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Urheberrechtsverletzung Filesharing – Pflicht zur Benennung des wahren Täters

LG München I – Az.: 21 S 2205/19 – Urteil vom 13.11.2019

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Landshut vom 26.01.2019, Az. 10 C 985/18, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Landshut ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 4.648,35 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin macht gegen den Beklagten urheberrechtliche Aufwendungs- und Schadensersatzansprüche wegen Urheberrechtsverletzungen geltend. Sie beruft sich darauf, der Beklagte habe ohne Berechtigung das Computerspiel „…“ über eine Tauschbörse online öffentlich zugänglich gemacht.

Mit Urteil vom 26.01.2019 hat das Amtsgericht Landshut (Gz. 10 C 985/18) das klageabweisende Versäumnisurteil des Amtsgerichts Landshut vom 06.11.2018 aufrechterhalten.

Zur Begründung ist im Ersturteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, insbesondere Folgendes ausgeführt, soweit das Amtsgericht zum nunmehr von der Klägerin begehrten Kostenerstattungsanspruch über die Verfahrenskosten Stellung nimmt:

Zwischen den Parteien sei mittlerweile unstreitig, dass der Beklagte weder Täter noch Teilnehmer der fraglichen Urheberrechtsverletzung sei. (…) Unter diesen Umständen sei der Beklagte nicht verpflichtet, Schadensersatz für die Verletzungen der Urheberrechte an die Klägerin zu bezahlen oder die angefallenen Abmahnkosten zu ersetzen.

Etwas anderes folge entgegen der Annahme der Klägerin auch nicht aus dem Umstand, dass der Beklagte unstreitig, obwohl er wusste, wer die Urheberrechtsverletzung begangen habe, diese Tatsache gegenüber der Klägerin vorgerichtlich nicht offengelegt habe.

Die Klägerin siehe in diesem Verhalten eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung durch den Beklagten. Dies sei jedoch nicht der Fall. Hierfür wäre nämlich Voraussetzung, dass der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, die Wahrheit gegenüber der Klägerin offenzulegen. Eine solche Verpflichtung bestehe jedoch nicht. Sie könne insbesondere nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Antwortpflicht des Abgemahnten im Wettbewerbsrecht hergeleitet werden. Auch im Wettbewerbsrecht setze eine Antwortpflicht des Abgemahnten voraus, dass dieser zumindest als Störer zu qualifizieren sei (vgl. BGH MDR 1995, 421 f; BGH MDR 1990, 508 f). In diesen Fällen argumentiere der Bundesgerichtshof dahingehend, dass im Falle einer berechtigten Abmahnung eine wettbewerbsrechtliche Sonderbeziehung eigener Art zwischen den Parteien entstehe, aus der heraus der Abgemahnte verpflichtet sei, innerhalb der gesetzten oder zumindest einer angemessenen Frist auf die Abmahnung zu reagieren. Diese Verpflichtung könne nicht, zumindest nicht ohne Weiteres, auf Fallkonstellationen wie die vorliegende übertragen werden, erst recht dann nicht, wenn tatsächlich nicht einmal eine Störerhaftung des Abgemahnten begründet sei. Selbst das Oberlandesgericht Köln, das in seiner Entscheidung I – 6 U 208/10 vom 22.07.2011 von einer Antwortpflicht des Abgemahnten ausgehe, habe über einen Sachverhalt zu entscheiden gehabt, in dem der Abgemahnte als Störer für die Urheberrechtsverletzung anzusehen gewesen sei. Dies sei vorliegend nicht der Fall, so dass nicht ersichtlich ist, unter welchem Gesichtspunkt zwischen den Parteien eine Sonderbeziehung entstanden sein sollte, die der wettbewerbsrechtlichen Sonderbeziehung in den vergleichbaren Fällen entsprechen sollte. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte als reine Privatperson an dem Verfahren beteiligt sei, nicht etwa wegen irgendeines Verhaltens, das in Zusammenhang stünde mit geschäftlichem Verkehr. Insoweit habe eine Verpflichtung des Beklagten, seine vollständigen Erkenntnisse über den Hergang der Urheberrechtsverletzung gegenüber der Klägerin vorgerichtlich auszubreiten, nicht bestanden (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 27.08.2013, 5 W 88/12, Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 02.02.2015, 5 W 47/13; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 24.11.2008, 5 W 117/08; Amtsgericht Hamburg, 03.07.2015, 36a C 134/14).

Urheberrechtsverletzung Filesharing
(Symbolfoto: Matthias Pahl/Shutterstock.com)

Etwas anderes folge auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur sekundären Darlegungslast. Es sei zwar zutreffend, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dem Inhaber des Internetanschlusses im eigenen Interesse abverlangt werde, in gewissem und zumutbarem Umfang Nachforschungen anzustellen darüber, wer die Urheberrechtsverletzung begangen habe oder für diese als Täter konkret in Betracht komme. Für den Fall, dass er die sekundäre Darlegungslast nicht erfülle, habe er zu befürchten, dass der klägerische Sachvortrag zur eigenen Täterschaft des Anschlussinhabers als nicht substantiiert bestritten gelte. Die sekundäre Darlegungslast sei indessen erst für das streitige Verfahren vor dem Gericht von Bedeutung, sie entfalte keine Auswirkungen auf die vorgerichtlichen Geschehnisse.

Deswegen könne die Klägerin sich insbesondere auch nicht auf die „Loud“- Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH 30.03.2017 I ZR 19/16) stützen, um ihren Anspruch zu begründen. Soweit der Bundesgerichtshof in jenem Verfahren sich dahingehend geäußert habe, dass die verklagten Anschlussinhaber sich nicht darauf beschränken könnten, darzulegen, dass familienintern habe aufgeklärt werden können, wer die Urheberrechtsverletzung begangen habe, ohne aber bereit zu sein, im Prozess den Namen des volljährigen Kindes, das die Rechtsverletzung zugegeben habe, zu benennen, habe auch diese Entscheidung lediglich Auswirkungen hinsichtlich der Frage, ob die Beklagten ihre sekundäre Darlegungslast ausreichend erfüllt hatten, gehabt. Aus dieser Entscheidung könnten keine Rückschlüsse vorgenommen werden dahingehend, dass der Bundesgerichtshof Anschlussinhaber schon ab Erhalt der Abmahnung dazu verpflichtet sehe, sämtliche Erkenntnisse, die sie im Zuge interner Aufklärungsmaßnahmen erzielen haben können, offenzulegen.

Schließlich gehe auch das Argument der Klägerin fehl, es widerspreche der Billigkeit, sie mit den Kosten des Verfahrens zu belasten, da sie keine andere Möglichkeit gehabt habe, als den Beklagten im streitigen Verfahren wegen der Urheberrechtsverletzung in Anspruch zu nehmen, um den Sachverhalt überhaupt aufklären zu können. Dies sei zwar zweifellos richtig. Die Klägerin habe keinen Einblick gehabt, wer neben dem Anschlussinhaber selbst gegebenenfalls das Interner regelmäßig nutze und konkret als Täter für die Urheberrechtsverletzung in Betracht komme. Nachdem der Beklagte diesbezüglich auch nach Erhalt der Abmahnung vorgerichtlich keine detaillierte Auskunft erteilt habe, sei ihr letztlich nur die Möglichkeit geblieben, den Klageweg zu beschreiten. Dies bedeute jedoch nicht, dass sie hinsichtlich der hierdurch generierten Kosten völlig schutzlos gestellt wäre und diese im Ergebnis selbst zu tragen hätte. Es sei nämlich durch den Bundesgerichtshof bereits entschieden worden, dass in einer entsprechenden Fallkonstellation der Täter der Urheberrechtsverletzung auch für jene Kosten einzustehen habe (BGH 22.03.2018 I ZR 265/16).

Im Ergebnis erwiesen sich daher die klägerischen Forderungen vollständig als unbegründet, weswegen das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Landshut vom 06.11.2018 aufrechtzuerhalten gewesen sei.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Verurteilung des Beklagten begehrt und die sie insbesondere wie folgt begründet:

Es habe eine Sonderrechtsbeziehung zwischen der Klägerin und dem Beklagten bestanden. Die Klägerin habe den Beklagten mit Schreiben vom 13.03.2014 abgemahnt (Anlage K6). Der Beklagte habe am 22.03.2014 (Anlage K7) geantwortet; dem Schreiben habe nichts Verwertbares im Hinblick auf die Täterschaft entnommen werden können. Darum habe die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 24.03.2014 nochmals zur Benennung des Täters aufgefordert. Auch im Antwortschreiben hierauf habe der Beklagte wiederum keine Angaben dazu gemacht, dass ihm der familienfremde Dritttäter bekannt gewesen sei. Der Beklagte habe allerdings – unter Hinweis darauf, dass dies kein Schuldanerkenntnis darstelle – eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben.

Erst in der Klageerwiderung vom 27.07.2018 habe der Beklagte erstmals den unmittelbar nach Zugang der Abmahnung ermittelten Täter offengelegt. Der Beklagte habe damit bewusst einen gänzlich vermeidbaren und überflüssigen Rechtsstreit provoziert.

Aus den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast, die insbesondere in den Entscheidungen Loud (BGH GRUR 2017, 1233) und Bastei-Lübbe/Strotzer (EuGH GRUR 2018, 1234) konkretisiert worden sei, ergebe sich eine vorgerichtliche Handlungspflicht des Beklagten – insbesondere auf die Abmahnung. Sonst stünde es dem Beklagten frei, sich überhaupt nicht mehr zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu äußern und letztlich gar nicht auf Abmahnungen zu reagieren. Die Grundsätze der sekundären Darlegungslast „strahlten“ also auf den vorgerichtlichen Bereich ab, so dass den Beklagten besondere Antwortpflichten träfen.

Diese Überlegungen würden auch durch die Entscheidung Riptide (BGH GRUR 2018, 914) gestützt. Dort habe der BGH die Abmahnung als „gebotenes Mittel der Sachverhaltsaufklärung“ angesehen und insoweit der Erwartung Ausdruck gegeben, der Anschlussinhaber werde in einem solchen Fall „eher zur zügigen Auskunftserteilung über andere Nutzer des Anschlusses bereit sein“.

Insgesamt habe der Beklagte die für ihn bestehende besondere Antwortpflicht verletzt, so dass der Klägerin aus der Sonderrechtsbeziehung ein Anspruch auf Schadensersatz zustehe.

Die Klägerin und Berufungsklägerin kündigte zunächst an zu beantragen,

1. das Versäumnisurteil vom 6. November 2018 unter Abänderung des am 25. Januar 2019 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Landshut (Az. 10 C 985/18), zugestellt am 31. Januar 2019, aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von EUR 984,60 sowie einen Betrag von EUR 900,00, jeweils nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25. März 2014 zu zahlen;

2. hilfsweise festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die durch seine gerichtliche Inanspruchnahme im Streitfall entstandenen Kosten zu erstatten.

Nach Rücknahme des Antrags zu Ziff. 1 in der mündlichen Verhandlung vom 09.10.2019 beantragt die Klägerin und Berufungsklägerin nunmehr, festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die durch seine gerichtliche Inanspruchnahme im Streitfall entstandenen Kosten zu erstatten.

Der Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt der Beklagte vor, dass das Urteil des Amtsgerichts der Sach- und Rechtslage entspreche und daher aufrechtzuerhalten sei.

Insbesondere bestehe für den Beklagten keine besondere vorgerichtliche Antwortpflicht. Zwischen der Klägerin und dem Beklagten habe keine Sonderbeziehung bestanden. Der Beklagte hafte auch nicht aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung.

Eine Antwortpflicht ergebe sich allenfalls aus berechtigter Abmahnung. Da der Beklagte die Rechtsverletzung jedoch nicht begangen habe, liege keine berechtigte Abmahnung vor. Eine Rechtsgrundlage, die sekundäre Darlegungslast auf das vorgerichtliche Verfahren zu erstrecken, sei nicht ersichtlich. Im Übrigen handele der Beklagte als Privatperson; eine Übertragung der Grundsätze aus Wettbewerbsrecht sei daher nicht zulässig. Der Beklagte stehe gerade nicht im Wettbewerb zur Klägerin.

Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.10.2019 und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin erweist sich als unbegründet, soweit sie mit unbedingt gestelltem Hilfsantrag nach Rücknahme des ursprünglichen Antrags zu Ziff. 1 noch verfolgt wird.

1. Soweit es sich bei der unbedingten Stellung des ursprünglichen Hilfsantrags zu Ziff. 2 um eine Klageänderung handelt, ist diese nach § 533 ZPO zulässig, da der Beklagte zugestimmt hat und für die Entscheidung keine außerhalb des Prüfungsumfangs nach § 529 ZPO liegenden Tatsachen relevant sind.

2. Die Berufung ist jedoch unbegründet, da der Klägerin kein Anspruch auf Ersatz der durch die gerichtliche Inanspruchnahme des Beklagten entstandenen Kosten zusteht.

a) Kein Anspruch aus §§ 280 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch aus c.i.c (§§ 280 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB), da allein die einseitige Versendung der Abmahnung keine Vertragsanbahnung o.ä. im Sinne des § 311 Abs. 2 BGB darstellt (vgl. etwa zu wettbewerbsrechtlichen Gegenansprüchen Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 4 Rn. 4.183).

b) Kein Anspruch aus § 242 BGB i. V. m. den Grundsätzen der Störerhaftung

Die Klägerin hat gegen den Beklagten außerdem keinen Anspruch aus § 242 BGB i. V. m. den Grundsätzen der Störerhaftung, insbesondere sind die Grundsätze der Entscheidung Antwortpflicht des Abgemahnten (BGH GRUR 1990, 381) nicht auf die vorliegende Konstellation übertragbar.

1) Zunächst ist der Beklagte vorliegend kein Störer. Neben einer adäquat kausalen willentlichen Mitverursachung wäre grundsätzlich zur Begründung der Störerhaftung die Verletzung zumutbarer Prüfungspflichten notwendig. Hierfür bestehen jedoch keine Anhaltspunkte. Hiergegen erinnert auch die Klägerin nichts.

2) Der BGH begründet die Antwortpflicht in der vorgenannten Entscheidung im Übrigen damit, dass der Störer aufgrund der durch seinen Wettbewerbsverstoß entstandenen und durch die Abmahnung konkretisierten wettbewerbsrechtlichen Sonderbeziehung nach Treu und Glauben zur Antwort verpflichtet sei. Auch hier liegt ein Unterschied, denn der Beklagte hat vorliegend die Urheberrechtsverletzung nicht begangen. Selbst wenn man also eine Parallele zum Wettbewerbsrecht ziehen wollte, fehlt es vorliegend an der Passivlegitimation, da der Urheberrechtsverstoß nicht vom Beklagten verursacht wurde.

3) Außerdem ist der Beklagte eine Privatperson. Er handelte nicht als Wettbewerber der Klägerin. Eine Übertragung wettbewerbsrechtlicher Grundsätze ist auch aus diesem Grund nicht zulässig.

c) Kein Anspruch aus dem Unterlassungsvertrag, §§ 280 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB

Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch wegen einer Nebenpflichtverletzung aus dem Unterlassungsvertrag; mithin scheidet die Verletzung einer Aufklärungspflicht aus.

1) Die Parteien haben einen Unterlassungsvertrag geschlossen. Der Beklagte hat sich zur Unterlassung verpflichtet (Anlage K7). Dies hat die Klägerin auch angenommen (K8).

2) Es besteht aber aufgrund der Unterlassungserklärung keine Nebenpflicht für den Beklagten nach § 241 Abs. 2 BGB im Wege einer Aufklärungs- bzw. Informationspflicht, den wahren Täter zu benennen.

Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Beklagte bereits im Angebot zum Abschluss eines Unterlassungsvertrags bestritten hat, der wahre Täter zu sein (Anlage K7 S. 2). Im Übrigen gab er die Unterlassungserklärung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Schuldeingeständnis ab (Anlage K7 S. 2). Für die Klägerin war daher bei Annahme ersichtlich, dass der Unterlassungsvertrag entsprechende Pflichten nicht umfassen sollte.

Im Übrigen ergibt sich aus einem derartigen Unterlassungsvertrag, der aus einer unberechtigten Abmahnung entsteht – der also nicht den Täter oder Störer zur Unterlassung verpflichtet – keine Pflicht für den Anschlussinhaber, den wahren Täter zu benennen.

Auch hier sind die Grundsätze aus wettbewerblicher Haftung nicht übertragbar, wie sie der BGH in der Entscheidung Aufklärungspflicht des Unterwerfungsschuldners (BGH GRUR 1990, 542) aufgestellt hat. So hat der Beklagte bislang keinen Urheberrechtsverstoß begangen, da er nicht Täter der streitgegenständlichen Verletzungshandlung war. Auch kam es nicht zu einer Wiederholung der Verletzung nach Abgabe der Unterlassungsverpflichtungserklärung, über die der Beklagte ggfs. aufklärungspflichtig gewesen wäre. Außerdem ist der Beklagte als Privatperson nicht einem Wettbewerber der Klägerin gleichzustellen.

d) Keine andere Beurteilung aus den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast

Auch aus den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast folgt nicht, dass die oben genannten möglichen Anspruchsgrundlagen anders zu beurteilen wären. Die von der Klägerin benannten Urteile sind daher nicht geeignet, die Klageforderung zu begründen. Die Grundsätze der sekundären Darlegungslast sind ein rein prozessuales Institut, das im Rahmen von § 138 ZPO zu beachten ist.

Die sekundäre Darlegungslast trifft den Anschlussinhaber insoweit, als eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, dass er Täter der jeweiligen streitgegenständlichen Verletzungshandlung ist. Um dieser Vermutung zu entgehen, kann er – um der eigenen Haftung aus Vermutung zu entgehen – Tatsachen vortragen, nach denen ernsthaft ein anderer Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommt (vgl. etwa Loud (BGH GRUR 2017, 1233 – Loud, EuGH GRUR 2018, 1234 -Bastei-Lübbe/Strotzer). Der Anschlussinhaber hat es demnach im Prozess selbst in der Hand, ob er selbst haftet oder den Täter benennt, um einer eigenen Haftung zu entgehen.

Die sekundäre Darlegungslast ist aber ein Institut der Darlegungs- und Beweislast im Zivilprozess – sie ist nicht geeignet, dem Beklagten bzw. Anschlussinhaber außergerichtliche Pflichten oder Obliegenheiten aufzuerlegen.

Würde man dies anders sehen und eine entsprechende vorprozessuale Handlungspflicht bejahen, führte dies dazu, dass der Anspruch, den wahren Täter zu benennen ggfs. einklagbar wäre. Dies kann jedoch aus einer reinen Beweislastregel nicht folgen.

Im Übrigen wird der Schutzrechtsinhaber auch nicht schutzlos gestellt. Er kann gegen den im Prozess offenbarten Dritttäter vorgehen und von diesem auch die Kosten des Erstprozesses und der ersten Abmahnung des Anschlussinhabers als Schadensersatz geltend machen (vgl. BGH GRUR 2018, 914 -Riptide).

Soweit die Klägerin insoweit ausführt, dass der Anspruch gegen den Dritten oftmals leerlaufe, kann dies die Kammer nicht überzeugen. Würde die Rechtsverletzung nach Abmahnung alsbald gerichtlich verfolgt – und nicht wie vorliegend lange zugewartet (Abmahnung 13.03.2014 – Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids 15.12.2017), dürften die zu erwartenden Nachteile für die Klägerin überschaubar sein.

III.

1. Die Kostenregelung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO und § 516 Abs. 3 S. 1 ZPO, soweit die Klägerin ihren Berufungsantrag zu Ziff. 1 zurückgenommen hat.

Die Kammer hat den Streitwert für das Berufungsverfahren aufgrund der Klageänderung um die zu erwartenden Prozesskosten der Klägerin in erster, zweiter und dritter Instanz erhöht.

Soweit die Klägerin vorträgt, dass nur noch das Kosteninteresse erster Instanz streitgegenständlich sei und der Streitwert hierfür mit etwa 1.500 EUR zu bemessen sei, ist dies nicht nachvollziehbar. Der von der Klägerin beantragte Feststellungsausspruch ist im Wortlaut nicht auf die Kosten der ersten Instanz beschränkt und umfasst daher die Verfahrenskosten aller Instanzen.

2. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO.

3. Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).

Der vorliegende Sachverhalt wirft eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage auf, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt.

Die Frage, ob sich aus der sekundären Darlegungslast eine vorgerichtliche Haftung ergibt, ist noch nicht höchstgerichtlich entschieden. Die Frage ist daher klärungsbedürftig. Die Frage hat auch allgemeine Bedeutung, da die Frage eine unbestimmte Vielzahl von Fällen berührt und ihrer Entscheidung daher Leitbildcharakter zukommen kann.

 

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