Übersicht
- 1 Das Wichtigste in Kürze
- 2 Widerrufsrecht bei Architektenverträgen: Fallstudie zu Fernabsatzverträgen
- 3 Der Fall vor Gericht
- 4 Die Schlüsselerkenntnisse
- 5 Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- 5.1 Wann gilt ein Architektenvertrag als Fernabsatzvertrag?
- 5.2 Welche Widerrufsfristen gelten bei Architektenverträgen?
- 5.3 Welche Rechtsfolgen hat ein wirksamer Widerruf des Architektenvertrags?
- 5.4 Wie muss ein Widerruf des Architektenvertrags formal erklärt werden?
- 5.5 Was passiert mit bereits genutzten Architektenleistungen nach dem Widerruf?
- 6 Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- 7 Wichtige Rechtsgrundlagen
- 8 Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Frankfurt am Main
- Datum: 26.06.2023
- Aktenzeichen: 2-26 O 144/22
- Verfahrensart: Zivilverfahren
- Rechtsbereiche: Verbraucherrecht, Vertragsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Die Kläger sind Privatpersonen, die einen Architektenvertrag mit der Beklagten abgeschlossen haben. Sie haben den Vertrag widerrufen und behaupten, die erbrachten Leistungen seien unbrauchbar und unvollständig. Hauptargument ist, dass der Widerruf das Vertragsverhältnis aufhebt und die Beklagte keinen Anspruch auf Vergütung hat. Zudem sind den Klägern keine Widerrufsbelehrungen ergangen.
- Beklagte: Das Unternehmen betreibt ein Internetportal und hat den Architektenvertrag mit den Klägern abgeschlossen. Die Beklagte argumentiert, sie hätte keinen standardmäßigen Fernabsatzvertrag abgeschlossen und ein Ausnahmetatbestand gemäß § 312c Abs. 1 BGB liege vor. Sie verweist zudem auf die Kenntnis der Kläger vom Widerrufsrecht und auf eine Vergütungspflicht wegen Inanspruchnahme der Leistungen vor Ablauf der Widerrufsfrist.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Die Parteien schlossen einen Architektenvertrag per E-Mail. Die Kläger widerriefen den Vertrag, nachdem bereits Teilzahlungen in Höhe von 23.102,13 € geleistet wurden und verlangten diese zurück. Zudem verweigerten sie die Zahlung einer offenen Rechnung von 11.284,26 € und wollten feststellen lassen, dass die Beklagte keinen Anspruch darauf hat.
- Kern des Rechtsstreits: Die Kernfrage war, ob der Kläger den Vertrag wirksam widerrufen konnte und damit keinen weiteren Zahlungsverpflichtungen unterliegt bzw. die Rückzahlung bereits geleisteter Beträge verlangen kann.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht entschied zugunsten der Kläger und verurteilte die Beklagte zur Rückzahlung von 23.102,13 €. Zudem stellte es fest, dass die Beklagte keinen Anspruch auf die offene Rechnung von 11.284,26 € hat.
- Begründung: Die Kläger hätten den Architektenvertrag wirksam widerrufen. Der Vertrag war ein Fernabsatzvertrag, und die Beklagte hat keine ausreichenden Beweise für einen Ausnahmetatbestand erbracht. Zudem ist das Widerrufsrecht nicht rechtsmissbräuchlich ausgeübt worden. Die Kläger hatten auch keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erhalten.
- Folgen: Die Beklagte muss die geleisteten Zahlungen zurückerstatten und kann keine weiteren Forderungen aus dem Vertrag geltend machen. Die Entscheidung verpflichtet die Beklagte zur Tragung der Kosten des Rechtsstreits.
Widerrufsrecht bei Architektenverträgen: Fallstudie zu Fernabsatzverträgen
Ein Architektenvertrag regelt die Zusammenarbeit zwischen Bauherren und Architekten und umfasst Dienstleistungen wie Planung und Beratung. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind oft komplex, insbesondere wenn der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Architekten, beispielsweise per E-Mail, geschlossen wird. Hier stellt sich die Frage, inwieweit Verbraucher in solchen Fällen von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch machen können, das ihnen in bestimmten Situationen zum Schutz vor unüberlegten Entscheidungen zusteht.
Besondere Bedeutung haben dabei die Regelungen zu Fernabsatzverträgen und Haustürgeschäften. Diese kommen zur Anwendung, wenn Verträge ohne persönlichen Kontakt geschlossen werden. Wichtige Aspekte sind die Informationspflichten des Architekten und die Fristen, innerhalb derer Verbraucher ihr Rücktrittsrecht ausüben können. Im Folgenden wird ein konkreter Fall untersucht, der die Rahmenbedingungen eines per E-Mail geschlossenen Architektenvertrags und dessen Widerruf beleuchtet.
Der Fall vor Gericht
Architekturbüro muss 23.000 Euro nach widerrufenem Online-Vertrag zurückzahlen
Das Landgericht Frankfurt verpflichtete ein Architekturbüro zur Rückzahlung von über 23.000 Euro an private Bauherren. Die Auftraggeber hatten den per E-Mail geschlossenen Architektenvertrag für den Um- und Anbau ihres Einfamilienhauses zu einem Drei-Familienhaus wirksam widerrufen.
Fehlende Widerrufsbelehrung führt zu umfassender Rückzahlungspflicht
Der im Juni 2022 geschlossene Vertrag sah die Überarbeitung einer bestehenden Genehmigungsplanung sowie die Ausführungsplanung vor. Die Bauherren leisteten drei Abschlagszahlungen in Höhe von insgesamt 23.102,13 Euro. Eine vierte Rechnung über 11.284,26 Euro zahlten sie nicht mehr, sondern widerriefen stattdessen den Vertrag Ende November 2022. Das Architekturbüro hatte die Auftraggeber zu keinem Zeitpunkt über ihr gesetzliches Widerrufsrecht belehrt.
Verbraucherrecht gilt auch bei rechtlich versierten Bauherren
Das Gericht bestätigte den Verbraucherstatus der Kläger, obwohl einer von ihnen als Rechtsanwalt tätig ist. Die Bauherren hatten den Vertrag zu privaten Zwecken und nicht im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit geschlossen. Der per E-Mail abgeschlossene Vertrag wurde als Fernabsatzvertrag eingestuft. Das Architekturbüro konnte nicht nachweisen, dass sein Geschäftsmodell nicht auf den Fernabsatz ausgerichtet war – im Gegenteil deuteten die Informationen auf der Firmenwebsite darauf hin, dass Vertragsabschlüsse regelmäßig über Fernkommunikationsmittel erfolgten.
Kein Rechtsmissbrauch durch Widerruf trotz teilweiser Leistungsnutzung
Das Landgericht Frankfurt sah in der Ausübung des Widerrufsrechts keinen Rechtsmissbrauch, obwohl die Bauherren die erbrachten Planungsleistungen teilweise verwendet hatten. Die Richter betonten, dass an die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens beim Verbraucherwiderruf hohe Anforderungen zu stellen seien. Ein Widerruf sei nur dann missbräuchlich, wenn sich das Unternehmen als besonders schutzbedürftig darstelle oder der Verbraucher besonders arglistig oder schikanös handle. Die bloße Nutzung eines gesetzlich eingeräumten Rechts zum eigenen Vorteil überschreite diese Grenze nicht.
Das Architekturbüro kann auch keinen Wertersatz für die bereits erbrachten Leistungen verlangen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erfordern. Neben der Rückzahlung des geleisteten Honorars muss das Büro Verzugszinsen seit dem 12. Dezember 2022 zahlen und hat keinen Anspruch auf die noch offene Abschlagsrechnung.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil stärkt die Position von Verbrauchern bei online geschlossenen Architektenverträgen erheblich. Ohne ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung können Bauherren den Vertrag auch nach mehreren Monaten noch widerrufen und bereits gezahlte Honorare vollständig zurückfordern – selbst wenn sie die Planungsleistungen teilweise genutzt haben. Auch juristisch versierte Verbraucher wie Rechtsanwälte genießen diesen Schutz, solange sie privat und nicht gewerblich handeln. Die Ausübung des Widerrufsrechts ist nur dann missbräuchlich, wenn der Verbraucher arglistig oder schikanös handelt.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie einen Architektenvertrag online oder per E-Mail abgeschlossen haben und keine Widerrufsbelehrung erhalten haben, können Sie den Vertrag auch Monate später noch widerrufen und bereits gezahlte Honorare zurückverlangen – ohne Wertersatz leisten zu müssen. Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie die Planungen bereits teilweise verwendet haben oder beruflich über Rechtskenntnisse verfügen. Nur bei nachweislich arglistigem Verhalten könnte der Widerruf unwirksam sein. Prüfen Sie daher bei Problemen mit Ihrem Architekten, ob der Vertrag per Fernkommunikation geschlossen wurde und eine Widerrufsbelehrung erfolgte.
Benötigen Sie Hilfe?
Als erfahrene Experten im Architektenrecht analysieren wir die Umstände Ihres Online-Vertragsabschlusses und prüfen Ihre individuellen Widerrufsmöglichkeiten. Gerade bei fehlender oder mangelhafter Widerrufsbelehrung bestehen oft weitreichende Ansprüche auf Rückerstattung bereits gezahlter Honorare – auch Monate nach Vertragsschluss. Unsere Anwälte unterstützen Sie dabei, Ihre rechtliche Position realistisch einzuschätzen und Ihre Interessen konsequent zu vertreten. ✅ Fordern Sie unsere Ersteinschätzung an!
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wann gilt ein Architektenvertrag als Fernabsatzvertrag?
Ein Architektenvertrag gilt als Fernabsatzvertrag, wenn zwei zentrale Voraussetzungen erfüllt sind:
Ausschließliche Kommunikation über Fernkommunikationsmittel
Der gesamte Vertragsschluss, einschließlich der Vertragsverhandlungen, muss ausschließlich über Fernkommunikationsmittel erfolgen. Dazu gehören insbesondere E-Mails, Telefonate oder Videokonferenzen. Wenn Sie auch nur ein einziges persönliches Treffen mit dem Architekten vor Vertragsschluss haben, liegt kein Fernabsatzvertrag vor.
Organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem
Der Architekt muss über ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem verfügen. Dies ist bereits dann der Fall, wenn der Architekt grundsätzlich die Möglichkeit zum Vertragsschluss per E-Mail anbietet. Die bloße Behauptung des Architekten, normalerweise keine Verträge über Fernkommunikationsmittel zu schließen, reicht nicht aus, um ein organisiertes System zu widerlegen.
Rechtliche Bedeutung der Einstufung
Wird ein Architektenvertrag als Fernabsatzvertrag eingestuft, steht Ihnen als Verbraucher ein 14-tägiges Widerrufsrecht zu. Der Architekt muss Sie über dieses Widerrufsrecht in Textform belehren. Erfolgt keine ordnungsgemäße Belehrung, verlängert sich die Widerrufsfrist.
Ausnahmen und Besonderheiten
Die Verbrauchereigenschaft bleibt auch bestehen, wenn Sie einen juristischen Beruf ausüben. Entscheidend ist allein, dass Sie den Architektenvertrag zu privaten Zwecken abschließen. Architektenverträge fallen auch nicht unter die Ausnahme für Bauverträge, da der Architekt nicht die physische Errichtung des Gebäudes schuldet.
Welche Widerrufsfristen gelten bei Architektenverträgen?
Bei Architektenverträgen gilt grundsätzlich eine Widerrufsfrist von 14 Tagen, die mit dem Tag des Vertragsabschlusses beginnt. Diese Frist gilt jedoch nur, wenn der Architekt den Verbraucher ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt hat.
Verlängerte Widerrufsfrist bei fehlender Belehrung
Wenn der Architekt keine oder eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung erteilt, verlängert sich die Widerrufsfrist erheblich auf 12 Monate und 14 Tage nach Vertragsabschluss. Dies bedeutet für Sie als Bauherr eine deutlich längere Zeitspanne, um Ihre Entscheidung zu überdenken.
Beginn und Berechnung der Frist
Die reguläre 14-tägige Widerrufsfrist beginnt erst dann zu laufen, wenn der Architekt Sie als Verbraucher vollständig über Ihr Widerrufsrecht informiert und Ihnen ein Muster-Widerrufsformular zur Verfügung gestellt hat. Der Tag des Vertragsschlusses wird bei der Fristberechnung nicht mitgezählt.
Besonderheiten bei vorzeitigem Leistungsbeginn
Wenn Sie als Bauherr ausdrücklich wünschen, dass der Architekt bereits während der Widerrufsfrist mit seiner Arbeit beginnt, behalten Sie zwar Ihr Widerrufsrecht, müssen aber im Falle eines Widerrufs die bis dahin erbrachten Leistungen anteilig vergüten. Diese Vergütungspflicht entsteht jedoch nur, wenn Sie vorher ordnungsgemäß über Ihr Widerrufsrecht informiert wurden.
Welche Rechtsfolgen hat ein wirksamer Widerruf des Architektenvertrags?
Ein wirksamer Widerruf führt zur vollständigen Rückabwicklung des Architektenvertrags. Der Architekt muss alle bereits erhaltenen Zahlungen unverzüglich, spätestens binnen 14 Tagen, an den Verbraucher zurückerstatten.
Rückgewährpflichten des Verbrauchers
Wenn Sie als Verbraucher den Architektenvertrag widerrufen, müssen Sie grundsätzlich die erhaltenen Planungsleistungen zurückgeben. Die bloße Nutzung oder Verwertung der Planungsleistungen steht einem wirksamen Widerruf nicht entgegen.
Wertersatzansprüche des Architekten
Der Architekt hat keinen Anspruch auf Wertersatz für bereits erbrachte Leistungen, wenn er den Verbraucher nicht ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht belehrt hat. Dies gilt selbst dann, wenn:
- die Planungsleistungen bereits vollständig erbracht wurden
- die Pläne bei der Bauaufsichtsbehörde eingereicht wurden
- der Verbraucher die Leistungen bereits genutzt hat
Besonderheiten bei ordnungsgemäßer Belehrung
Wurde der Verbraucher ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht und die mögliche Wertersatzpflicht informiert, kann der Architekt für bereits erbrachte Leistungen einen angemessenen Wertersatz verlangen. Diese Information muss jedoch erfolgt sein, bevor der Verbraucher die Ausführung der Dienstleistung verlangt hat.
Zeitliche Dimension
Die Rückabwicklung muss unverzüglich erfolgen. Der Architekt darf die Rückzahlung nicht von der Rückgabe der Planungsunterlagen abhängig machen. Bei verspäteter Rückzahlung können Verzugszinsen anfallen.
Wie muss ein Widerruf des Architektenvertrags formal erklärt werden?
Ein Widerruf des Architektenvertrags kann formfrei erfolgen. Der Verbraucher muss lediglich eindeutig zum Ausdruck bringen, dass er den Vertrag nicht mehr gegen sich gelten lassen möchte.
Mögliche Widerrufsformen
Die Widerrufserklärung kann auf verschiedene Arten erfolgen:
- Per E-Mail
- Per Brief
- Mündlich
- Per Fax
- Durch eindeutige Handlungen
Inhaltliche Anforderungen
Der Widerruf muss keine bestimmte Formulierung oder Begründung enthalten. Es genügt eine klare und unmissverständliche Mitteilung, dass der Vertrag nicht fortgeführt werden soll. Eine Formulierung wie „Hiermit widerrufe ich den am [Datum] geschlossenen Architektenvertrag“ ist ausreichend.
Zeitliche Vorgaben
Der Widerruf kann innerhalb der gesetzlichen Widerrufsfrist erfolgen. Bei einem per E-Mail geschlossenen Architektenvertrag beginnt die Frist mit Vertragsschluss. Wurde keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt, verlängert sich die Widerrufsfrist erheblich.
Dokumentation und Nachweis
Aus Beweisgründen empfiehlt sich eine nachweisbare Form der Widerrufserklärung. Eine schriftliche Erklärung per E-Mail oder Brief schafft Klarheit über den Zeitpunkt und Inhalt des Widerrufs. Der Zugang der Widerrufserklärung beim Architekten muss im Streitfall vom Verbraucher nachgewiesen werden können.
Was passiert mit bereits genutzten Architektenleistungen nach dem Widerruf?
Nach einem wirksamen Widerruf des Architektenvertrags müssen Sie als Verbraucher grundsätzlich keine Vergütung für bereits erbrachte Leistungen zahlen. Dies gilt auch dann, wenn Sie die Architektenleistungen bereits genutzt haben oder diese vollständig erbracht wurden.
Bedeutung der Widerrufsbelehrung
Die Zahlungspflicht für bereits erbrachte Leistungen hängt entscheidend von der korrekten Widerrufsbelehrung ab. Wenn der Architekt Sie nicht ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht informiert hat, sind Sie weder zur Zahlung des Architektenhonorars noch zum Wertersatz verpflichtet. In diesem Fall können Sie sogar bereits geleistete Zahlungen zurückfordern.
Ausnahme bei ausdrücklichem Leistungsbeginn
Eine wichtige Ausnahme besteht, wenn Sie den Architekten ausdrücklich aufgefordert haben, vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Leistung zu beginnen. In diesem Fall müssen Sie für die bis zum Widerruf erbrachten Leistungen einen anteiligen Betrag zahlen. Der zu zahlende Betrag richtet sich nach dem Verhältnis der bereits erbrachten Leistungen zum Gesamtumfang der vertraglich vereinbarten Leistungen.
Verlängerte Widerrufsfrist
Wenn keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erfolgt ist, haben Sie als Verbraucher ein verlängertes Widerrufsrecht von 12 Monaten und 14 Tagen. In dieser Zeit können Sie den Vertrag auch dann noch widerrufen, wenn der Architekt seine Leistungen bereits vollständig erbracht hat. Dies kann für den Architekten bedeuten, dass er trotz erbrachter Leistungen keinen Honoraranspruch hat.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Fernabsatzvertrag
Ein Vertrag, der zwischen einem Unternehmer und Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (z.B. E-Mail, Telefon, Internet) geschlossen wird. Dabei findet kein persönlicher Kontakt zwischen den Parteien statt. Gemäß §312c BGB gelten hier besondere Verbraucherschutzrechte, insbesondere Informationspflichten und ein 14-tägiges Widerrufsrecht. Beispiel: Ein online bestelltes Produkt oder wie im Text der per E-Mail geschlossene Architektenvertrag.
Widerrufsrecht
Ein gesetzliches Recht für Verbraucher, einen Vertrag innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen zu widerrufen. Basiert auf §§ 355, 356 BGB und gilt besonders bei Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen. Wenn keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erfolgt, verlängert sich die Frist auf 12 Monate. Der Unternehmer muss dann bereits erhaltene Zahlungen zurückerstatten.
Widerrufsbelehrung
Eine gesetzlich vorgeschriebene Information des Unternehmers an den Verbraucher über dessen Widerrufsrecht. Nach § 312d BGB muss sie in klarer und verständlicher Form über Bedingungen, Fristen und Modalitäten des Widerrufs aufklären. Fehlt die Belehrung oder ist sie fehlerhaft, beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen. Der Unternehmer kann dann auch keinen Wertersatz für bereits erbrachte Leistungen verlangen.
Rechtsmissbrauch
Ein rechtswidriges Verhalten, bei dem ein formal bestehendes Recht in einer Weise ausgeübt wird, die gegen Treu und Glauben verstößt (§242 BGB). Im Verbraucherrecht liegt Rechtsmissbrauch nur vor, wenn der Verbraucher besonders arglistig oder schikanös handelt oder der Unternehmer besonders schutzbedürftig ist. Die bloße Nutzung eines gesetzlichen Rechts zum eigenen Vorteil stellt noch keinen Rechtsmissbrauch dar.
Wertersatz
Ein finanzieller Ausgleich für bereits erbrachte Leistungen nach einem Widerruf. Gemäß §357 BGB kann der Unternehmer Wertersatz nur verlangen, wenn der Verbraucher vorher ausdrücklich über diese Pflicht belehrt wurde und der Verbraucher der sofortigen Leistungserbringung zugestimmt hat. Die Höhe richtet sich nach dem tatsächlichen Wert der bis zum Widerruf erbrachten Leistungen.
Verbraucherstatus
Die rechtliche Eigenschaft einer Person als Verbraucher nach §13 BGB. Ein Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden kann. Der Status ist unabhängig von der beruflichen Qualifikation der Person und gewährt besondere Schutzrechte.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 355 BGB (Widerrufsrecht): Dieser Paragraph regelt das Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen. Verbraucher haben das Recht, einen Vertrag innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen zu widerrufen. In diesem Fall haben die Kläger diesen Paragraphen angesprochen, um ihre Rückzahlung der geleisteten Abschlagszahlungen zu verlangen, da sie von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht haben, was ihnen gemäß den gesetzlichen Bestimmungen zusteht.
- § 312c BGB (Besonderheiten bei Fernabsatzverträgen): Hier wird die Anwendung des Widerrufsrechts im Zusammenhang mit Fernabsatzverträgen erklärt. Dies ist relevant, weil der Vertrag zwischen den Klägern und der Beklagten per E-Mail zustande kam, was als Fernabsatz betrachtet wird. Die Beklagte argumentierte, dass der Ausnahmefall des § 312c Abs. 1 BGB vorliege, die Kläger jedoch das Recht auf Widerruf geltend machten, da keine Widerrufsbelehrung erfolgte.
- § 242 BGB (Treu und Glauben): Dieser Grundsatz besagt, dass die Ausübung von Rechten nicht gegen Treu und Glauben verstoßen darf. Die Beklagte versuchte, einen Ausnahmetatbestand geltend zu machen, indem sie argumentierte, dass die Kläger sich auf ihr Widerrufsrecht berufen, obwohl sie darüber informiert waren. Der Zusammenhang zum Fall ergibt sich daraus, dass die Beklagte behauptete, die Kläger würden ihr Recht missbrauchen, was jedoch nicht zutraf, da die Kläger fristgerecht widerrufen haben.
- § 357 Abs. 1 BGB (Folgen des Widerrufs): Dieser Paragraph deckt die Rechtsfolgen beim Widerruf von Verbraucherverträgen ab, einschließlich Rückgewähransprüche. Die Kläger berufen sich auf diesen Paragraphen, um ihre Forderung auf Rückzahlung ihrer Abschlagszahlungen zu untermauern, nachdem sie den Vertrag widerrufen hatten und somit in ein Rückgewährschuldverhältnis eingetreten sind.
- § 312g Abs. 1 BGB (Informationspflichten): Dieser Paragraph legt die Informationspflichten des Unternehmers bei Fernabsatzverträgen fest. Die Beklagte unterlag dieser Pflicht, versäumte jedoch, eine Widerrufsbelehrung bereitzustellen. Dies ist entscheidend für den Fall, da es den Klägern ermöglichte, von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen, was zur Rückforderung der bereits geleisteten Zahlungen führte.
Das vorliegende Urteil
LG Frankfurt – Az.: 2-26 O 144/22 – Urteil vom 26.06.2023
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