LG Hannover – Az.: 18 O 78/18 – Urteil vom 01.07.2019
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen der behaupteten Löschung von Beiträgen und Daten in einem Internetforum.
Die Klägerin betreibt seit Mai 2010 im Internet das Hundeforum xxx unter der Internetadresse xxx. Es handelt sich hierbei um ein Forum für die seltene Hunderasse xxx. Die Beklagte arbeitete zunächst an diesem Forum mit; sie war auch Administratorin in diesem Forum. Im Rahmen ihrer Mitarbeit hat die Beklagte seit dem Jahre 2010 ca. 10.000 Beiträge für das Forum erstellt. Am 18.06.2015 hat die Klägerin der Beklagten die Administratorenrechte für das Forum entzogen. Gegen den Entzug der Administratorenrechte klagte die Beklagte erfolglos.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie an den von der Beklagten erstellten Beiträgen für das Forum unwiderruflich zumindest ein einfaches Nutzungs- und Verwertungsrecht erworben habe und verweist diesbezüglich auf § 4 der Forumsregeln (Anlage K 4, Anlagenband Klägerin). Die Klägerin behauptet zudem, die Beklagte habe am 06.05.2017 die von der Beklagten erstellten Beiträge ohne Einverständnis der Klägerin aus dem Forum unwiederbringlich gelöscht. Damit habe die Beklagte zugleich das gesamte Forum „zerstört“, da durch die Löschung der Beiträge viele Threads nicht mehr verständlich gewesen seien. Weiterhin behauptet die Klägerin, die Beklagte habe am 29.06.2017 das Forum erneut „gehackt“ und dabei die Foren-Übersicht und die gesamten Statistiken gelöscht. Gleichzeitig habe die Beklagte den Zugang der Klägerin zum Forum gesperrt. Für diesen zweiten Angriff habe die Beklagte die Zugangsdaten des Accounts ihres Ehemanns verwandt.
Die Klägerin schätzt den ihr durch die Löschungsvorgänge entstandenen Schaden auf mindestens 6.000,00 €. Hierzu behauptet sie, die Beiträge der Beklagten seien von großem Wert gewesen. In dem Forum der Klägerin sei eine Vielzahl von Beiträgen zu Verhalten, Psyche, Erziehung, Gesundheit, Ernährung, Aussehen, Zucht und Entwicklung der seltenen Hunderasse xxx vorhanden gewesen. Weiterhin behauptet die Klägerin, ihr seien durch die beiden Angriffe der Beklagten Kosten für IT-Dienstleister in Höhe von 4.284,00 € entstanden und verweist insoweit auf eine Rechnung der Firma xxx vom 30.06.2017 (Anlage K 14, Anlagenband Klägerin). Auf diesen Rechnungsbetrag habe sie im Juni 2017 1.000,00 €, am 16.08.2017 2.000,00 €, am 04.01.2018 1.000,00 € sowie am 02.03.2018 284,00 € gezahlt. Darüber hinaus seien ihr für die Erstattung einer Strafanzeige gegen die Beklagte anwaltliche Kosten in Höhe von 305,51 € entstanden (Kostenrechnung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 20.12.2017, Anlage K 16, Anlagenband Klägerin).
Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.01.2018 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten die vorgenannten Beträge unter Fristsetzung bis zum 17.01.2018 geltend (Anlage K 10, Anlagenband Klägerin). Die Beklagte lehnte mit anwaltlichem Schreiben vom 17.01.2018 eine Zahlung ab (Anlage K 11, Anlagenband Klägerin).
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.589,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.01.2018 sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von 490,99 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.01.2018 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet die beiden von der Klägerin behaupteten Angriffe; ausweislich der von der Klägerin geführten Ermittlungen sei die IP-Adresse, über die die Angriffe ausgeführt worden seien, dem Anbieter Arcor zuzuordnen gewesen. Die Beklagte sei jedoch nicht Kunde bei Arcor gewesen. Auch nimmt sie in Abrede, dass das Forum der Klägerin „zerstört“ sei. Vielmehr seien die Artikel des Forums lesbar und anklickbar. Sie meint zudem, dass den Erstellern von Beiträgen im Forum der Klägerin das Recht zustehe, diese Beiträge wieder zu löschen, unabhängig davon, ob Dritten zuvor Rechte an diesen Beiträgen übertragen worden seien. Im Übrigen handele es sich bei diesen Beiträgen nicht um urheberrechtlich geschützte Werke, da diesen die notwendige Schöpfungshöhe fehle. Jedenfalls treffe die Klägerin ein erhebliches Mitverschulden, da sie nicht regelmäßig eine Datensicherung durchgeführt habe.
Die Beklagte bestreitet weiterhin, dass die gelöschten Beiträge einen Wert in Höhe von 6.000,00 € gehabt hätten. Sie bestreitet ferner, dass die Klägerin die von ihr geltend gemachten IT-Kosten sowie die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten für die Erstellung einer Strafanzeige und das Schreiben vom 02.01.2018 gezahlt habe. Sie meint diesbezüglich, dass es sich bei den IT-Kosten um sog. „Sowieso-Kosten“ handele und die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten für die Erstellung einer Strafanzeige nicht erforderlich gewesen seien.
Im Übrigen wird hinsichtlich des Sach- und Streitstandes auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsprotokolle vom 20.11.2018 (Bl. 93 – 95 d. A.), (Bl. 138 – 142 d. A.) und vom 25.06.2019 (Bl. 220 – 223 d. A.) verwiesen.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen xxx und xxx. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 02.04.2019 (Bl. 138 – 142 d. A.) und vom 25.06.2019 (Bl. 220 – 223 d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
1.) Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht Hannover örtlich zuständig. Die Klägerin stützt ihr Klagebegehren gegen die Beklagte zumindest auch auf urheberrechtliche Ansprüche. Für derartige Ansprüche ist das Landgericht Hannover gemäß § 105 Abs. 1 UrhG i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 ZustVO-Justiz Nds. das für den Wohnsitz der Beklagten örtlich zuständige Gericht.
2.) Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten jeweils nebst Zinsen zu.
a) Ein Schadensersatzanspruch folgt nicht aus § 280 Abs. 1 BGB.
aa) Zwar bestand zwischen den Parteien ein Forumsnutzungsvertrag und damit ein Schuldverhältnis. Dieser Vertrag ist nach den allgemeinen Regeln der §§ 145 ff. BGB dadurch zustande gekommen, dass die Beklagte sich in dem Forum der Klägerin „angemeldet“ und diese den Account bzw. das Benutzerkonto freigeschaltet hat.
bb) Die Beklagte hat jedoch keine Pflicht aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag verletzt. Zwar räumt ein Nutzer des Forums nach § 4 der Forenregeln, bei denen es sich um wirksam in den Forumsnutzungsvertrag einbezogene allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.v. § 305 BGB handelt, der Klägerin das Recht ein, einen erstellten Beitrag dauerhaft im Forum vorzuhalten. Es kann aber nicht festgestellt werden, dass die Beklagte dieses Recht der Klägerin verletzt bzw. vereitelt hat. Denn die Klägerin konnte nicht zur Überzeugung der Kammer gem. § 286 ZPO beweisen, dass die Beklagte am 06.05.2017 die von der Beklagten selbst erstellten Beiträge sowie darüber hinaus am 29.06.2017 die Forenübersicht und die Statistiken gelöscht hat.
(1) Hinsichtlich der behaupteten Löschungsvorgänge am 06.05.2017 konnte die beiden vernommenen Zeugen xxx keine Angaben machen. So hat die Zeugin xxx in der mündlichen Verhandlung am 02.04.2019 ausgesagt, dass sie nur bezüglich des behaupteten Löschungsvorganges am 29.06.2017 einen Auftrag vom Zeugen xxx erhalten habe, zu überprüfen, ob der Server zum Betrieb des streitgegenständlichen Internetforums xxx gehackt worden sei; zu den Vorgängen am 06.05.2017 könne sie hingegen nichts sagen (Bl. 139 – 140 d. A.). Der Zeuge xxx konnte in der mündlichen Verhandlung am 25.06.2019 ebenfalls keine Angaben zu den behaupteten Löschungsvorgängen am 06.05.2017 machen. Er verwies ergänzend auf seine mit der Anlage K 14 vorgelegte Rechnung vom 30.06.2017 und antwortete auf die Frage, ob er früher schon einmal mit einem Problem bei dem streitgegenständlichen Internetforum befasst gewesen sei, dass er sich zwar nicht mehr ganz sicher sei, aber meine, dass es früher schon einmal die Frage gegeben habe, ob die Beklagte eigene Beiträge in dem Forum gelöscht habe. Diesbezüglich wisse er aber nichts Näheres, weil er hierfür nicht beauftragt worden sei (Bl. 221 d. A.). Nach alledem sind die Aussagen der Zeugen xxx und xxx bezüglich der behaupteten Löschungsvorgänge am 06.05.2017 unergiebig.
(2) Aber auch bezüglich der behaupteten Löschungsvorgänge am 29.06.2017 konnte die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht gemäß § 286 ZPO feststellen, dass die Beklagte für diese verantwortlich gewesen ist.
(a) So hat die Zeugen xxx in der mündlichen Verhandlung am 02.04.2019 zwar detailliert und nachvollziehbar ausgeführt, dass der Server der Internetseite des streitgegenständlichen Forums xxx nicht „gehackt“ worden sei, vielmehr seien die Löschungsvorgänge mit einem gültigen Administratoren-Account vorgenommen worden. Dabei seien die Löschungen immer über denselben Browser erfolgt und zudem anschließend die jeweiligen „Protokoll-Logs“ gelöscht worden. Weiterhin habe sie feststellen können, dass dieselbe IP-Adresse, die die Veränderungen im streitgegenständlichen Forum vorgenommen habe, anschließend auf der Internetseite xxx über einen Administratoren-Account eingeloggt gewesen sei. Dies habe sie deshalb feststellen können, weil beide Internetseiten auf demselben Server gelegen hätten (Bl. 139 – 140 d. A.). Auch wenn die Internetseite xxx von der Beklagten und ihrem Ehemann betrieben wurde, kann die Kammer anhand der Aussage der Zeugin xxx eine Verantwortlichkeit der Beklagten für die behaupteten Löschungsvorgänge nicht zweifelsfrei feststellen. Denn zum einen konnte auch die Zeugin xxx nicht bekunden, welcher Administratoren-Account für die Löschungsvorgänge verwendet worden sei. Die Zeugin war sich nur relativ sicher, dass entweder der Account der Beklagten oder der ihres Ehemannes verwendet worden sei. Es habe für sie lediglich Anhaltspunkte aus den Meta-Daten des Servers gegeben, dass der Account, der auf beiden Internetseiten xxx eingeloggt gewesen sei, der des Ehemanns der Beklagten gewesen sei (Bl. 139 d. A.). Zum anderen war der Administratoren-Account der Beklagten für die Internetseite xxx unstreitig bereits seit dem 18.06.2015 deaktiviert worden. Schließlich blieb nach der Vernehmung der Zeugin xxx auch unklar, ob der Account des Ehemanns der Beklagten am 29.06.2017 noch aktiviert gewesen ist.
(b) Eine andere Bewertung rechtfertigt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Aussage des Zeugen xxx. So konnte dieser in der mündlichen Verhandlung am 25.06.2019 keine konkreten Angaben zu den behaupteten Löschungsvorgängen machen. Er wisse auch nicht, wie viele Administratoren-Zugänge es zu dem streitgegenständlichen Internetforum gegeben habe bzw. wann diese gesperrt worden seien. Der Zeuge konnte lediglich bekunden, dass er kontaktiert worden sei und die Information erhalten habe, dass Beiträge aus dem Forum gelöscht worden seien. Er könne zwar nicht mehr genau sagen, was er nach Erhalt des Auftrags gemacht habe. Er meine aber, sich noch zu erinnern, dass er die „Logfiles“ auf dem Server des Internetforums überprüft habe. Ihm sei jedoch klargeworden, dass er nicht der Richtige dafür sei, die Details aufzuklären. Er habe daher die Zeugin xxx beauftragt, die über das entsprechende Knowhow verfüge. Diese habe die eigentlichen Prüfungen durchgeführt, ob sich jemand in das Forum eingeloggt haben und ggf. die Löschungen vorgenommen haben könnte. Er könne daher nur wiedergeben, was die Zeugin xxx ihm mitgeteilt habe (Bl. 221 – 222 d. A.). Der Zeuge xxx hat demnach über den Ablauf und das Ergebnis der Ermittlungen bzgl. der Verantwortlichkeit für die Löschungsvorgänge keine eigenen Wahrnehmungen gemacht; der Inhalt seiner Aussage geht somit nicht über die aus den oben stehenden Gründen nicht ausreichenden Bekundungen der Zeugin xxx hinaus.
(3) Nach alledem hält es die Kammer selbst unter Berücksichtigung der weiteren von der Klägerin vorgetragenen Indizien, insbesondere der mit der Anlage K 6 (Anlagenband Klägerin) vorgelegten Facebook-Nachricht der Beklagten an xxx vom 06.05.2017, die nach Auffassung der Klägerin für eine Täterschaft der Beklagten streiten würden, zwar für möglich, dass die Beklagte den Administratoren-Account ihres Ehemanns für die behaupteten Löschungsvorgänge verwendet bzw. gemeinschaftlich mit diesem gehandelt hat. Mit einem für das praktische Leben ausreichenden Grad an Gewissheit i. S. v. § 286 ZPO, der Zweifel Schweigen gebietet, ohne sie gänzlich auszuschließen, kann die Kammer eine solche (Mit-)Verantwortlichkeit der Beklagten jedoch nicht feststellen, da zumindest auch der Ehemann ernsthaft als möglicher (Allein-)Täter in Betracht kommt. Weitere Beweismittel zum Nachweis der (Mit-)Täterschaft der Beklagten stehen nicht zur Verfügung. Insbesondere ist die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens nicht geeignet, die an der Täterschaft der Beklagten bestehenden Zweifel auszuräumen. Denn es ist weder von der Klägerin nachvollziehbar vorgetragen worden noch ersichtlich, dass durch die Einholung eines solchen Sachverständigengutachtens über die Ermittlung der IP-Adresse bzw. des Accounts, mit dem die Löschungsvorgänge vorgenommen worden sind, hinaus auch festgestellt werden könnte, wer diesen Account tatsächlich verwendet hat.
b.) Da die Kammer nach alledem nicht feststellen konnte, dass die Beklagte für die Löschungsvorgänge am 06.05.2017 sowie am 29.06.2017 (mit-)verantwortlich gewesen ist, scheiden auch Schadensersatzansprüche gem. § 97 Abs. 2 UrhG bzw. gem. §§ 823 Abs. 1 und 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 303a Abs. 1 StGB aus.
c.) Mangels Anspruchs in der Hauptsache kann die Klägerin schließlich auch nicht von der Beklagten die begehrten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie die geltend gemachten Zinsen verlangen.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709 Satz 1 und Satz 2, 108 ZPO.