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Schadensersatz wegen angeblichen Filesharings

AG Düsseldorf – Az.: 14 C 115/20 – Urteil vom 24.09.2021

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 369,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.6.2018 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn die vollstreckende Partei nicht Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen angeblichen Filesharings in Anspruch.

Die Klägerin wurde seitens der W. dazu ermächtigt, im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland die Folge „…“ bzw. „…“ der Fernsehserie „…“ auszuwerten und sämtliche Rechtsansprüche der W. im Zusammenhang mit der Verletzung von deren ausschließlichen Rechten im Internet durch Filesharing in eigenem Namen auf eigene Rechnung geltend zu machen. Die Folge „…“ … bzw. „…“ der Fernsehserie „…“ wurde am 11.5.2016 über den Internetanschluss der Beklagten im Wege des Filesharings zum Download angeboten. Die Klägerin mahnte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 2.6.2016 deshalb ab und forderte sie zur Zahlung eines Lizenzschadens von 450,- € auf. Mit der Klage verlangt die Klägerin Schadensersatz nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie von mindestens 500,- € und Erstattung von anwaltlichen Abmahn- und Anmahnkosten in Höhe von insgesamt 169,50 € netto.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe die Folge der Fernsehserie am 11.5.2016 über ihren Internetanschluss im Wege des Filesharings zum Download angeboten.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

1)

an sie einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 500,- € betragen soll, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 1.6.2018,

2)

113,- € als Hauptforderung zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 1.6.2018, sowie

3)

56,50 € als Nebenforderung zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 1.6.2018

zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, Klageabweisung.

Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.

Im Übrigen wird auf alle Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und den sonstigen Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise begründet.

I.

Schadensersatz wegen angeblichen Filesharings
(Symbolfoto: Stuart Miles/Shutterstock.com)

Der Klägerin steht ein Anspruch gegen die Beklagte nach § 97 Abs. 2 S. 1 und 3 UrhG auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 200,- € nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie zu. Ein Anspruch nach § 97 Abs. 2 S. 1 und 3 UrhG setzt voraus, dass die Beklagte als Täterin oder Teilnehmerin vorsätzlich oder fahrlässig Urheberrechte der Klägerin verletzt und dieser dadurch einen Schaden zugefügt hat. Die Klägerin ist unbestritten ermächtigt, Ansprüche wegen Verletzung der ausschließlichen Verwertungsrechte der W. an der in Rede stehenden Folge der Fernsehserie geltend zu machen und ist damit Gläubigerin des Schadensersatzanspruchs. Es spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Beklagte täterschaftlich auf die Folge der Fernsehserie im Wege des Filesharings zugegriffen hat. Bei Urheberrechtsverletzungen im Internet spricht eine tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen den Internetanschluss benutzen konnten (BGH, NJW 2016, 953, 955 – Tauschbörse III). Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde; in diesen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses eine sekundäre Darlegungslast (A.a.O.). Es ist zunächst unstreitig, dass die von der Klägerin behauptete Rechtsverletzung über den Internetanschluss der Beklagten begangen worden ist. Die tatsächliche Vermutung für die Täterschaft der Beklagten entfällt nicht deshalb, weil sie behauptet, damals hätten ihr Sohn und ihr Ehemann Zugriff auf ihren Internetanschluss gehabt und sie halte deren Täterschaft trotz deren Bestreiten für möglich. Der Anschlussinhaber muss bei einem selbständigen Zugang anderer Personen zu seinem Internetanschluss dazu vortragen, dass diese als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (BGH, NJW 2016, 953, 956 – Tauschbörse III). Der Anschlussinhaber wird der ihn damit treffenden sekundären Darlegungslast auch im Fall von mit ihm zusammen lebenden Familienangehörigen erst gerecht, wenn er nachvollziehbar vorträgt, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen (BGH, NJW 2018, 65ff – Loud). Nach Maßgabe dessen hat die Beklagte trotz gerichtlicher Nachfrage in der mündlichen Verhandlung nicht konkret dargelegt, dass ihr Sohn und ihr Ehemann mit Rücksicht auf deren Nutzerverhalten, deren Kenntnisse und Fähigkeiten und in zeitlicher Hinsicht als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Die Beklagte behauptet weder, dass diese Personen Interesse an der vorliegenden Fernsehserie gehabt hätten noch dass diese Personen mit dem Umgang mit Filesharingprogrammen vertraut gewesen seien. Die Beklagte behauptet auch nicht, dass diese Personen kurz vor oder während des Verletzungszeitraums zu Hause gewesen seien. Die tatsächliche Vermutung für die Täterschaft der Beklagten entfällt schließlich nicht deshalb, weil sie behauptet, aufgrund einer möglichen Sicherheitslücke ihres Routers könne jemand in ihr WLAN eingebrochen sein. Der Anschlussinhaber muss zu einem alternativen Geschehensablauf plausibel und nachvollziehbar vortragen, der bloße Hinweis auf ein mögliches Eindringen in das WLAN-Netz genügt insoweit nicht (BeckOK Urheberrecht/Reber, 31. Ed. 1.5.2021, UrhG § 97 Rn. 72). Die Beklagte beschränkt sich indes auf einen solchen bloßen Hinweis, da sie keine konkreten Anhaltspunkte für ein Eindringen gerade zum Zeitpunkt des Verletzungszeitraums benennt. Mangels jedweder anderweitiger Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass die Beklagte zumindest fahrlässig gehandelt hat. Das Gericht schätzt den der W. entstandenen Lizenzschaden gem. §§ 495 Abs. 1, 287 Abs. 1 ZPO auf 200,- €. Aus Gründen der Rechtssicherheit für den Gerichtsbezirk zieht das Gericht insoweit im Ausgangspunkt die auf Seite 31f (Bl. 168f GA) der Replik zitierte Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf heran. Nach der dort herangezogenen iTunes-Vorschau betrug der dortige Online-Verkaufspreis für den betroffenen Spielfilm 9,99 €, so dass das Landgericht Düsseldorf für das Filesharing des Spielfilms in seiner aktuellen Verwertungsphase einen Lizenzschaden von 1.000,- € als angemessen angesehen hat. Vorliegend beträgt der Online-Verkaufspreis ausweislich der als Anlage K 1 (Bl. 33 GA) vorgelegten iTunes-Vorschau für sämtliche 22 Folgen der einschlägigen dritten Staffel der Fernsehserie 19,99 €, so dass sich für die vorliegende Folge ein Einzelpreis von nur 0,91 € ergibt. Der sich damit zunächst ergebende Lizenzschaden unter Heranziehung der landgerichtlichen Grundsätze von pauschalierend 100,- € erscheint allerdings als zu gering. Ausweislich der iTunes-Vorschau war nämlich das naheliegende Datum der deutschen Erstveröffentlichung der Folge der Fernsehserie am 1.12.2016, so dass Gegenstand der Verletzungshandlung naheliegend und damit im Rahmen von § 287 Abs. 1 ZPO ausreichend die sprachliche Originalversion vor der Veröffentlichung in Deutschland war. Dieses Zugänglichmachen noch vor der Veröffentlichung in Deutschland war in besonderem Maße geeignet, die Erstverwertungsphase in Deutschland zu beeinträchtigen. Infolgedessen erscheint es als angemessen, aber auch ausreichend, zur Bestimmung des Lizenzschadens den Ausgangsbetrag von 100,- € zu verdoppeln.

Der Klägerin steht aus §§ 97 Abs. 2 S. 1, 97a Abs. 3 S. 1 UrhG ein Anspruch auf Erstattung von Ab- und Anmahnkosten von 169,50 € netto gegen die Beklagte zu. Die Abmahnung entspricht unproblematisch den Voraussetzungen von § 97a Abs. 2 S. 1 UrhG und die Beklagte ist nach dem Vorgesagten als Verletzer im Sinne der Vorschrift anzusehen. Die Gegenstandswertbeschränkung auf 1.000,- € für die Abmahnung gem. § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG hat die Klägerin beachtet. Hinzu kommt nach dem Vorgesagten ein berechtigter Gegenstandswert von 200,- € für die Anmahnung des Lizenzschadens. Bei Zugrundelegung eines Gegenstandswerts von demnach 1.200,- € und einer Geschäftsgebühr von 1,3 nach Maßgabe des RVG in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung ergibt sich daher ein zu erstattender Betrag von 169,50 € netto.

Die Beklagte kann die Leistung des Lizenzschadens und der Ab- und Anmahnkosten nicht gem. §§ 102 S. 1 UrhG, 214 Abs. 1 BGB verweigern. Sie erhebt die Einrede der Verjährung zu Unrecht. Der Anspruch auf Lizenzschaden wegen Filesharings eines Werks verjährt gem. §§ 102 S. 2 UrhG, 852 BGB in zehn Jahren von Begehung der Verletzungshandlung an (BGH, NJW 2017, 78, 86). Da vorliegend die Verletzungshandlung im Jahr 2016 erfolgt ist, kann die Verjährung erst frühestens im Jahr 2026 eintreten. Der Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten unterfällt der dreijährigen Verjährungsfrist gem. §§ 102 S. 1 UrhG, 195 BGB und beginnt frühestens mit Versand der Abmahnung (BGH, NJW 2017, 78, 84 – Everytime we touch). Verjährungsbeginn war also hier gem. § 199 Abs. 1 BGB frühestens der Ablauf des Jahres 2019. Die Verjährung ist aber durch Zustellung des Mahnbescheids am 7.12.2018 gem. § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB gehemmt worden. Die teilweise anderweitige Rechtsfassung von Lorenz zur Frage der Verjährung von Ansprüchen wegen Filesharings in dem beklagtenseits als Anlage 3 (Bl. 124ff GA) vorgelegten Aufsatz führt nicht zu anderen Ergebnissen.

II.

Zinsen auf den Lizenzschaden kann die Klägerin ab der Verletzungshandlung aus § 818 Abs. 2 BGB verlangen (vgl. BGH, NJW 1982, 1154ff – Kunststoffhohlprofil II), so dass die Anmahnung eines zu hohen Lizenzschadens für den beantragten Zinsbeginn unerheblich ist. Zinsen auf die Abmahnkosten schuldet die Beklagte aus §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. ZPO unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Klageantrag zu 3) als bloße Nebenforderung insoweit unberücksichtigt bleibt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 und 2 ZPO. Die Berufung ist gem. § 511 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, weil dies zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im hiesigen urheberrechtlichen Bezirk erforderlich ist. Eine Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf zur Frage des angemessenen Lizenzschadens im Fall des Filesharings einer einzelnen Folge einer Fernsehserie ist bei einer Suche in einschlägigen juristischen Datenbanken nicht zu finden und dem Abteilungsrichter auch nicht dienstlich bekannt geworden.

Streitwert: 613,- €

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