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Keine Störerhaftung bei ungeschütztem WLAN, wenn weitere Familienmitglieder Internetanschluss nutzen können

AG Hannover, Az.: 539 C 11339/13

Urteil vom 09.02.2014

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit der Beklagte vor der Vollstreckung nicht Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Keine Störerhaftung bei ungeschütztem WLAN, wenn weitere Familienmitglieder Internetanschluss nutzen können
Symbolfoto: sevenke/Bigstock

Der Kläger begehrt Schadensersatz und Zahlung der Abmahnkosten aus einer Urheberrechtsverletzung.

Der Kläger ist Inhaber der Rechte an dem pornografischen Filmwerk „…“.

Der Kläger mahnte den Beklagten mit anwaltlichen Schreiben vom 17.02.2010 bezüglich der unerlaubten Verwertung des streitgegenständlichen Filmes ab. Er unterbreitete ein Vergleichsangebot zur Erledigung sämtlicher Schadensersatzansprüche durch Zahlung eines Pauschalbetrages von 1.298,– €. Der Beklagte gab eine Unterlassungserklärung ab, der Vergleich wurde aber nicht angenommen. Der Kläger begehrt nunmehr einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.000,– € sowie Abmahnkosten nach einem Streitwert in Höhe von 20.000,– €, d. h. 859,80 €.

Die Lebensgefährtin des Beklagten, Frau …, hat ebenfalls uneingeschränkten Zugang zum Internetanschluss des Beklagten.

Der Kläger behauptet, der Beklagte habe am 09.08.2009 gegen 22.16 Uhr das streitgegenständliche Filmwerk ohne seine Erlaubnis zum Download angeboten.

Der Kläger beantragt, den Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Schadensersatzbetrag in Höhe von 1.000,00 € sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 859,80 € jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, ihm sei der Film nicht bekannt. Weder er noch seine Lebensgefährtin hätten den fraglichen Film zum Herunterladen im Internet bereitgestellt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten weder ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gem. § 97 Abs. 2 UrhG; § 823 Abs. 1 BGB noch auf Erstattung anwaltlicher Abmahnkosten gem. § 97 a Abs. 1 UrhG zu.

Es kann dahinstehen, ob der Kläger Inhaber der ausschließlichen Verwertungsrechte an dem streitgegenständlichen Film ist und ob dieser tatsächlich über den Internetanschluss des Beklagten zum Herunterladen verfügbar gemacht wurde. Der Beklagte haftet weder als Täter oder Teilnehmer, noch unter dem Gesichtspunkt einer Störerhaftung.

Wird ein geschütztes Werk von einer IP-Adresse aus öffentlich zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Daraus ergibt sich eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, der geltend macht, eine andere Person habe die Rechtsverletzung begangen (BGH, GRUR 2010, 633, „Sommer unseres Lebens“). Selbst wenn man unstreitig stellen würde, dass der streitgegenständliche Film tatsächlich vom Anschluss der Beklagten zum Herunterladen bereitgestellt wurde, wäre diese Vermutung vorliegend aber widerlegt. Die tatsächliche Vermutung wird erschüttert, wenn Umstände feststehen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs, nämlich der Alleintäterschaft eines anderen Nutzers des Internetanschlusses, ergibt. Dafür wird es regelmäßig genügen, wenn Hausgenossen des Anschlussinhabers, wie z. B. sein Ehegatte, selbständig auf den Internetanschluss zugreifen können (OLG Köln, MMR 2012, 549; LG Köln vom 11.09.2012, 33 O 353/11; LG Düsseldorf, NJW 2012, 3663; AG Frankfurt, MMR 2012, 620).

Die sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers geht nicht so weit, dass er durch eigene Nachforschungen aufklären müsste, wer Täter der Rechtsverletzung ist. Erst recht obliegt dem Anschlussinhaber nicht der Beweis des Gegenteils in dem Sinne, dass er sich bei jeder über seinen Internetzugang begangenen Rechtsverletzung vom Vorwurf der täterschaftlichen Begehung entlasten oder exkulpieren muss. Der Beweis des ersten Anscheins beruht auf der Annahme eines der Lebenserfahrung entsprechenden Geschehensablaufs, wonach in erster Linie der Anschlussinhaber seinen Internetzugang nutzt, jedenfalls über die Art und Weise der Nutzung bestimmt und diese mit Tatherrschaft kontrolliert. Diese Annahme wird erschüttert und die Vermutungsgrundlage beseitigt, wenn Umstände feststehen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs -nämlich der Alleintäterschaft eines anderen Nutzers des Internetanschlusses- ergibt. Dafür wird es regelmäßig genügen, wenn Hausgenossen des Anschlussinhabers -wie der Ehegatte- selbständig auf den Internetzugang zugreifen können (OLG Köln, MMR 2012; 549)

Unstreitig hatte vorliegend die Lebensgefährtin des Beklagten uneingeschränkten Zugang zum Internetanschluss des Beklagten. Damit besteht die ernsthafte Möglichkeit, dass diese den Film zum Herunterladen im Internet bereitgestellt hat. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass der Beklagte vorträgt, seine Lebensgefährtin habe die Rechtsverletzung ebenso wenig wie er begangen. Darin ist nicht der generelle Ausschluss einer in Betracht kommenden Täterschaft der Lebensgefährtin zu sehen. Der Beklagte hat nämlich in erster Linie bestritten, dass die Rechtsverletzung überhaupt über seinen Internetanschluss begangen worden ist. Dazu hat er vorgetragen, weder er noch seine Lebensgefährtin hätten den Film zum Herunterladen bereitgestellt. Für den Fall, dass die Urheberrechtsverletzung doch über den Anschluss des Beklagten begangen worden ist, wollte der Beklagte durch seinen Vortrag aufzeigen, dass nicht nur er, sondern auch seine Lebensgefährtin Zugang zum Internetanschluss hatte und damit ebenso als Täter in Betracht kommt.

Eine Haftung der Beklagten als Teilnehmer einer fremden Haupttat (vgl. §§ 26, 27 StGB, § 830 Abs. 2 BGB) scheitert am Erfordernis des Vorsatzes. Die Klägerin hat nichts vorgetragen, woraus sich auf einen etwaigen Vorsatz der Beklagten schließen ließe.

Ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung oder des gefahrerhöhenden Verhaltens aus einer Verletzung einer Verkehrspflicht.

Als Störer kann gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog bei der Verletzung absoluter Rechte derjenige auf Unterlassung in Anspruch genommen werden der, ohne Täter oder Teilnehmer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt (BGH, GRUR 2011, 152). Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (BGH, GRUR 2004, 438). Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die die Rechtsgutsverletzung nicht selbst vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere Prüfpflichten, voraus. Das Vorliegen einer Prüfpflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Funktion und Aufgabenstellung des in Anspruch Genommenen mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die Rechtsgutsverletzung selbst unmittelbar vorgenommen hat (BGH, GRUR 2010, 633; BGH, GRUR 2011, 1038). Eine Prüfpflicht kann bereits mit Inbetriebnahme einer Technischen Einrichtung entstehen, setzt dann aber eine schon dadurch eintretende Gefährdung absoluter Rechtsgüter Dritter voraus (BGH, GRUR 2010, 633; BGH, GRUR 2011, 321).

Selbst wenn man unterstellen würde, die Lebensgefährtin des Beklagten habe den Film zum Herunterladen ins Internet gestellt, bestünde keine solche Prüf- oder Kontrollpflicht des Beklagten gegenüber seiner Lebensgefährtin. In diesem Verhältnis bestehen keine vergleichbaren Prüf- und Kontrollpflichten wie sie z. B. im Verhältnis der Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern bestehen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Nutzung des eBay-Mitgliedskontos eines Ehegatten. Im vorliegenden Fall gelten andere Maßstäbe, da beide Konstellationen nicht miteinander vergleichbar sind. Es geht vorliegend nicht um die Abwicklung von Rechtsgeschäften übers Internet, dessen Nutzung bereits für sich genommen eine gewisse erhöhte Gefahr für die Rechtsgüter anderer darstellt. Vielmehr geht es um die Nutzung eines auf den Namen des anderen Ehegatten laufenden Internetanschlusses, der genau wie ein Telefonanschluss, regelmäßig von beiden Ehegatten genutzt wird (OLG Köln, MMR 2012, 549).

Aus den vorstehenden Gründen ergibt sich zugleich, dass kein relevantes gefahrerhöhendes Verhalten in Sinne einer Verletzung von Verkehrspflichten vorliegt, das eine Haftung begründen könnte (BGH, GRUR 2007, 890; BGH, I ZR 150/09).

Eine Haftung ergibt sich auch nicht aus einer Verletzung der Sicherungspflichten bezüglich des Internetanschlusses. Der Kläger hat nicht substantiiert dazu vorgetragen, dass eine Verletzung der Sicherungspflichten bezüglich des WLAN-Routers seitens des Beklagten vorlag.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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