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Urheberrechtsverletzung im Internet – Lizenzschaden

AG Bochum – Az.: 40 C 149/20 – Urteil vom 11.11.2020

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 1.000,00 € nebst Zinsen Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 16.11.2018 sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 215,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 16.11.2018 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche aus Urheberrechtsverletzung im Internet.

Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzung-und Verwertungsrechte an dem Filmwerk „…“. Auf einer bekannten Streaming-Website „…“ ist ein Copyright-Vermerk zugunsten der Klägerin genannt (Anl. K1, Bl. 41 d.A.). Der Film hat eine Länge von 114 Minuten und wird auf legalen Downloadportalen nach wie vor für 9,99 € zum Kauf angeboten. Das Produktionsbudget lag bei 50.000.000 $, wobei der Film ca. 86.200.000,01 $ spielte. Es wirken namhafte Schauspieler wie … und … mit. Regie führte … (… und …). Kinostart in Deutschland war der 29.09.2016. Eine entsprechende DVD-Veröffentlichung erfolgte am 23.02.2017.

Am 21.12.2016 (22:15:58 Uhr & 22:16:43 Uhr) wurde das streitgegenständliche Filmwerk über den Internetanschluss mit der IP-Adresse … im Internet öffentlich zugänglich gemacht bzw. über ein so genanntes Peer-to-Peer-Netzwerk zum Download zur Verfügung gestellt. Eine sichere Ermittlung der IP-Adresse erfolgte durch die eingesetzte Ermittlungs-Software. Ausweislich des durchgeführten gerichtlichen Auskunftsverfahrens gemäß § 110 Abs. 9 UrhG (Anl. K2, Bl. 43 d.A.) war dieser IP-Adresse zu diesem Zeitpunkt den Internetanschluss des Beklagten zugewiesen.

Diesbezüglich wird ein Lizenzanalogie-Schaden in Höhe von mindestens 1000,00 € geltend gemacht.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 10.01.2017 wurde die Beklagte abgemahnt und zugleich erfolglos aufgefordert, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Diesbezüglich werden Abmahn- bzw RA-Kosten in Höhe von 215,00 € geltend gemacht.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte sei Täter der streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzung gewesen.

Die Klägerin ist der Ansicht, es bestehe vorliegend eine tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Beklagten, da die Rechtsverletzung von seiner IP-Adresse ausgegangen ist, so dass diesbezüglich die so genannte sekundäre Darlegungslast auf seiner Seite liege. Der „Beklagte sei seiner sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen. Es sei ein Schadensersatz i.H.v. zumindest 1.000,00 EUR (Lizenzanalogie) im vorliegenden Fall angemessen. Die Höhe der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bemesse sich nach einem Gegenstandswert von 1.700,00 EUR, wobei hinsichtlich der Abmahnung bereits von der gesetzlichen „Deckelung“ des Gegenstandswerts auf 1.000,00 € ausgegangen wurde.

Die Klägerin beantragt, die Beklagtenseite zu verurteilen, an die Klägerseite

Urheberrechtsverletzung im Internet - Lizenzschaden
(Symbolfoto: Von Alfa Photo/Shutterstock.com)

1. einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 1000,00 € betragen soll, zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16.11.2018,

2. 107,50 € als Hauptforderung zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16.11.2018 sowie

3. 107,50 € als Nebenforderung zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16.11.2018 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, weder er noch seine Ehefrau hätten zum Tatzeitpunkt einen Tauschbörsen-Programm installiert. Als Täterin komme auch die Ehefrau und Zeugin des Beklagten, Frau …, in Betracht. Trotz ihrer bestreitenden Antwort auf die Nachfrage des Klägers halte der Beklagte es für möglich, dass seine Ehefrau die Urheberrechtsverletzung begangen hat. Er halte es für möglich, dass seine Ehefrau einfach irgendwo draufgeklickt und so die Urheberrechtsverletzung begangen habe. Zum Tatzeitpunkt habe der Beklagte das Internet für E-Mails, YouTube, Social Media, Internetforen (hauptsächlich mit Kfz-Bezug) und Newsfeeds genutzt. Die Ehefrau des Beklagten habe das Internet zum Tatzeitpunkt für E-Mails, YouTube, Social Media, WhatsApp und auch andere Messenger und Nachrichtenseiten genutzt. Mit ihrem Handy habe sie diverse Online-Spiele gespielt. Zum Tatzeitpunkt habe der Beklagte ein WLAN nach dem veralteten Sicherheitsstandard WEP betrieben; hinsichtlich der entsprechenden Sicherheitsstandards wird auf die Ausführungen des Beklagten mit Klageerwiderung vom 08.09.2020 (Bl. 112 ff. d.A.) Inhaltlich Bezug genommen. Der Beklagte gehe davon aus, dass jemand in sein gesichertes WLAN eingebrochen sei. Der WEP-Standard gelte als leicht knackbar, wofür es auch hier diverse Anhaltspunkte gegeben habe (vgl. Bl. 112 d.A.). Der Beklagte gehe deshalb davon aus, dass Nachbarn sein WLAN gehackt und die Urheberrechtsverletzung begangen haben, beispielsweise Austauschstudenten aus China, die regelmäßig wechseln würden.

Der Beklagte ist der Ansicht, er sei seiner sekundären Darlegungslast hinreichend nachgekommen. Er haftet auch nicht für volljährige Familienangehörige. Er sei auch nicht verpflichtet gewesen, den Sicherheitsstandard der Verschlüsselung ständig auf dem neuesten Stand der Technik zu halten. Im Übrigen sei für einen Film lediglich ein Betrag i.H.v. 200,00 € erstattungsfähig.

Im Übrigen wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die gerichtlichen Hinweise (Bl. 119-122 d.A.) und Protokolle inhaltlich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch aus Lizenzanalogie in Höhe von 1.000,00 Euro aus § 97 Abs. 2 UrhG.

Danach ist derjenige, der das Urheberrecht eines anderen vorsätzlich oder fahrlässig widerrechtlich verletzt, dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

Die Klägerseite trägt als Anspruchstellerin grds. die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs erfüllt sind. Sie hat darzulegen und im Bestreitensfall nachzuweisen, dass die Beklagtenseite bzw. der – (korrekt) ermittelte – Anschlussinhaber für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist. Sie hat die dem Beklagten vorgeworfenen Urheberrechtsverletzungen an dem streitgegenständlichen Filmwerk „… “ schlüssig dargelegt. Der Vortrag, dass sie Inhaberin ausschließlicher Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem streitgegenständlichen Filmwerk ist, wurde von dem Beklagten nicht bestritten. Diesbezüglich hätte auch im Übrigen die Vermutung gemäß § 10 Abs. 3 S. 1 UrhG i.V.m. der Kläger bereits eingereichten Anlage K1 (Bl. 41 d.A.) gegriffen.

Ebenfalls wurde substantiiert bzw. qualifiziert vorgetragen, inwieweit die Ermittlung des konkreten Anschlusses, von welchem das streitgegenständliche Werk öffentlich zugänglich gemacht worden ist, im Allgemeinen abläuft bzw. inwieweit eine Ermittlung des Internetanschlusses der Beklagten erfolgt ist. Das Ermittlungsergebnis an sich hat der Beklagte weder hinsichtlich der ermittelten IP-Adresse noch hinsichtlich der daraufhin erfolgten Zuordnung zu seinem Internetanschluss bestritten, so dass er in diesem Verfahren als Anschlussinhaber anzusehen ist, von welchem die streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung erfolgt ist.

Der Beklagte ist hier aufgrund dessen auch in prozessualer Hinsicht als Täter in Bezug auf die geltend gemachten Urheberrechtsverletzungen am 21.12.2016 anzusehen.

Wird über einen Internetanschluss (IP-Adresse) eine Rechtsverletzung begangen, so gilt in diesem Fall allerdings eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, es sei denn, zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung konnten (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen. Eine diese tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In solchen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Diese führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 & 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber allerdings im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Rechtsverletzung gewonnen hat. Die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt des Beklagten lebenden Dritten auf seinen Internetanschluss wird den an die Erfüllung der sekundären Darlegungslast zu stellenden Anforderungen daher nicht gerecht. Denn ein Eingreifen der tatsächlichen Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers kommt auch dann in Betracht, wenn der Internetanschluss – wie bei einem Familienanschluss – regelmäßig von mehreren Personen genutzt wird. Für die Frage, wer als Täter eines urheberrechtsverletzenden Downloadangebots haftet, kommt es nicht auf die Zugriffsmöglichkeit von Familienangehörigen im Allgemeinen, sondern auf die konkrete Situation im Verletzungszeitpunkt an. Der Anschlussinhaber wird der ihn treffenden sekundären Darlegungslast, ob andere Personen als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen, erst dann gerecht, wenn er nachvollziehbar vorträgt, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen. Der Anschlussinhaber muss zwar nicht die Täterschaft eines anderen beweisen, dafür aber die für ihre ernsthafte Möglichkeit sprechenden Umstände entsprechend darlegen. Die folgt daraus, dass die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers lediglich die Folge seiner nicht erfolgten öder unzureichend erfüllten sekundären Darlegungslast darstellt. Allerdings muss das Vorbringen plausibel und nachvollziehbar sein. Es genügt nicht, Behauptungen ins Blaue hinein aufzustellen, deren Wahrheitsgehalt mehr als zweifelhaft ist. Entspricht der Beklagte jedoch letztlich seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der Klägerseite als Anspruchsteller, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechende Umstände darzulegen und nachzuweisen. Sie muss dann entweder beweisen, dass – entgegen des Vortrages des Anschlussinhabers – keine dritte Person auf den Anschluss Zugriff hatte, um sich anschließend auf die dann geltende tatsächliche Vermutung zu berufen, oder sie muss unmittelbar – ohne Inanspruchnahme der tatsächlichen Vermutung – die Täterschaft des Anschlussinhabers beweisen (vgl. BGH, GRUR 2016, 1280; NJW 2016, 953, Rn. 37; BeckRS 2015, 20066, NJW 2010, 2061, Rn.12; OLG München, BeckRS 2016, 01186, Rn. 25; Reber, in: Beck’scher Online-Kommentar, UrhG, 12. Edition 2016, § 97, Rn. 72; Zimmermann, MMR 2014, 368, 371; Solmecke, Rüther, Herkens, MMR 2013, 217, 220 – jew. zitiert nach beck-online).

Vorliegend konnte sich die Klägerin auf die Vermutung des Beklagten als Täter berufen, da nach dem hier maßgeblichen Sach- und Streitstand davon auszugehen war, dass die geltend gemachten Rechtsverstöße erfolgt und auch korrekterweise jeweils zu dem Anschluss des Beklagten zurückverfolgt worden sind. Aufgrund der vermuteten Täterschaft des Beklagten war es daher seine Obliegenheit, den oben genannten Grundsätzen der sekundären Darlegungslast gerecht zu werden. Dies ist vorliegend jedoch nicht erfolgt, und zwar trotz der ausgiebigen Darstellung der aktuellen Rechtslage, sowohl durch die Schreiben der Klägerseite als auch durch den gerichtlichen Hinweis.

Der Beklagte hat bestritten, die Urheberrechtsverletzungen selbst begangen zu haben. Allein dies vermag es jedoch nicht, die täterschaftliche Vermutung zu erschüttern.

Ebenfalls wurde sowohl zu pauschal als auch widersprüchlich vorgetragen, dass die Ehefrau des Beklagten als Täterin ernsthaft in Betracht kommt. Zum einen hat der Beklagte nicht hinreichend konkret vorgetragen, inwiefern genau bzw. mit welchem konkreten Ergebnis er nach Kenntnis der Abmahnung und nach Eingang der finalen Klageschrift alles Mögliche unternommen haben will, um den wahren Täter der Urheberrechtsverletzungen zu ermitteln. Er hat lediglich pauschal vorgetragen, dass seine Ehefrau auch Zugang zu dem streitgegenständlichen Internetanschluss gehabt habe und sie auf Nachfrage die Begehung der Tat bestritten habe. Angaben zu dem Zeitpunkt, den Umständen und dem näheren Gesprächsverlauf erfolgten nicht. Auch wurde nicht vorgetragen, weshalb sich der Betroffene mit dem bloßen Bestreiten seiner Ehefrau, die nach seinem Vortrag als Täterin in Betracht kommt, begnügt und nicht weiter bzw. konkreter nachgefragt hat. Zum anderen ist aus dem bisherigen Vortrag des Klägers gerade nicht ersichtlich, weshalb die ernsthafte Möglichkeit bestehen soll, dass gerade sie die Täterin der hier maßgeblichen Urheberrechtsverletzungen gewesen ist. Das Nutzungsverhalten der Klägerin wurde lediglich pauschal und oberflächlich beschrieben. Selbst wenn man diesen Vortrag zu Grunde legen würde, so sind daraus keine konkreten Umstände ersichtlich, weswegen ernsthafte Verdachtsmomente gegen sie sprechen könnten. Allein die bloße Möglichkeit der Nutzung eines Internetanschlusses ist nicht gleichbedeutend mit der zur Widerlegung der täterschaftlichen Vermutung erforderlichen ernsthaften. Möglichkeit der Täterschaft. Letztlich ist auch der Vortrag des Beklagten diesbezüglich als widersprüchlich anzusehen, da er auf der einen Seite vorträgt, die Täterschaft seiner Ehefrau für möglich zu halten. Auf der anderen Seite trägt er aber gleichzeitig auch vor, dass er davon ausgeht, dass Nachbarn bzw. wechselnde chinesische Austauschstudenten sein WLAN gehackt und die Urheberrechtsverletzungen begangen hätten. Die entsprechenden Verdächtigungen etwaiger Nachbarn sind lediglich pauschaler Natur und ohne nähere Substanz, konterkarieren aber gleichzeitig die Versuche des Beklagten, seine Ehefrau als mögliche Täterin darzustellen.

Kommt der Anschlussinhaber – wie hier die Beklagte – seiner sekundären Darlegungslast nicht nach, so muss zur Widerlegung der dann für den Anspruchsteller streitenden tatsächlichen Vermutung der Gegenbeweis erbracht werden (vgl. OLG München, BeckRS 2016, 01186 – zitiert nach beck-online).

Vorliegend fehlt es jedoch an einem konkreten und darüber hinaus auch tauglichen Beweisangebot. Der Beklagte hat lediglich vorgetragen und unter Zeugenbeweis gestellt, dass weder er noch seine Ehefrau zum Tatzeitpunkt ein Tauschbörsen-Programm installiert hatten. Aufgrund welcher Anknüpfungstatsachen sich dieser Rückschluss auf eine von der Beklagtenseite zu beweisende Negativtatsache ergeben soll, etwa durch umfassende und ergebnislose Überprüfung der internetfähigen Geräte hinsichtlich der entsprechenden Filesharing-Software sowohl durch den Beklagten als auch durch die Zeugin, ist bis zuletzt nicht konkret vorgetragen worden. Eine entsprechende Software-Datei kann gerichtsbekannt ohne Probleme an einen beliebigen Ort abgespeichert, verschoben oder umbenannt werden, auch bzw. insbesondere ohne Kenntnis der andere Nutzer. Insoweit fehlt jegliche Darstellung der Fähigkeiten sowohl des Beklagten als auch der Zeugin, entsprechende Dateien effektiv suchen und ggf. auch auffinden zu können. Bereits der eigene Vortrag des Beklagten dahingehend, dass er es für möglich hält, dass seine Ehefrau „einfach irgendwo draufgeklickt hat und so die Urheberrechtsverletzung begangen hat“, lässt an den für eine Überprüfung der Geräte erforderlichen EDV-Kenntnisse der angebotenen Zeugen nicht unerhebliche Zweifel aufkommen. Allein die Erklärung bzw. die Bekundung des einen, selbst keine entsprechende Software heruntergeladen bzw. installiert zu haben, würde gerade gerade nicht den zwingenden Rückschluss zulassen bzw. den Nachweis erbringen, dass der jeweils andere dies nicht gegebenenfalls heimlich getan hat. Die Vernehmung der Zeugen bzw. die Parteivernehmung des Beklagten diesbezüglich wäre daher sowohl eine Beweiserhebung „ins Blaue“ hinein als auch – wenn sie zulässig wäre – nicht geeignet, den Beweis für ein Nichtvorhandensein der entsprechenden Software zu führen. Taugliches Beweismittel wäre diesbezüglich die Einholung eines Gutachtens gewesen, im Rahmen dessen der Gutachter die damaligen internetfähigen Geräte auf das Vorhandensein einer entsprechenden Software hätte überprüfen können und müssen. Ein entsprechendes Beweisangebot wurde jedoch nicht gestellt.

Auf die Frage der ausreichenden Sicherung des Internet-Anschlusses, insbesondere auf die rechtliche Frage einer sukzessiven Erweiterung des Sicherheitsstandards der Verschlüsselung, kam es vorliegend nicht mehr an, da von der Täterschaft des Beklagten auszugehen war.

Der Beklagte muss sich – ausgehend von der vermuteten Täterschaft – zumindest Fahrlässigkeit iSd § 276 BGB Vorwerfern lassen. Denn er hätte wissen können und müssen, dass er eine Rechtsverletzung begeht. Dabei stellt die Rechtsprechung im Urheberrecht hohe Anforderungen an das Maß der zu beachtenden Sorgfalt. Von der Beklagtenseite bzw. Nutzerseite kann daher verlangt werden, dass er sich über die Nutzung der hier streitgegenständlichen Rechte gegebenenfalls durch Einholung versierten Rechtsrates die entsprechende Gewissheit verschafft bzw. informiert. Jedem Nutzer obliegt diesbezüglich eine Prüfungs- und Erkundigungspflicht dahingehend, dass er sich vor Nutzung eines Filesharing-Programmes mit der Funktionsweise dieser Software vertraut macht, insbesondere der damit verbundenen haftungsrechtlichen Risiken in Form der Verbreitung des Werkes an weitere Personen. Eine solche Obliegenheit ist auch einer Privatperson zumutbar, weil sich über die einschlägigen und der Allgemeinheit auch bekannten bzw. vorinstallierten Internet-Suchmaschinen mit geringem Zeitaufwand Grundlagenartikel zum Wesen des Filesharings und dessen Risiken finden, aus denen deutlich wird, dass hier nicht lediglich ein Download zur eigenen Verwendung erfolgt, sondern zugleich die weitere Verbreitung ermöglicht wird (vgl. AG Düsseldorf, BeckRS 2015, 04199 – zitiert nach beck-online). Darüber hinaus muss sich auch einem mit dem Internet bzw. mit Computern nicht allzu vertrautem Nutzer geradezu aufdrängen, dass die praktisch kostenlose (!) Konsumierung älterer und insbesondere relativ aktueller (!) Werke mit gewissen Gefahren und Risiken verbunden sein könnte. Auch wenn diese Thematik durchaus eine komplexe sowie viel diskutierte Spezialmaterie ist und daher von einen durchschnittlichen Nutzer nicht zwingend auf die Illegalität seines Handelns geschlossen werden kann bzw. muss, so stellt eine dennoch unterbliebene weitere Nachforschung zumindest eine Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt dar.

Die Höhe des geltend gemachten Schadensersatzanspruches berechnet die Klägerseite in Lizenzanalogie. Bei dieser gebräuchlichsten Berechnungsmethode gemäß § 97 Abs.2 S.3 UrhG kann der Anspruchsteller von dem Verletzer die Vergütung verlangen, die ihm bei ordnungsgemäßer Nutzungsrechtseinräumung gewährt worden wäre. Es wird der Abschluss eines Lizenzvertrages zu angemessenen Bedingungen fingiert Hierbei ist zunächst auf die eigene Vertragspraxis des Verletzten abzustellen, wobei im streitgegenständlichen Fall der Nutzung einer Internet-Tauschbörse die Besonderheit zu beachten ist, dass entsprechender Lizenzverträge für eine derartige Nutzung gerade nicht existieren. Dies führt zu der Schwierigkeit bei der Lizenzanalogie, dass der Schadensersatz dann schwer zu beziffern ist, wenn ein standardisierter Tarif fehlt bzw. die konkrete vom Verletzer angewandte Nutzungsform nicht branchenüblich ist. Wenn es an anerkannten und angemessenen Vergütungsrichtlinien ganz fehlt, ist die angemessene Lizenzgebühr gemäß § 287 ZPO unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweils konkreten Einzelfalles zu schätzen (vgl. Reber, in: Beck’scher Online-Kommentar, UrhG, 6. Edition 2014, § 97, Rn. 119 ff.).

Bei Bemessung der Schadenshöhe bzw. bei der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO kommt dem Tatrichter in den Grenzen seines freien Ermessens ein großer Spielraum zu. Es ist zudem der konkrete Umfang der Verletzungshandlung nach Zeit, Ort, Art und Intensität zu berücksichtigen, insbesondere die Art und Weise der Nutzung (privat oder gewerblich). Dabei ist im vorliegenden Fall besonders zu beachten, dass bei einem zeitweiligen Einstellen von Dateien in Tauschbörsen regelmäßig nur einzelne Sequenzen der Datei, hier des streitgegenständlichen Werkes, zum Austausch kommen. Aus diesem Grund kommt eine schadensrechtliche Gleichsetzung mit dem Angebot ganzer Werke nicht in Betracht. Der Gegenstandswert eines urheberrechtlich geschützten Werkes kann jedoch nicht mit einer starren Pauschale bemessen werden. Im Rahmen des § 287 ZPO sind vielmehr für die Ermittlung des der Abmahnung zugrundeliegenden Gegenstandswertes – und auch eines geltend gemachten bzw. über § 287 ZPO zu bestimmenden Lizenzanalogieschadens – Feststellungen zu (wertbildenden) Parametern im jeweiligen konkreten Einzelfall zu treffen und angemessen zu berücksichtigen, wie etwa:

  • Wirtschaftlicher Wert des Urheberrechts, zB durch Umfang der vom Rechtsinhaber bereits vorgenommenen Auswertung
  • Popularität, idR ausgedrückt durch Verkaufszahlen
  • Aktualität
  • Dauer der Rechtsverletzung

Das Angebot zum Herunterladen eines Spielfilms, eines Computerprogramms oder eines vollständigen Musikalbums wird regelmäßig einen höheren Gegenstandswert – bzw. einen entsprechend höheren Lizenzanalogieschaden – rechtfertigen, als er etwa für das Angebot nur eines Musiktitels anzusetzen ist. So wird für einen Musiktitel ein geltend gemachter Lizenzanalogieschaden iHv 200,00 € vom BGH im Wesentlichen nicht beanstandet, ebenso wenig wie die Annahme eines Gegenstandswertes in Höhe von 10.000,00 EUR und eines Lizenzanalogieschadens i.H.v. 600,00 EUR für ein durchschnittlich erfolgreiches Filmwerk. Liegt die Verletzungshandlung aber noch vor dem Beginn der Auswertung mittels DVD, kann im letztgenannten Fall auch ein höherer Gegenstandswert anzunehmen sein. Wird ein durchschnittlich erfolgreiches Computerspiel nicht allzu lange nach seinem Erscheinungstermin öffentlich zugänglich gemacht, so ist regelmäßig ein Gegenstandswert des Unterlassungsanspruchs von nicht unter 15.000,00 € angemessen. Liegen jedoch besondere Umstände vor, zB eine in erheblichen Verkaufszahlen zum Ausdruck kommende besondere Popularität, kann auch wiederum ein höherer Gegenstandswert anzunehmen sein (vgl. BGH, BeckRS 2017, 123474 m.w.Nw.; MMR 2017, 618 m.w.Nw.; NJW 2017, 814 m.w.Nw.; MMR 2017, 105 m.w.Nw. – zitiert nach beck-online).

Aus den oben dargelegten und vom BGH vertretenen Grundsätzen zur Ermittlung der jeweiligen Werte ergibt sich jedoch im Umkehrschluss auch, dass – abhängig von den jeweils wertbildenden Faktoren – sowohl höhere als auch niedrigere Werte möglich sind, um dem vorhandenen Spektrum an Film-, Computerspiel- und Musikwerken in ihrer unterschiedlichen Qualität und Wertigkeit im konkreten Einzelfall gerecht zu werden. Auch wenn etwa aufgrund der durchschnittlichen Produktionskosten als Berechnungsbasis im Rahmen des § 287 ZPO zwar grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass der Gegenstandswert bzw. der Lizenzanalogieschaden für einen einzelnen Musiktitel niedriger zu bemessen ist als für ein Computerspiel oder – erst recht – für einen (Hollywood-)Film, so kann diese grundsätzliche Abstufung im konkreten Einzelfall genauso variieren wie die Höhe der anzusetzenden Werte. Diesbezüglich ist maßgeblicher Anknüpfungspunkt, welche der oben genannten wertbildenden Faktoren jeweils in welchem Umfang zu bejahen sind. So ist es durchaus möglich, dass bei einem Film-, Spiel- oder Musikwerk ein Lizenzanalogieschaden bzw. ein Gegenstandswert anzusetzen ist, der wesentlich geringer ist, als die oben genannten Werte in dem vom BGH zu entscheidenden Fall, soweit die meisten oder alle diese Faktoren nicht oder nur in einem geringen Maße vorliegen. Umgekehrt ist es jedoch auch möglich, dass die oben genannten Beträge ausnahmsweise noch überschritten werden, wenn etwa alle Faktoren in normalen oder hohen Bereich liegen („Blockbuster“).

Vorliegend war bei der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO sowohl in Bezug auf die Höhe des Lizenzanalogieschadens als auch in Bezug auf den der Abmahnung zugrundeliegenden Gegenstandswert der unstreitig gebliebenen bzw. nicht qualifiziert bestrittener Sachvortrag der Klägerseite zu berücksichtigen, nämlich dass das Filmwerk hier aufwendig und bei einem Budget von 50.000.000 $ kostenintensiv produziert wurde, über eine nicht unerhebliche Laufzeit von ca. 114 Minuten verfügt und nach wie vor auf den gängigen Downloadportalen für 9,99 € erhältlich ist. Ebenfalls war das enorme Einspielergebnis in Höhe von ca. 86.200.000 US-Dollar zu berücksichtigen, fast das Doppelte der Produktionskosten.. Auch die Beteiligung namhafter Schauspieler wie … und … sowie die Regieführung durch …, bekannt durch andere namhafte Filmwerke, werten den hier streitgegenständlichen Fällen erheblich auf. Ebenfalls war die Aktualität der Rechtsverletzung zu berücksichtigen. Der Film ist im September des Jahres 2016 in Deutschland im Kino erschienen, wobei der hier streitgegenständliche Verstoß Dezember desselben Jahres festgestellt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war auch noch nicht mit der DVD-Vermarktung (23.02.2017) begonnen worden, so dass der wirtschaftliche Wert für die Klägerin zu diesem Zeitpunkt noch als hoch anzusehen war.

Vor dem Hintergrund hat das Gericht Bedenken hinsichtlich des geltend gemachten Lizenzanalogieschadens i.H.v. 1.000,00 € keine Bedenken.

Dies gilt ebenfalls für den der Abmahnung zugrunde gelegte Gegenstandswert i.H.v. 1.700,00 €. Denn für den dort unter anderem geltend gemachten Unterlassungsanspruch wäre grundsätzlich ein Gegenstandswert anzusetzen, der 1.000,00 € übersteigen würde; diesbezüglich macht die Klägerin jedoch lediglich die „Deckelung“ gemäß § 97a Abs. 3 S. 1 UrhG geltend, so dass es auf die Frage, ob der reduzierte Gegenstandswert mit 1.000 € im konkreten Fall als unbillig erscheint, nicht ankommt. Unter Addition des mit dem Mahnschreiben ebenfalls geltend gemachten Lizenzanalogieschaden konnte daher berechtigterweise zumindest nach einem Gegenstandswert von bis 2.000,00 € abgerechnet werden.

Der Anspruch ist fällig und durchsetzbar.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.000,00 € seit dem 16.11.2018 gemäß § 288, 286 Abs. 1 BGB.

Denn die Klägerin hatte gegen den Beklagten einen fälligen und durchsetzbaren Anspruch auf Zahlung von 1.000,00 €. Bereits aufgrund der erfolglosen Zahlungsaufforderung mit anwaltlichem Schriftsatz vom 10.01.2017 befand sich die Beklagte daher spätestens am 16.11.2018 im Schuldnerverzug.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten zudem einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten in Höhe von 215,00 gemäß § 97 a Abs. 3 UrhG iVm RVG.

Der Gegenstandswert, welcher der anwaltlichen Abmahnung zugrunde zulegen war, belief sich – wie oben ausgeführt – auf bis 2.000,00 €. Die mit der Anfertigung des anwaltlichen Mahnschreibens vom 10.01.2017 entstandenen Abmahn- bzw. Rechtsanwaltskosten i.H.v. 215,00 € sind daher erstattungsfähig.

Der Anspruch ist fällig und durchsetzbar.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 215,00 seit dem 16.11.2018 gemäß § 288, 286 Abs. 2 Nr.3 BGB.

Denn die Klägerin hatte gegen den Beklagten auch einen fälligen und durchsetzbaren Anspruch auf Zahlung von 215,00 €. Aufgrund der außergerichtlich mehrfach durch die Beklagtenseite geäußerter Ablehnung jeglicher Zahlungsbereitschaft befand sich die Beklagte daher spätestens am 16.11.2018 im Schuldnerverzug.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 1.107,00 EUR festgesetzt.

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