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Facebook-Account – persönlichkeitsrechtverletzender Äußerungen von Dritten

LG Frankfurt – Az.: 2-03 O 127/18 – Urteil vom 13.09.2018

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu € 250.000,-, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, zu unterlassen,

in Bezug auf den Kläger wörtlich oder sinngemäß zu behaupten/behaupten zu lassen oder zu verbreiten/verbreiten zu lassen:

„Ansonsten beschreibst du genau das Vorgehen von US, der nachweislich mit versprochenen Jobs Stimmen sammeln wollte.“

wenn dies geschieht, wie auf Facebook (vgl. Screenshot; Anlage K1)

– Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 597,74 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 10.03.2018 sowie weitere € 1.029,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 12.05.2018 zu zahlen.

– Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

– Die Kosten des hat die Beklagte zu tragen.

– Das Urteil ist hinsichtlich des Ausspruchs zu I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe € 15.000,-, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche wegen einer Äußerung auf Facebook.

Der Kläger ist Mitglied der Partei AfD und Mitglied des Deutschen Bundestages. Die Beklagte war bzw. ist Mitglied der AfD.

Der Kläger und die Beklagte nahmen am 21./22.12.2016 an einer Diskussion in einer Facebook-Gruppe teil, an der neben den hiesigen Parteien mehrere Personen, u.a. der Ehemann der Beklagten (…), beteiligt waren.

Der Kläger verfasste am 21.12.2016 um 18:46h einen Post, der mit „Weihnachtsgrüße der hl. Hess. Konventsmitglieder!“ begann und in dem er Kritik an anderen Parteimitgliedern übte, u.a. einem „Koll. … …“. Es entspann sich über mehrere Stunden hinweg eine rege Diskussion, an der sich insbesondere der Kläger und der Ehemann der Beklagten mehrfach gegenseitig ansprachen.

Darin (Anlage B2, Bl. 35 ff. d.A.) heißt es u.a.

„[ … , Bl. 48 d.A.] Es ist schon eine dreiste Unverschämtheit, wie … die Dinge hier wieder mal verdreht. … Die Beleidigungen von … , … wer lesen kann, hat hier viele Möglichkeiten, sich ein Bild über US zu machen. … Ich habe langsam den Eindruck, (XYZ) will gegen die AfD arbeiten …

[… … , Bl. 48 d.A.] So ein schwaches Argument … Einen Eindruck zu haben, dass (XYZ) gegen die AfD arbeitet, um Erfolge zu verhindern …

[… …, Bl. 48 d.A.] Die Zeit mag es nicht möglich gemacht haben, jedoch von (XYZ) anzunehmen er würde gegen die AfD arbeiten …

[… , Bl. 52 d.A.] Dann kommen noch die „Lohnschreiber“, ich benutze hier dieses von (XYZ) damals verwandte Wort, …

[Beklagte, Bl. 53 d.A.] Ansonsten beschreibst Du genau das Vorgehen von (XYZ), der nachweislich mit versprochenen Jobs Stimmen sammeln wollte.

[Kläger, Bl. 53 d.A.] Welcher „XYZ“ ist hier gemeint, … … ?“

Der Kläger hatte zuvor den Terminus „Lohnschreiber“ in einem Diskurs geprägt.

Der Kläger fragte zunächst mittels einer privaten Nachricht an die Beklagte, dann auch öffentlich unter dem Beitrag (s.o.) nach, wer mit „XYZ“ gemeint sei.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 03.01.2017 ließ der Kläger die Beklagte erfolglos abmahnen und setzte eine Frist zur Begleichung der Anwaltsgebühren bis zum 20.01.2017 (Anlage K2, Bl. 10 d. A.).

Auf den Antrag des Klägers erließ die Kammer (Az. 2-03 O 24/17) gegen die Beklagte am 23.01.2017 eine einstweilige Verfügung, mit der der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt wurde,

in Bezug auf den Kläger wörtlich oder sinngemäß zu behaupten/behaupten zu lassen oder zu verbreiten/verbreiten zu lassen:

„Ansonsten beschreibst du genau das Vorgehen von XYZ, der nachweislich mit versprochenen Jobs Stimmen sammeln wollte.“

wenn dies geschieht, wie auf Facebook (vgl. Screenshot; Anlage Ast1)

Nach Zustellung der einstweiligen Verfügung am 03.02.2017 ließ der Kläger die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 02.03.2018 unter Fristsetzung bis zum 09.03.2018 ebenfalls erfolglos zur Abgabe einer Abschlusserklärung auffordern (Anlage K3, Bl. 12 d. A.), wobei er auch die Zahlung der Kosten verlangte.

Der Kläger trägt vor, dass er nicht mit versprochenen Jobs Stimmen habe sammeln wollen.

Der Kläger behauptet, die streitgegenständliche Äußerung sei in einer Facebook-Gruppe mit 350-400 aktiven Mitgliedern gefallen. Mitglied der Gruppe habe man werden können, wenn man eine Anfrage stellte und behauptete, AfD-Mitglied zu sein.

Der Kläger ist der Auffassung, die streitgegenständliche Äußerung verletze ihn rechtswidrig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Er sei durch die Verwendung des Kürzels „XYZ“ im Gesamtkontext der vorgelegten Diskussion erkennbar.

Die Beklagte hafte für die streitgegenständliche Äußerung. Selbst wenn diese von ihrem Ehemann stamme, habe sie sich die Äußerung zu eigen gemacht. Sie hafte auch, weil sie ihren Facebook-Account eingeloggt hinterlassen habe. Der Kläger trägt insoweit vor, dass es sich beim Vortrag der Beklagten, nicht die Beklagte sondern ihr Ehemann hätte den streitgegenständlichen Beitrag verfasst, um einen prozessualen Trick des Ehemanns der Beklagten handeln dürfe, der Rechtsanwalt ist und in der Vergangenheit wiederholt mit derartigen Unwahrheiten agiert habe. Gleiches gelte auch für die Beklagte, die sich in vergleichbaren Schmutzkampagnen wiederholt hervorgetan habe.

Der Kläger beantragt mit seiner am 11.05.2018 zugestellten Klage, die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu € 250.000,-, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, zu unterlassen, in Bezug auf den Kläger wörtlich oder sinngemäß zu behaupten/behaupten zu lassen oder zu verbreiten/verbreiten zu lassen:

„Ansonsten beschreibst du genau das Vorgehen von (XYZ), der nachweislich mit versprochenen Jobs Stimmen sammeln wollte.“

wenn dies geschieht, wie auf Facebook (vgl. Screenshot; Anlage K1)

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 597,74 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 22.01.2018 sowie weitere € 1.029,35 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 19.03.2018 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, es sei durchaus üblich, dass potentielle Kandidaten für Mandate im Bundestag oder im Landtag mit Parteikollegen die Frage erörterten, ob diese bereit wären, im Rahmen eines künftigen Abgeordnetenbüros einen Job zu übernehmen.

Die streitgegenständliche Äußerung stamme nicht von der Beklagten, sondern von ihrem Ehemann. Die Beklagte trägt insoweit vor, dass sie sich zum Zeitpunkt der im Internet ausgetragenen Debatte mit ihrem Ehemann und ihrer Familie in Kalifornien befunden habe. Sie und ihr Ehemann hätten sich über einen dort zur Verfügung gestellten Computer an der Internetdebatte beteiligt. Die Beklagte habe sich vor der streitgegenständlichen Äußerung in den Chat-Raum eingeloggt und ihr Ehemann habe dann versehentlich unter dem Nutzernamen der Beklagten geschrieben. Die Beklagte habe sich zum Zeitpunkt der Äußerung kurzzeitig in der Küche aufgehalten. Da in innerparteilichen und politischen Debatten die Beklagte und ihr Ehemann sehr häufig bzw. zumeist einer Meinung seien, schienen bis dato solche „Pannen“ verzeihlich und unbedeutend.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die streitgegenständliche Äußerung nicht ehrenrührig sei. Der Kläger habe durch seine Nachfrage, wer mit „XYZ“ gemeint sei, selbst zum Ausdruck gebracht, dass er sich nicht persönlich angesprochen und damit beeinträchtigt gefühlt habe. Die Beklagte hafte für die Äußerung nicht, da ihr Ehemann diese verfasst habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Die Akte zum einstweiligen Verfügungsverfahren der Kammer zwischen den Parteien zum Az. 2-03 O 24/17 war beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist bis auf einen Teil der begehrten Zinsen begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerung

„Ansonsten beschreibst du genau das Vorgehen von (XYZ), der nachweislich mit versprochenen Jobs Stimmen sammeln wollte.“

aus den §§ 823, 1004 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG (Antrag zu I.). Denn die Äußerung verletzt den Kläger rechtswidrig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Die Beklagte ist für die Äußerung auch passivlegitimiert.

Wegen der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH NJW 2016, 789 Rn. 20; BGH NJW 2016, 56 Rn. 29; BGH NJW 2014, 2029 Rn. 22; jew. m.w.N.).

Hier ist das Schutzinteresse aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG mit dem Recht auf Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK abzuwägen. Diese Abwägung fällt hier zu Lasten der Beklagten aus.

Bei der angegriffenen Äußerung handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung.

Bei der Frage, ob eine Äußerung ihrem Schwerpunkt nach als Tatsachenbehauptung oder als Meinungsäußerung anzusehen ist, kommt es entscheidend auf den Gesamtkontext der fraglichen Äußerung an (vgl. BVerfG AfP 2013, 389 , juris-Rn. 18). Von einer Tatsachenbehauptung ist auszugehen, wenn der Gehalt der Äußerung entsprechend dem Verständnis des Durchschnittsempfängers der objektiven Klärung zugänglich ist und als etwas Geschehenes grundsätzlich dem Beweis offen steht. Soweit eine Tatsachenbehauptung mit einem Werturteil verbunden ist bzw. beides ineinander übergeht, ist darauf abzustellen, was im Vordergrund steht und damit überwiegt. Wird eine Äußerung in entscheidender Weise durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt oder ist der tatsächliche Gehalt der Äußerung so substanzarm, dass er gegenüber dem Wertungscharakter in den Hintergrund tritt, liegt eine Meinungsäußerung vor. Vom Überwiegen des tatsächlichen Charakters ist auszugehen, wenn die Wertung sich als zusammenfassender Ausdruck von Tatsachenbehauptungen darstellt (vgl. Wenzel/Burkhardt, Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Kap. 4 Rn. 43, 50 ff.).

Hierbei sind Äußerungen entsprechend dem Verständnis des unbefangenen Durchschnittsempfängers zu interpretieren (Wenzel/Burkhardt, a.a.O., Kap. 4 Rn. 4; Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl. 2013, § 14 Rn. 4a; jew. m.w.N.).

Der streitgegenständlichen Äußerung ist zu entnehmen, dass der Kläger dritten Personen „Jobs“ angeboten haben soll, wenn diese in – nicht näher bezeichneten Umständen – für ihn oder entsprechend seinen Vorgaben stimmen würden. Es wird also eine Kommunikation des Klägers und diesen dritten Personen mit einem bestimmten Inhalt behauptet. Ob eine solche Unterredung stattgefunden hat, ist dem Beweis, z.B. durch Vernehmung der Gesprächspartner des Klägers, zugänglich. Dass es sich aus Sicht des Durchschnittsempfängers um eine Tatsachenbehauptung handelt, wird auch dadurch unterstrichen, dass in der Äußerung davon gesprochen wird, dass der Kläger „nachweislich“ mit versprochenen Jobs Stimmen habe sammeln wollen, dass also der Äußernde Belege für die Unterredungen hat und diese bei Bedarf vorbringen kann.

Der Kläger ist durch die Äußerung auch erkennbar.

Die Äußerung bezieht sich auf einen „XYZ“, verwendet also die Initialen des Klägers, der an der von den Parteien und weiteren Personen geführten Diskussion beteiligt war. Der Ehemann der Beklagten hatte bereits vor der streitgegenständlichen Äußerung das Kürzel verwendet, wobei er zunächst den vollen Namen – im Zusammenhang mit dem Vorwurf einer Beleidigung – und sodann das Kürzel verwendet hat. In diesem Zusammenhang hat jedenfalls der Ehemann der Beklagten das Kürzel erkennbar zur Bezeichnung des Klägers verwendet. Dies hat sodann insbesondere der Nutzer bzw. die Nutzerin „… …“ mehrfach aufgegriffen. Weiter hat die Kammer berücksichtigt, dass der Kläger – unstreitig – den Begriff des „Lohnschreibers“ geprägt hat, und der Ehemann der Beklagten ca. 15 Minuten vor der streitgegenständlichen Äußerung ausdrücklich das Kürzel „XYZ“ unter Bezugnahme auf die Prägung dieses Begriffs verwandt hat.

Die Äußerung ist unwahr und damit in Abwägung der widerstreitenden Interessen unzulässig.

Der Kläger hat mit seiner Klage in Abrede gestellt, dass er „mit versprochenen Jobs Stimmen [habe] sammeln“ wollen. Dem ist die Beklagte nicht entgegen getreten. Die Unwahrheit der Äußerung in der oben dargestellten Auslegung ist damit nach § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig anzusehen. Selbst wenn man dies nicht als unstreitig ansähe, läge die Beweislast insoweit bei der Beklagte, da es sich um eine ehrenrührige Tatsachenbehauptung handelt (vgl. Wenzel/Burkhardt, a.a.O., Kap. 12 Rn. 139; Soehring/Hoene, a.a.O., § 30 Rn. 23; jeweils m.w.N.). Insoweit wäre die Beklagte beweisfällig geblieben, so dass auch in diesem Fall von der Unwahrheit der streitgegenständlichen Behauptung auszugehen wäre. Denn der von der Beklagten angebotene Beweis durch Vernehmung des Präsidenten des Bundestages für die allgemeine Behauptung, neue Kandidaten würden vorab mit Dritten über mögliche Positionen und Jobs verhandeln, ist für die Wahrheit oder Unwahrheit der hier streitgegenständlichen Behauptung, dass konkret der Kläger Gespräche geführt hat, in denen es um das Verhalten bei Abstimmungen und Jobs gegangen sei, nicht ergiebig (s.u.).

An der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen besteht auch unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit grundsätzlich kein schützenswertes Interesse (BVerfG NJW 2012, 1643 Rn. 33 – Grüne Gentechnik; BGH NJW 2016, 56 Rn. 31).

Soweit die Beklagte einwendet, dass der Kläger durch die Äußerung nicht in seinem Persönlichkeitsrecht betroffen sei, folgt die Kammer dem nicht. Der Beklagten ist im Grundsatz zuzugeben, dass es das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht gebietet, dem Betroffenen einen Abwehranspruch zuzubilligen, soweit es um Tatsachenbehauptungen geht, die sich nicht in nennenswerter Weise auf das Persönlichkeitsbild des Betroffenen auswirken können (BVerfG NJW 2008, 747 ). Dementsprechend kann ein Anspruch auf Unterlassung von lediglich wertneutralen Falschmeldungen nicht geltend gemacht werden (OLG Köln NJW-RR 2006, 126 ; vgl. auch BGH NJW 2006, 609 Rn. 11), es müssen vielmehr weitere Umstände hinzutreten (Soehring/Hoene, a.a.O., § 18 Rn. 4 ff. m.w.N.).

Um eine solche wertneutrale Tatsache handelt es sich bei der streitgegenständlichen Behauptung jedoch nicht. Vielmehr liegt in der Äußerung aus Sicht des Durchschnittsbetrachters durchaus ein dem Kläger offen gemachter Vorwurf, nämlich der des Stimmenkaufs. Es ist dem Persönlichkeitsbild des Klägers auch abträglich, wenn ihm ein solcher, „nachweislicher“ Vorwurf gemacht wird. Denn dadurch wird dem Kläger unterstellt, er beeinflusse Wahlen bzw. Dritte mit unlauteren Mitteln.

Soweit die Beklagte sich darauf zurückzieht, dass es üblich sei, vor Wahlen mit potentiellen Kandidaten Gespräche über die Übernahme von Tätigkeiten zu führen, liegt dies hier neben der Sache. Denn zum einen sagt dies nichts darüber aus, ob der Kläger ein solches Verhalten an den Tag gelegt hat. Zum anderen enthält die Äußerung gerade den dem Kläger gemachten Vorwurf, er verknüpfe Gespräche über die Annahme einer Tätigkeit mit dem Stimmverhalten des potentiellen Kandidaten und nehme damit – unlauter – Einfluss auf das Stimmverhalten seiner Gesprächspartner. Dass es sich insoweit um einen Vorwurf handelt, ist im Übrigen auch dem Gesamtkontext der Diskussion, wie vorgelegt in Anlage B1, Bl. 35 ff. d.A., zu entnehmen. Denn in dieser Diskussion sind wiederholte Anwürfe zu finden, so dass dem Durchschnittsleser offenbar wird, dass durch die streitgegenständliche Äußerung der Kläger als Person getroffen werden soll.

Der Unzulässigkeit der Äußerung steht es auch nicht entgegen, dass die Äußerung lediglich in einem geschlossenen Forum getätigt wurde. Unabhängig davon, ob es hierauf ankommt, waren auch ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Anlage B1 (Bl. 35 ff.) eine Mehrzahl von Personen an der Diskussion beteiligt. Ob, wie vom Kläger behauptet, die Benutzergruppe 350-400 Personen umfasste und nur nach einem wie auch immer gearteten, zwischen den Parteien streitigen, Aufnahmeantrag zugänglich war, ist insoweit unbeachtlich.

Die Beklagte ist auch passivlegitimiert, sie haftet für die streitgegenständliche Äußerung jedenfalls als Störerin. Es kann daher im Ergebnis offen bleiben, ob die Äußerung durch die Beklagte oder ihren Ehemann getätigt worden ist.

Der BGH hat in seiner „Halzband“-Entscheidung (GRUR 2009, 597 ) festgestellt, dass der private Inhaber eines Mitgliedskontos bei eBay, der seine Zugangsdaten nicht hinreichend vor fremdem Zugriff gesichert hat, sich so behandeln lassen muss, als habe er selbst gehandelt, wenn ein Dritter an die Zugangsdaten dieses Mitgliedskontos gelangt ist und es zu Schutzrechtsverletzungen und Wettbewerbsverstößen benutzt, ohne dass der Kontoinhaber dies veranlasst oder geduldet hat. Das OLG Frankfurt a.M. hat diese Rechtsprechung auf den Zugang zu einem Facebook-Account übertragen. Das OLG Frankfurt a.M. hat insoweit ausgeführt (OLG Frankfurt a.M. MMR 2016, 778 Rn. 26 ff.):

„Als Grund für die Haftung desjenigen, der seine Kontaktdaten nicht unter Verschluss gehalten hat, sah der BGH die von ihm geschaffene Gefahr, dass für den Verkehr Unklarheiten darüber entstehen können, welche Person unter dem betreffenden Mitgliedskonto bei eBay gehandelt hat, wodurch die Möglichkeiten, den Handelnden zu identifizieren und ggf. – rechtsgeschäftlich oder deliktisch – in Anspruch zu nehmen, erheblich beeinträchtigt werden. Von Bedeutung ist insoweit, dass die Kontrolldaten und das Passwort eines Mitgliedskontos bei eBay als ein besonderes Identifikationsmittel ein Handeln unter einem bestimmten Namen nach außen hin ermöglichen. Im Hinblick hierauf besteht nach Auffassung des BGH eine generelle Verantwortung und Verpflichtung des Inhabers eines Mitgliedskontos bei eBay, seine Kontaktdaten so unter Verschluss zu halten, dass von ihnen niemand Kenntnis erlangt.

Entsprechend verhält es sich mit einem Mitgliedskonto bei Facebook. Diesem kommt eine mit einem eBay-Konto vergleichbare Identifizierungsfunktion zu, sodass die Grundlage gegeben ist, den Inhaber eines bestimmten Facebook-Accounts im Wege einer unwiderleglichen Vermutung so zu behandeln, als habe er dort selbst die Postings eingestellt. … Insb. sind die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten, die in den Nutzungsbedingungen an dessen Inhaber gestellt werden, nahezu identisch wie bei eBay. …

Maßgebender Umstand ist allein, dass der Bekl. nach seinem eigenen Vortrag nicht hinreichend dafür Sorge getragen hatte, dass Dritte, insb. seine Freunde und Bekannte keinen Zugriff auf die Zugangsdaten und das Passwort seines Mitgliedskontos erlangten. Denn wie der Bekl. selbst eingeräumt hat, will er sich zu jener Zeit in seinem Facebook-Account ebenfalls über den Computer von Freunden oder Bekannten eingeloggt haben, wobei sein Umgang mit den eigenen Zugangsdaten „recht sorglos“ erfolgt sei, indem er weder darauf geachtet habe, sich stets nach einer solchen Nutzung sorgfältig bei Facebook auszuloggen, noch ob ggf. bei dem Fremdcomputer die automatische Merkfunktion aktiviert gewesen sei, die den nächsten Login ohne Eingabe eines Passworts ermöglichte.

Demzufolge hat der Bekl. seine Pflicht, die Zugangsdaten so geheim zu halten, dass Dritte davon keine Kenntnis erlangen konnten, in einer Weise verletzt, die seine Haftung auch für die möglicherweise von einem Dritten unter Verwendung dieser Daten begangenen Persönlichkeitsrechtsverletzung des Kl. begründet.

Der hier in Betracht kommende Zurechnungsgrund greift auch nicht erst dann ein, wenn der Bekl. als Kontoinhaber die unzureichende Sicherung seiner Kontaktdaten andauern lässt, nachdem er davon Kenntnis erlangte, dass ein Dritter sie unberechtigterweise benutzt hatte. Ihm wird vielmehr bereits die erste auf der unzureichenden Sicherung der Kontaktdaten beruhende Rechtsverletzung des Dritten als eigenes täterschaftliches Handeln zugerechnet (vgl. BGH, a.a.O., Rdnr. 20).“

Facebook-Account - persönlichkeitsrechtverletzender Äußerungen von Dritten
(Symbolfoto: Von Rawpixel.com/Shutterstock.com)

Dem schließt sich die Kammer für den vorliegenden Fall an. Die Beklagte hat eingeräumt, dass sie sich am gemeinsam genutzten Computer in den „Chat-Room“ eingeloggt und sodann den Raum verlassen habe. Ihr Mann habe sodann in Unkenntnis hiervon die streitgegenständliche Äußerung verfasst. Nach den oben dargestellten Grundsätzen begründet bereits dieses Verhalten der Beklagten ihre Haftung als Störerin. Darüber hinaus hat hier die Beklagte eingeräumt, dass „solche Pannen“ in der Vergangenheit bereits mehrfach passiert seien, sie und ihr Ehemann dem aber keine Bedeutung beigemessen hätten, da die Beklagte und ihr Ehemann „zumeist“ einer Meinung seien. Es kann insoweit dahinstehen, ob der streitige Vortrag der Beklagten angesichts des Umstandes glaubhaft ist, dass sie ausweislich der Anlage B1 vor der streitgegenständlichen Äußerung keine einzige, ein „Einloggen“ erkennbar machende, Wortmeldung verfasst hat, während ihr Ehemann sich zuvor unter seinem eigenen Account mehrfach und auch ca. 15 Minuten vor dem streitgegenständlichen Beitrag geäußert hatte.

Auch die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ist gegeben. Im Regelfall indiziert die Erstbegehung die Wiederholungsgefahr (ständige Rechtsprechung BGH GRUR 1997, 379, 380 – Wegfall der Wiederholungsgefahr II). Im Allgemeinen gelingt eine Widerlegung der Wiederholungsgefahr durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, die jedoch beklagtenseits verweigert wurde. Damit zeigt Beklagte, dass nach wie vor Wiederholungsgefahr besteht (vgl. BGH GRUR 1998, 1045, 1046 – Brennwertkessel).

Die Entscheidung über die Androhung eines Ordnungsmittels beruht auf § 890 ZPO.

Der Kläger kann von der Beklagten auch Zahlung der geltend gemachten Abmahnkosten unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag aus den §§ 683, 677, 670 BGB verlangen (Antrag zu II.). Die Abmahnung war berechtigt (s.o.). Der vom Kläger angesetzte Gegenstandswert ist auch angemessen.

Der Zinsanspruch ist jedoch erst ab dem 10.03.2018 (Tag nach dem Ablauf der Frist der Zahlungsaufforderung im Abschlussschreiben vom 02.03.2018, Anlage K3, Bl. 12 d.A.) unter dem Gesichtspunkt des Verzuges begründet.

Der Kläger kann ferner die Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren für das Abschlussschreiben vom 02.03.2018 gemäß Anlage K3 (Bl. 12 d.A.) aus den §§ 683, 677, 670 BGB in der geltend gemachten Höhe verlangen (Antrag zu II.).

Die Hinzuziehung eines Anwaltes für das Abschlussschreiben war erforderlich (vgl. BGH GRUR 2010, 1038 Tz. 23 f. – Kosten für Abschlussschreiben), um die Beklagte dazu zu bewegen, eine Abschlusserklärung abzugeben, da der einstweiligen Verfügung der Kammer nur ein vorläufiger Charakter zukam.

Der Kläger hat die vor einem Abschlussschreiben zu wahrende Wartefrist von zwei Wochen (vgl. OLG Frankfurt GRUR-RR 2003, 274, 278; OLG Frankfurt GRUR-RR 2003, 294 – Wartefrist; OLG Frankfurt NJOZ 2011, 1491) eingehalten.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 288, 291 BGB ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit. Soweit der Kläger Zinsen ab dem 19.03.2018 verlangt, fehlt es an hinreichendem Vortrag. Jedenfalls reicht hierzu eine Fristsetzung im Abschlussschreiben nicht aus, da es sich bei dieser Forderung nicht um eine Entgeltforderung im Sinne von § 286 Abs. 3 BGB handelt (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl. 2018, § 286 Rn. 27).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, da das Unterliegen des Klägers verhältnismäßig geringfügig ist.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

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