auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien verwiesen.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 09.11.2023 nach Zustimmung beider Parteien das schriftliche Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet und eine den Schluss der mündlichen Verhandlung ersetzende Schriftsatzfrist bis zum 20.12.2023 gesetzt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1.
Die Klage ist im Urkundenprozess statthaft. Zum Beweis der entscheidungserheblichen Tatsachen genügte die Vorlage entsprechender Dokumente. Demgemäß kam es auch zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO. Dieses Urteil ergeht indes nach § 597 Abs. 1 ZPO.
Das Landgericht Paderborn ist auch örtlich zuständig. Dies ergibt sich aus § 29 ZPO, nachdem die Beklagte selbst den Verbleib des streitgegenständlichen Fahrzeugs beim Kläger – sei es auch streitig – vorträgt (vgl. BeckOGK-BGB/Beurskens, § 269 Rn. 54).
2.
Die Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückgewähr der Kaufpreiszahlung aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt, insbesondere nicht aufgrund seines Widerrufs vom 16.06.2023, zu.
a)
Dem Grunde nach stünde dem Kläger wohl ein Widerrufsrecht zu, nachdem die bloße Wahl von Ausstattungsmerkmalen eines Neuwagens noch keine Individualisierung des Gegenstandes im Sinne des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB ist (vgl. BeckOGK-BGB/Busch, § 312g Rn. 17).
Ein Rückgewähranspruch aus § 357 Abs. 1 i. V. m. § 355 Abs. 3 BGB scheitert jedoch an einem Ablauf der für den Widerruf gesetzlich vorgesehenen 14-tägigen Frist.
Die Kammer hat diesbezüglich die von der Beklagten zitierten und insoweit auch dem Kläger zumindest bekannt gewordenen Entscheidungen des LG Münster (Urt. v. 14.09.2023, Az. 02 O 101/23), des LG Berlin (Urt. v. 13.10.2023 Az. 38 O 111/23; Urt. v. 30.11.2023, Az. 28 O 89/23) und des LG Weiden/Oberpfalz (Urt. v. 24.10.2023, Az. 23 O 296/23) ausgewertet. Wie bereits mit prozessleitender Verfügung vom 25.10.2023 (Bl. 128 d. A.) mitgeteilt, schließt sich die Kammer der übereinstimmenden Rechtsauffassung dieser Gerichte vollumfänglich an und bestätigt damit die rechtliche Einschätzung der Beklagten.
In Anbetracht des Umstandes, dass es sich bei dem vorliegenden Rechtsstreit erkennbar um ein Element einer Masse gleichgelagerter Verfahren handelt, wie auch die beiderseitigen Prozessbevollmächtigten wiederholt in ihren Schriftsätzen andeuten, wird sich die Kammer insoweit auf die Wiedergabe der nötigsten, gleichwohl zutreffenden Ausführungen der vorzitierten Entscheidungen beschränken, deren inhaltliche Aussagekraft einer neuerlichen, vermeintlich individuellen literarischen Verpackung nicht bedarf.
Nach § 357 Abs. 1 BGB sind die empfangenen Leistungen spätestens 14 Tage nach Erklärung eines wirksamen Widerrufs eines im Wege des Fernabsatzes geschlossenen Vertrages zurückzugewähren. Der Kläger hat den im Wege des Fernabsatzes (§ 312c BGB) geschlossenen Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug nicht wirksam nach §§ 312g Abs. 1, 355 BGB widerrufen, weil die 14-tägige Widerrufsfrist (§ 355 Abs. 2 Satz 1 BGB) zum Zeitpunkt der Erklärung des Widerrufs bereits abgelaufen war. Gemäß §§ 355 Abs. 2, 356 Abs. 2 Nr. 1 a) BGB beträgt die Widerrufsfrist 14 Tage und beginnt mit der Übergabe der Ware an den Verbraucher. Das streitgegenständliche Fahrzeug wurde dem Kläger am 16.12.2022 übergeben, sodass die Widerrufsfrist am 30.12.2022 endete. Der Kläger hat den Widerruf jedoch erst am 16.06.2023 erklärt.
Entgegen der Ansicht des Klägers greift nicht deshalb die verlängerte Widerrufsfrist gem. §§ 356 Abs. 3 S. 2, 355 Abs. 2 S. 2, 356 Abs. 2 Nr. 1a BGB von 12 Monaten und 14 Tagen, weil die übermittelte Widerrufsbelehrung keine Telefonnummer der Beklagten enthalten hat.
Gem. § 356 Abs. 3 S.1 BGB beginnt die Widerrufsfrist nicht, bevor der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 oder des Art. 246b § 2 Abs. 1 EGBGB unterrichtet hat. Nach S. 2 erlischt das Widerrufsrecht spätestens 12 Monate und 14 Tage nach dem in Absatz 2 oder § 355 Absatz 2 Satz 2 genannten Zeitpunkt.
Nach Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 EGBGB ist der Unternehmer, wenn dem Verbraucher ein Widerrufsrecht nach § 312g Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zusteht, verpflichtet, den Verbraucher zu informieren über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Abs. 1 BGB sowie das Muster-Widerrufsformular in der Anlage. Nach S. 2 kann der Unternehmer diese Informationspflichten dadurch erfüllen, dass er das in der Anlage 1 vorgesehene Muster für die Widerrufsbelehrung zutreffend ausgefüllt in Textform übermittelt.
Die Angabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung ist folglich nach dem Wortlaut der einschlägigen Normen für den Beginn der Widerrufsfrist bereits nicht notwendig. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob, wo und in welchem Zusammenhang die Beklagte tatsächlich Telefonnummern angibt oder verwendet.
§ 356 Abs. 3 BGB stellt für den Beginn der Widerrufsfrist bei Fernabsatzverträgen (§ 312c BGB) auf Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB ab. Ein Verweis auf Art. 246a § 1 Abs. 1 insbesondere auf Nr. 2 der alten Fassung und Nr. 3 der neuen Fassung, wonach der Unternehmer dem Verbraucher die Telefonnummer zur Verfügung stellen muss, erfolgt gerade nicht. Jedenfalls für die Frage des Fristbeginns nach § 356 Abs. 3 BGB sind in der Widerrufsbelehrung daher nur die Angaben erforderlich, die in Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB genannt werden, und gerade nicht die Angaben aus Art. 246a § 1 Abs. 1 EGBGB.
Eine für den Fristbeginn allein maßgebliche vollständige Informationserteilung erfordert bei Fernabsatzverträgen somit nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB (lediglich) eine ausreichende Information des Verbrauchers über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts sowie über das Muster-Widerrufsformular nach Anlage 2 (und nicht über die Muster-Widerrufsbelehrung nach Anlage 1). Die Verletzung weiterer, auf den Vertragsgegenstand bezogener Informationspflichten, die nicht in Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB genannt werden, haben bei Fernabsatzverträgen dahingegen keinen Einfluss auf den Beginn der Widerrufsfrist (Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 356 Rn. 7).
Für diese Sichtweise spricht neben dem Wortlaut auch die Systematik des § 356 Abs. 3 BGB. Denn für Finanzdienstleistungen wird ausdrücklich auf Art. 246b § 2 Abs. 1 EGBGB verwiesen, der durch einen Verweis auf § 1 (des Art. 246b) auch die Informationspflichten einbezieht, was Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB a. F. gerade nicht vorsieht. Der Gesetzgeber hat für den Fernabsatzvertrag bewusst die Informationspflichten aus Art. 246a § 1 Abs. 1 EGBGB und damit insbesondere die Angabe einer Telefonnummer aus dem Verweis in § 356 Abs. 3 BGB herausgenommen und fordert folglich die Erteilung der Informationspflichten nicht für den Beginn der Widerrufsfrist. Bei Fernabsatzverträgen genügt im Gegensatz zu Verträgen über Finanzdienstleistungen die Information nach § 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB (Grüneberg/Grüneberg, 82. Aufl., § 356, Rn. 7). Den Gesetzgebungsmaterialien ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber nicht grundsätzlich von einem telefonischen Widerruf ausging, weil neben dem Widerruf unter Verwendung des Widerrufsformulars lediglich die Möglichkeiten des Widerrufs per Post, E-Mail oder Telefax in Erwägung gezogen wurden (BT-Drs. 17/12637, Seite 60). Die insoweit relevanten Informationspflichten waren auch nach dem Willen des Gesetzgebers in Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB geregelt (BT-Drs. 17/12637, Seite 61).
Auch folgt allein aus der Verpflichtung der Information über „das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts“ nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB nicht das zwingende Erfordernis der Angabe der Telefonnummer. Über die Form des Widerrufs ist nach der Norm gerade nicht aufzuklären, sodass auch nicht über einen telefonischen Widerruf mitsamt Telefonnummer zu informieren ist. Durch die Nichtangabe der Telefonnummer entsteht im Übrigen auch nicht der Eindruck, dass ein telefonischer Widerruf nicht möglich wäre, da im Weiteren nur beispielhaft verschiedene Kommunikationsformen dargestellt werden und ohnehin für den Widerruf kein Formzwang besteht.
Auch aus dem Verweis auf das Muster-Widerrufsformular gemäß Anlage 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB folgt, dass der Unternehmer seinen Namen und seine Anschrift angeben muss, die Angabe der Telefonnummer aber gerade nicht zwingend ist: („[hier ist der Name, die Anschrift und die E-Mail-Adresse des Unternehmers durch den Unternehmer einzufügen]“).
Darüber hinaus übermittelte die Beklagte dem Kläger bei Vertragsschluss am 27.12.2021 eine individuelle Widerrufsbelehrung in Textform und verwendete nicht die in Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB abgedruckte Muster-Widerrufsbelehrung, die unter [2] der Gestaltungshinweise vorsieht „Fügen Sie Ihren Namen, Ihre Anschrift, Ihre Telefonnummer und Ihre E-Mail-Adresse ein.“
In dieser individuellen Widerrufsbelehrung hat die Beklagte den Kläger entsprechend ihrer Verpflichtung aus Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Abs. 1 BGB sowie über das Muster-Widerrufsformular nach Anlage 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB (nicht identisch mit der Muster-Widerrufsbelehrung nach Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB) informiert. Die Benutzung des Belehrungsmusters in Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, S. 2 EGBGB ist nicht obligatorisch wie sich bereits aus dem Wortlaut („kann“) des Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB ergibt, sodass es der Beklagten freistand, eine eigene Widerrufsbelehrung zu formulieren.
Auch sei darauf hingewiesen, dass die Muster-Widerrufsbelehrung keinen Mindeststandard regelt, der an alle individuellen Widerrufsbelehrungen anzulegen ist. Die Bedeutung der Muster-Widerrufsbelehrung liegt vielmehr in der Privilegierung des Unternehmers durch die Gesetzlichkeitsfiktion, vgl. Art. 6 Abs. 4 S. 2 der Verbraucherrechterichtlinie. Der Muster-Widerrufsbelehrung kommt keine eigene normative Wirkung zu und sie verändert nicht die Vorgaben der Verbraucherrechterichtlinie an die Widerrufsbelehrung (Art. 6 Abs. 1 lit. h Verbraucherrechterichtlinie). Einzige Auswirkung ist, dass der Unternehmer, der die Muster-Widerrufsbelehrung nicht verwendet, gerade nicht in den Genuss der genannten Fiktion kommt, auf die sich die Beklagte vorliegend auch gar nicht beruft.
Auch die Anforderungen der Verbraucherrechterichtlinie sind erfüllt. Entgegen der Ansicht des Klägers verlangt Art. 6 Abs. 1 lit. c) der sog. „Verbraucherrechterichtlinie“ (Richtlinie (EU) 2011/83 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates) gerade nicht die Angabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung. Die Verbraucherrechterichtlinie gibt auf europäischer Ebene in Art. 6 Abs. 1 lit. c) lediglich vor, dass dem Verbraucher vorvertraglich die Kontaktdaten des Unternehmers und gegebenenfalls eine Telefonnummer mitzuteilen sind. Diese Informationspflicht steht jedoch nicht im Zusammenhang mit Art. 6 Abs. 1 lit. h) der Verbraucherrechterichtlinie, der die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung regelt. Nach dieser Vorschrift hat der Unternehmer den Verbraucher – wie im nationalen Recht auch – im Falle des Bestehens eines Widerrufsrechts lediglich über „die Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung dieses Rechts gemäß Artikel 11 Absatz 1 sowie das Muster-Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B“ zu informieren. Eine Information über die Form des Widerrufs und somit eine Verpflichtung zur Angabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung ist auch in Art. 6 Abs. 1 lit. h) der Verbraucherrechterichtlinie nicht vorgesehen. Auch aus Art. 11 Abs. 1 S. 2 b) der Richtlinie ergibt sich nichts anderes. Darin ist lediglich geregelt, dass der Verbraucher zum Zweck der Information des Unternehmers über seinen Entschluss, den Vertrag zu widerrufen, entweder das Muster-Widerrufsformular des Anhangs I Teil B verwenden oder eine entsprechende Erklärung in beliebiger anderer Form abgeben kann, aus der s ein Entschluss zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgeht.
Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich auch aus der sog. EIS-Entscheidung des EuGH (Urteil vom 14.05.2020, C-266/19, GRUR 2020, 753) und des BGH (Urteil vom 24.09.2020, I ZR 169/17, GRUR 2021, 84) nicht, dass die Angabe einer Telefonnummer für den Beginn der Widerrufsfrist im vorliegenden Fall notwendig ist. Diese Urteile ergingen in einem Rechtsstreit zwischen zwei Wettbewerbern und behandeln vor allem wettbewerbsrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit der allgemeinen Informationspflicht und dem Musterschutz bei der Verwendung der Muster-Widerrufsbelehrung. Die gesetzlichen Zielrichtungen und Schutzzwecke unterscheiden sich insoweit erheblich. Eine Aussage darüber, welche zivilrechtliche Rechtsfolgen die Nichtangabe einer Telefonnummer in einer individuellen Widerrufsbelehrung hat, insbesondere ob hiervon der Beginn der Widerrufsfrist nach § 356 Abs. 3 BGB abhängig ist, haben der EuGH und BGH gerade nicht getroffen.
Die Kammer konnte nach dem Vorstehenden auf Ausführungen zu der streitigen Frage der tatsächlichen Fahrzeugrückgabe ebenso verzichten wie auf eine Positionierung zur Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit des klägerischen Gebarens.
b)
Weitergehende Anspruchsgrundlagen für das Rückzahlungsverlangen des Klägers sind nicht ersichtlich. Sein Vorbringen stützt sich ausschließlich auf Ausführungen zum Widerruf. Es ist nicht veranlasst, die entsprechende Erklärung auszulegen oder Voraussetzungen etwa eines Gewährleistungsrechts zu prüfen, nachdem hierzu nichts vorgetragen ist.
c)
Der Kläger war infolge des Unterliegens in der Hauptsache auch mit dem Antrag auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten abzuweisen.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.
Die Kammer hat außerdem beschlossen: Der Streitwert wird auf 43.970,00 EUR festgesetzt.