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Internet-Bewertungsplattform – positiver und negativer Äußerungen – Eingriff in eingerichteten Gewerbebetrieb

LG Berlin, Az.: 27 O 748/13

Urteil vom 27.03.2014

1. Die einstweilige Verfügung vom 12.12.2013 wird aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Antragsteller wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Internet-Bewertungsplattform - positiver und negativer Äußerungen – Eingriff in eingerichteten Gewerbebetrieb
Symbolfoto: marchmeena/bigstock

Der Antragsteller betreibt den Friseursalon „… & Makeup“. Er schloss im Jahr 2008 mit der … GmbH, die im Internet eine Bewertungsplattform betrieb, einen Vertrag als sogenannter Premium Partner. Für die Vertragsbedingungen wird Bezug genommen auf die Anlage ASt 5. Für die damals geltenden Regeln der … GmbH für Bewertungen auf der Plattform wird Bezug genommen auf die nicht genauer bezeichnete Anlage zum Schriftsatz des Antragstellers vom 11.12.2013. Seit März 2008 wurden Bewertungen über die Dienstleistungen des Antragstellers auf www…..de veröffentlicht.

Die … GmbH wurde Ende 2012 durch die Muttergesellschaft der Antragsgegnerin, die … Inc., übernommen. Die … Inc. betrieb ein ähnliches Geschäftsmodell wie die … GmbH. Die auf www…. .de befindlichen Inhalte wurden im Laufe des Jahres 2013 in die von der Antragsgegnerin, die ihren Sitz in Dublin/Irland hat, betriebenen Internetseite www…..de integriert. Am 31.10.2013 wurde die Internetseite www…..de abgeschaltet und Besucher direkt auf die Seite www…..de weitergeleitet. Auf der Seite www…..de können nur registrierte Nutzer ihre Erfahrungen mit Geschäftsbetrieben schildern und mit einem Punktwert benoten. Die von der Antragsgegnerin verwendete Software unterscheidet bei der Anzeige der Beiträge zwischen „empfohlenen“ und „momentan nicht empfohlenen“ Beiträgen, wobei letztere in die Ermittlung der Durchschnittsbewertung nicht einfließen und nur auf einer über einen Link zu erreichenden Unterseite veröffentlicht werden. Für die auf www…..de unter „Häufig gestellte Fragen“ vorgehaltenen Informationen dazu wird Bezug genommen auf die Anlage AG 2. Für den Inhalt der Nutzungsbedingungen der Antragsgegnerin wird Bezug genommen auf die Anlage AG 13; für den Inhalt der Inhaltsrichtlinien für die Nutzerbeiträge wird Bezug genommen auf die Anlage AG 14. Als Geschäftsinhaber registrierte Unternehmen können Stellung zu Bewertungen nehmen, Fotos und weitere Informationen zu dem betreffenden Unternehmenseintrag hinzufügen sowie Zugriffsstatistiken abrufen.

Am 28.11.2013 waren auf dem Profil des Antragstellers auf www…..de von 82 Kommentaren 71 Beiträge als „momentan nicht empfohlen“ gekennzeichnet und aus der Berechnung der Gesamtbewertung des Betriebes des Antragstellers ausgeschlossen. Für den weiteren Inhalt der Seite zu diesem Zeitpunkt wird Bezug genommen auf das als Anlage 2 zu dem Schriftsatz des Antragstellers vom 29.11.2013 eingereichte Anlagenkonvolut.

Nach vergeblicher anwaltlicher Abmahnung erwirkte der Antragsteller am 12.12.2013 eine einstweilige Verfügung mit folgendem Tenor:

„…1. Der Antragsgegner wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der

Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen am Geschäftsführer, untersagt, im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland auf www…..de

a) Bewertungen des Antragstellers als „nicht empfohlene Beiträge“ in andere Art und Weise anzuzeigen als empfohlene Beiträge,

b) die als „nicht empfohlene Beiträge“ gekennzeichneten Beiträge bei der Gesamtbewertung des Antragstellers nicht zu berücksichtigen…“.

Der Antragsteller loggte sich jedenfalls noch am 21.2.2014 auf www…..de als Geschäftsinhaber ein. Für den Inhalt der Login-Seite wird Bezug genommen auf die Anlage AG 16.

Gegen die einstweilige Verfügung richtet sich der Widerspruch der Antragsgegnerin. Sie rügt die Zuständigkeit des Landgerichts Berlin, da sich aus ihren beim Login akzeptierten AGB (Anlage AG 13) die Geltung irischen Rechts sowie des Gerichtsstandes Dublin ergebe. Es bestehe schon kein Verfügungsgrund, da nicht glaubhaft gemacht sei, seit wann der Antragsteller Kenntnis von den geänderten Bewertungen habe. Vertragliche Ansprüche des Antragstellers bestünden nicht, da die Art und Weise der Darstellung von Nutzerbewertungen nicht Gegenstand des vertraglichen Verhältnisses der Parteien seien. Sie falle als Dienstanbieterin mit Sitz in Irland in den Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 TMG. Nach irischem Recht bestehe aber mangels Existenz einer dem deutschen allgemeinen Persönlichkeitsrecht vergleichbaren Rechtsfigur kein Unterlassungsanspruch, wie durch das Gutachten des Solicitors Kelly (Anlage AG 18) glaubhaft gemacht werde. Wegen der Sperrwirkung des § 3 Abs. 2 TMG dürfe auch durch ein deutsches Gericht ein solcher Anspruch nicht zugesprochen werden. Auch nach deutschem Recht bestehe aber kein Unterlassungsanspruch, da es sich bei der Differenzierung zwischen „empfohlenen“ und „momentan nicht empfohlenen“ Beiträgen ebenso wie bei der Nichtberücksichtigung der letzteren

für die Punktbewertung um eine Meinungsäußerung handele. Ihre Meinungsäußerungsfreiheit überwiege einen etwaigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers, da das Portal einen Beitrag zur Markttransparenz leiste und die Unterscheidung zwischen „empfohlenen“ und „momentan nicht empfohlenen“ Bewertungen dazu diene, gefälschte und beeinflusste Bewertungen zu verhindern. Der Umstand, dass es sich um früher auf … veröffentlichte Bewertungen handele, ändere daran nichts, da andernfalls das Bewertungsbild von … den einzelnen Bewertungen rechtlich anhaften müsste. Der Tenor der einstweiligen Verfügung sei zudem zu unbestimmt.

Die Antragsgegnerin beantragt, die einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin vom 12.12.2013 (27 O 748/13) aufzuheben.

Der Antragsteller beantragt, die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Er ist der Ansicht, deutsches Recht sei anwendbar, auch wenn die Antragsgegnerin sich hinter irischem Recht zu verstecken suche. Die Anzeige von 71 mehrheitlich günstigen Kommentaren nur noch auf einer Unterseite sowie deren Ausschluss aus der Bewertung sei massiv geschäftsschädigend. Die Antragsgegnerin müsse sich als Anbieter eines Bewertungsportals neutral verhalten und jeden filternden Eingriff ohne hinreichende Begründung unterlassen. Nach welchen Kriterien die Filter der Antragsgegnerin arbeiteten, sei völlig intransparent; ein Algorithmus sei nicht grundrechtsfähig im Sinne der Meinungsfreiheit. … habe sich nur vorbehalten, Bewertungen zu sperren, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte der Verdacht bestehe, dass gegen gesetzliche Bestimmungen oder die Nutzungsbestimmungen verstoßen werde. … habe sich damit diametral anders verhalten als die Antragsgegnerin, die Verfasser nur eines Beitrages erst einmal per se als unglaubwürdig betrachtet. Auffällig sei, dass keiner der Negativbeiträge unter die nicht empfohlenen Beiträge sortiert wurde, so dass diese Beiträge eindeutig überrepräsentiert seien. Es sei viel naheliegender, Nutzer mit vielen Beiträgen als manipulativ einzuordnen als solche, die mit einigen wenigen Beiträgen ihre ehrliche Meinung äußern. Es sei auch nicht ausgeschlossen, dass die Antragsgegnerin die zahlenden Kunden bevorzuge.

Für das weitere Vorbringen der Parteien wird Bezug genommen auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe

Die einstweilige Verfügung ist aufzuheben und der Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen, da ein Verfügungsanspruch nicht besteht, §§ 935, 936, 925 Abs. 2 ZPO. Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin keinen Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, es zu unterlassen, Bewertungen des Antragstellers als „nicht empfohlene Beiträge“ in anderer Art und Weise anzuzeigen als „empfohlene Beiträge“ und diese bei der Gesamtbewertung des Antragstellers nicht zu berücksichtigen.

1. Das Landgericht Berlin ist für die Entscheidung des Rechtsstreits örtlich gemäß § 32 ZPO und international gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO zuständig, da der Antragsteller sein Begehren vorrangig auf den deliktischen Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. GG stützt. Schon nach dem Vortrag der Antragsgegnerin liegt keine wirksame, den Anforderungen des Art 23 EuGVVO genügende Gerichtsstandsvereinbarung vor, die auch deliktische Anspruchsgrundlagen umfasst. Das bloße Einloggen unter Akzeptanz der … Nutzungsbedingungen, die in Ziffer 13 die ausschließliche Gerichtsbarkeit irischer Gerichte vorsehen, entspricht nicht den Formvorschriften des Art. 23 Abs. 1 a) bis c) EuGVVO; dass eine entsprechende zwischen den Parteien entstandene Gepflogenheit bzw. ein entsprechender internationaler Handelsbrauch besteht, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Zwar sind gemäß Artikel 23 Abs. 2 EuGVVO elektronische Übermittlungen der Schriftform gleichgestellt; dies gilt aber nur, wenn sie eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen, was bei einem bloßen Einloggen ohne gleichzeitigen Ausdruck oder Speicherung der Nutzungsbedingungen auf dem Rechner des Antragstellers nicht der Fall ist. Im Übrigen können im hier vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß Art. 31 EuGVVO einstweilige Maßnahmen ohnehin bei Gerichten im Land des Antragstellers beantragt werden, da die dafür erforderliche reale Verbindung des begehrten einstweiligen Rechtsschutzes zum Gerichtsstaat besteht (vgl. Zöller-Geimer, 30. Auflage, Art. 31 EuGVVO Rn. 7 m.w.N.).

2. Der Antrag ist auch zulässig. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH muss der Kläger bei der Verfolgung eines einheitlichen Klagebegehrens, das aus mehreren prozessualen Ansprüchen (Streitgegenstände) hergeleitet wird, um dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu genügen, die Reihenfolge bezeichnen, in der er die Streitgegenstände geltend machen will. Der Streitgegenstand (der prozessuale Anspruch) wird bestimmt durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. BGH v. 24.3.2011, I ZR 108/09, zitiert nach juris). Hier hat der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass er den geltend gemachten Anspruch vorrangig auf § 823 Abs. 1 BGB, also eine unerlaubte Handlung der Antragsgegnerin, stützt, und lediglich hilfsweise auch auf Vertrag. Damit hat der Antragsteller ausreichend die Reihenfolge bezeichnet, in der er die Streitgegenstände geltend machen will.

3. Es liegt auch ein Verfügungsgrund vor. Die Internetseite www…..de wurde am 31.10.2013 abgeschaltet und Besucher seitdem auf die Internetseite der Antragsgegnerin umgeleitet. Vorher bestand für den Antragsteller kein Anlass, sich mit der Darstellung seines Betriebes auf www…..de zu befassen. Der Verfügungsantrag ist am 29.11.2013 und damit innerhalb der nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer und des Kammergerichts im Äußerungsrecht bestehenden Frist von einem Monat nach Kenntnis von der beanstandeten Äußerung eingegangen. Die nach Ablauf dieser Frist möglicherweise anzunehmende Selbstwiderlegung der Dringlichkeit kommt daher hier nicht in Betracht.

4. Der Entscheidung ist, sofern der Betroffene dies wie hier geltend macht, grundsätzlich deutsches Recht als das Recht desjenigen Staates zugrunde zu legen, in dem der deliktische Erfolg eingetreten ist, Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB.

5. Der Antragsteller hat aber gegen die Antragsgegnerin keinen Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, es zu unterlassen, Bewertungen des Antragstellers als „nicht empfohlene Beiträge in anderer Art und Weise anzuzeigen als „empfohlene Beiträge“ und diese bei der Gesamtbewertung des Antragstellers nicht zu berücksichtigen.

a) Die Darstellungen der Antragsgegnerin auf ihrer Internetseite sind allerdings geeignet, unternehmensbezogene Interessen des Antragstellers zu beeinträchtigen. Da eine Vielzahl positiver Bewertungen nun als „momentan nicht empfohlen“ nur auf einer Unterseite angezeigt werden und die durchschnittliche Punktzahl aufgrund der unterbleibenden Berücksichtigung dieser Bewertungen bei der Gesamtbewertung gesunken ist, kann das unternehmerische Ansehen des Antragstellers in der Öffentlichkeit beeinträchtigt werden und ihm damit auch wirtschaftlicher Schaden entstehen. Diese unternehmensbezogenen Interessen des Antragstellers werden sowohl durch sein Persönlichkeitsrecht als auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geschützt. Ihnen kommt über Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 12 GG zugleich verfassungsrechtlicher Schutz zu. Um die Zulässigkeit einer unternehmensbezogene Belange beeinträchtigenden Äußerung zu beurteilen, sind die betroffenen Interessen einander in einer umfassenden Abwägung zuzuordnen, bei der alle wesentlichen Umstände zu berücksichtigen sind. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Interessen- und Güterabwägung mit der im Einzelfall konkret kollidierenden Interessensphäre anderer ergeben. Gleiches gilt für das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers. Bei dieser Abwägung sind die betroffenen Grundrechte interpretationsleitend zu berücksichtigen. Bei Tatsachenbehauptungen hängt die Abwägung in erster Linie vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Aussagen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (BGH v. 11.3.2008, VI ZR 7/07, juris Rn. 9 ff. m.w.N.). Bei wertenden Äußerungen treten die Belange des Persönlichkeitsschutzes gegenüber der Meinungsfreiheit grundsätzlich zurück, es sei denn die in Frage stehende Äußerung stellt sich als Schmähkritik oder Formalbeleidigung dar oder enthält einen Angriff auf die Menschenwürde des Betroffenen. In anderen Fällen bedarf es einer abwägenden Prüfung im Einzelfall, ob die Vermutung für die Freiheit der Rede durch gegenläufige Belange des Persönlichkeitsschutzes überwunden wird (BVerfG v. 24.5.2006, 1 BvR 2031/00, juris Rn. 64). Äußerungen zu der Sozialsphäre desjenigen, über den berichtet wird, dürfen nur im Falle schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen verknüpft werden, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sind. In der beruflichen Sphäre muss sich der Einzelne von vornherein auf die Beobachtung seines Verhaltens durch eine breitere Öffentlichkeit wegen der Wirkungen, die seine Tätigkeit hier für andere hat, einstellen. Wer sich im Wirtschaftsleben betätigt, setzt sich in erheblichem Umfang der Kritik an seinen Leistungen aus (BGH v. 21.11.2006, VI ZR 259/05, juris Rn. 13 f.). Tatsachenbehauptungen unterscheiden sich von Werturteilen dadurch, dass bei diesen die subjektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit im Vordergrund steht, während für jene die objektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Äußerung charakteristisch ist. Für die Einstufung als Tatsachenbehauptung kommt es wesentlich darauf an, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist, was bei Meinungsäußerungen ausscheidet, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet werden und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen. Für die Ermittlung des Aussagegehalts einer Äußerung ist darauf abzustellen, wie sie unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs von einem unvoreingenommenen Durchschnittsleser verstanden wird, wobei eine isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils regelmäßig nicht zulässig ist, sondern auch der sprachliche Kontext und die sonstigen erkennbaren Begleitumstände zu berücksichtigen sind (BGH v. 16.11.2004, VI ZR 298/03, juris Rn. 24 m.w.N.). Eine Äußerung fällt insgesamt in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, wenn sie sich als Zusammenspiel von Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerung darstellt und hierbei in entscheidender Weise durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt wird. Hierfür ist nicht ausschlaggebend, ob ein mit einem Klageantrag abgetrennter Teil der Äußerung ausschließlich Behauptungen tatsächlicher Art enthält. Vielmehr ist die gesamte Äußerung dahin zu würdigen, ob sie dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zu unterstellen ist (BGH v. 2.12.2008, VI ZR 219/06, juris Rn. 14 m.w.N.). Es ist aber verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, bei einer Meinungsäußerung, die wertende und tatsächliche Bestandteile enthält, im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, dass die Tatsachenbehauptung, auf der die Wertung aufbaut, unrichtig ist und die Äußerung deshalb gegenüber einem kollidierenden Schutzgut, hier dem Ruf der Betroffenen, zurücktreten zu lassen (BVerfG v. 16.7.2003, 1 BvS 1172/99, juris Rn. 26).

b) Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei der Differenzierung der Antragsgegnerin zwischen „empfohlenen“ und „momentan nicht empfohlenen“ Beiträgen um eine Meinungsäußerung. Die Frage, ob ein Beitrag empfohlen wird oder nicht, ist ersichtlich durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt und nicht dem Beweis zugänglich. Das gleiche gilt für die Nichtberücksichtigung der „momentan nicht empfohlenen“ Beiträge für die Gesamtbewertung des Antragstellers. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Unterscheidung durch das auf einem Algorithmus beruhenden Computerprogramm der Antragsgegnerin vorgenommen wird, da diese jedenfalls durch die entsprechende Programmierung des Programms von ihrer Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht hat. Zwar könnte die Anzeige der dreieinhalb Punkte auf dem Profil des Antragstellers auch als Tatsachenbehauptung dahingehend verstanden werden, der Betrieb des Antragstellers sei von allen …-Nutzern im Schnitt mit dreieinhalb Punkten bewertet worden. Das wäre eine falsche Tatsachenbehauptung, da sich unter Berücksichtigung der vielen positiven Bewertungen unter den „momentan nicht empfohlenen“ Beiträgen, die nicht bei der Gesamtbewertung berücksichtigt werden, eine höhere Punktzahl ergeben dürfte. Im Vergleich zu der früheren Bewertung bei … dürfte daher eine Verschlechterung vorliegen. Aus den Erläuterungen zu den zunächst angezeigten „empfohlenen“ Beiträgen (vgl. Anlage Ast 10) direkt auf dem Profil des Antragstellers sowie aus den umfangreichen Erläuterungen in der Rubrik „Häufig gestellte Fragen“ wird einem unvoreingenommenen Benutzer der Internetseite aber deutlich, dass insoweit die Antragsgegnerin lediglich eine Auswahl nach Maßgabe ihrer Empfehlungssoftware getroffen hat. Der Nutzer kann sich die „momentan nicht empfohlenen“ Beiträge auch anzeigen lassen und selbst in die Bewertung des Antragstellers einbeziehen. Auch die angezeigte Gesamtbewertung des Antragstellers stellt sich daher für einen unvoreingenommenen Benutzer der Internetseite als Meinungsäußerung der Antragsgegnerin dar, die deutlich macht, nur einen Teil der Kommentare für die Gesamtbewertung zu berücksichtigen.

c) Nach Abwägung des Rechts des Antragstellers auf Schutz seiner Persönlichkeit bzw. seines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes mit dem der Antragsgegnerin, die als juristische Person eines EU-Staates Grundrechtsträgerin ist (vgl. BVerfG v. 19.7.2011, 1 BvR 1916/09, zitiert nach juris), zustehenden Grundrecht auf Meinungsfreiheit überwiegt hier das Interesse der Antragsgegnerin. Anders als in einem von der Kammer bereits entschiedenen ähnlichen Fall (vgl. LG Berlin v. 24.5.2012, 27 O 864/11, zitiert nach juris) ist es hier nicht so, dass für die von der Antragsgegnerin verbreiteten Werturteile über den Betrieb des Antragstellers keine tatsächlichen Grundlagen vorhanden sind und die Kritik mangels einer solchen Grundlage als vollends willkürlich erscheint. Schon aus den weiteren auf der Internetseite der Antragsgegnerin mitgeteilten Informationen ergibt sich, dass die Antragsgegnerin durch den Einsatz ihrer Empfehlungssoftware ein berechtigtes Anliegen verfolgt, nämlich die reale Gefahr gefälschter Bewertungen bzw. von Gefälligkeitsbewertungen zu verringern. Dass die Software willkürlich arbeitet, ist nicht ersichtlich. So legt die Antragsgegnerin dar, dass im Fall des Antragstellers allein 27 Bewertungen als „momentan nicht empfohlen“ herausgefiltert wurden, die 5 Sterne enthielten und von Personen verfasst wurden, die keine weiteren „Freunde“ auf der Plattform hatten und keine weiteren Kommentare verfasst hatten. Die Annahme, dass es sich bei solchen einmaligen überaus positiven Beiträgen eher um Gefälligkeiten für den Geschäftsinhaber oder sogar um Fälschungen handeln kann, ist jedenfalls vertretbar; genauso wie auch die Auffassung des Antragstellers vertretbar ist, dass Beiträge von Vielnutzern eher unglaubwürdiger seien. Sofern die Antragsgegnerin anders als früher bei … nun in ihren Nutzungsrichtlinien nicht mehr vorsieht, dass Geschäftsinhaber Kunden dazu bewegen sollen, Beiträge zu schreiben, und dies dazu führt, dass solche Beiträge bei der Bewertung unberücksichtigt bleiben, ist auch dies nicht willkürlich, sondern ein Versuch, die Gesamtbewertungen auf eine objektivere und damit verlässlichere Grundlage zu stellen. Die Antragsgegnerin ist auch nicht verpflichtet, im Einzelnen die Funktionsweise ihrer Empfehlungssoftware darzulegen. Nach der Rechtsprechung des BGH sind ehrverletzende Werturteile nicht schon deshalb unzulässig, weil dem Leser nicht gleichzeitig Tatsachen mitgeteilt werden, die ihm eine kritische Beurteilung der Wertung ermöglichen (vgl. BGH v. 18.6.1974, VI ZR 16/73, juris LS. 1). Hier wird bereits durch die auf der Internetseite der Antragsgegnerin bereit gehaltenen Informationen das Wirkungsprinzip der Empfehlungssoftware deutlich; jedenfalls hat die Antragsgegnerin nun ausführlich in ihrem Schriftsatz vom 13.3.2014 dazu vorgetragen, so dass genügend Tatsachen für die Beurteilung vorliegen, dass die Grenze zur Willkür nicht überschritten ist. Auch aus anderen Gründen stellen sich die Meinungsäußerungen nicht als unzulässig dar. Der Antragsteller mag schlechter bewertet werden als zuvor bei …; er erhält aber immer noch mehrheitlich positive Kommentare, so dass von einer Anprangerung oder Schmähkritik keine Rede sein kann. Seine Vermutung, dass die Software durch die Antragsgegnerin deshalb benutzt wird, um die Bewertung der Betriebe zu verschlechtern und ihnen deshalb besser Anzeigen oder Hilfe bei der Verbesserung der Bewertung verkaufen zu können, hat der Antragsteller nicht durch Tatsachen glaubhaft gemacht.

d) Sind die Äußerungen der Antragsgegnerin damit bereits nach deutschem Recht zulässig, kommt es nicht mehr darauf an, ob gemäß § 3 Abs. 2 TMG einem Verbot in Deutschland die Zulässigkeit nach irischem Recht entgegensteht. Dafür spricht hier das von der Antragsgegnerin eingereichte Rechtsgutachten (Anlage AG 18), zu dem der Antragsteller keine Stellung genommen hat. Die Einholung eines Rechtsgutachtens durch einen vom Gericht zu beauftragenden Sachverständigen oder von Auskünften irischer Behörden verbieten sich im einstweiligen Verfügungsverfahren, §§ 936, 920 Abs. 2, 294 Abs. 2 ZPO, so dass etwaige verbleibende Zweifel hinsichtlich des irischen Rechts ohnehin zu Lasten des Antragstellers gingen (vgl. LG Berlin v. 24.5.2012, 27 O 864/11, juris Rn. 87 m.w.N.).

6. Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin auch keinen vertraglichen Anspruch, es zu unterlassen, Bewertungen des Antragstellers als „nicht empfohlene Beiträge in anderer Art und Weise anzuzeigen als „empfohlene Beiträge“ und diese bei der Gesamtbewertung des Antragstellers nicht zu berücksichtigen. Dabei kann dahin stehen, ob sich ein derartiger Anspruch aus den vertraglich mit der … GmbH im Jahr 2008 vereinbarten Bedingungen ergibt; insbesondere ob es danach einen Anspruch des Antragstellers gibt, dass nur entgegen den …-Richtlinien verfasste Beiträge gelöscht bzw. bei der Bewertung nicht berücksichtigt werden dürfen. Denn die Antragsgegnerin hat in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen, dass die … GmbH alle Verträge mit dem Antragsteller gekündigt und dieser sich als Geschäftsinhaber auf der Internetseite www…..de neu angemeldet hat. Etwaige vertragliche Ansprüche des Antragstellers können sich daher nur aus den Vereinbarungen mit der Antragsgegnerin ergeben. Der Nutzungsbedingungen bzw. Inhaltsrichtlinien sehen aber gerade vor, dass die Antragsgegnerin zwischen empfohlenen und momentan nicht empfohlenen Beiträgen differenziert und nur die empfohlenen Beiträge bei der Bewertung berücksichtigt. Eine Unwirksamkeit dieser Bestimmungen ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

7. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 6, 711 ZPO.

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